Dieses Foto hat Geschichte geschrieben: Aufgewühlt ruft eine junge Frau um Hilfe. Sie stützt den Kopf des sterbenden Studenten Benno Ohnesorg, der von dem Berliner Polizisten Kurras von hinten erschossen wurde. Der Fotograf der grausigen Szene heißt Jürgen Henschel. Zum 100. Geburtstag des Chronisten würdigt das Schöneberg Museum das Gesamtwerk des Bildberichterstatters.
Mit John McLaughlin betritt ein Grandseigneur alter Schule die Bühne im Berliner Admiralspalast: weiße Hose, weißes Hemd, bestickte Seidenweste, eleganter Binder. Über all dem leuchtet silberhell das weiße Haarkleid eines englischen Lords, der sich keiner Perücke bedienen muss. Das ist der Star des Quintetts, das seinen Namen trägt und dem man seine 82 Lenze kaum glauben mag. HIER geht es weiter →
Lebt am Steglitzer Damm 110 in Berlin eine totkranke Seele? Ist es ein Reichsbürger, der um alte Grenzen kämpft?? Handelt es sich um einen Drogen-, Alkohol- oder Spielbank-Süchtigen, der jeden Cent aus der Ruine herauspressen muss??? – Wer an dem Gruselhaus Steglitzer Damm 110 vorbeifährt, mag sich diese Fragen stellen.
Auf jeden Fall fühlt er sich in die Nachkriegszeit versetzt: Fenster sind herausgebrochen, Scheiben zerschlagen, Öffnungen notdürftig mit Matratzen und Pappe verstopft. Hinter blinden Fensterscheiben lauern Videokameras, die jeden, der sich dem Gebäude nähert, scannen.
Handelt es sich vielleicht um eine vergessene Filmkulisse? – Schön wär´s: Das mit öffentlichen Mitteln erbaute Wohnhaus zählt zum Besitztum einer Berliner Miethais, der die Wohnungsnot in der Hauptstadt gnadenlos ausnutzt und sich daran bereichert.
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Trotz erbarmungsloser Hitze trafen sich am Sonntag, dem mit 39 Grad bislang heißesten Tag des Jahres, 50 Autoren aus Berlin, Brandenburg und Meck-Pomm. Sie lasen auf dem Event »Literatur auf der Parkbank« im Berliner Tiergarten jeweils vier Stunden lang aus ihren Werken. Dabei wurden nicht nur (nach einer wissenschaftlichen Untersuchung des Berichterstatters) 236 Liter Schweiß vergossen, es wurden auch zahlreiche Bücher an Besucher und Spaziergänger verkauft. Am Abend trafen sich die Akteure zu einer Party im Café Tiergarten, um bei Wasser, Limo und Bier die Lebenssäfte wieder aufzutanken und sich näher kennenzulernen. HIER geht es weiter →
Der Mond ist aufgegangen. Als Projektionsfläche für Romantik, Eroberungs- und Entdeckungsfantasien beschäftigt sich die Schweizer Künstlerin Zilla Leutenegger mit dem Erdtrabanten. Zur Eröffnung des PalaisPopulaire in Berlin schuf sie eine faszinierende Installation unter dem Titel »Moondiver II« . HIER geht es weiter →
Wem gehört Berlin? – Libanesischen Großfamilien wie den Hamadys und den al-Saafis, brutalen Rockerbanden wie den Cthulhus oder tschetschenischen Killersoldaten? Den Berlinern jedenfalls gehört die Stadt schon lange nicht mehr. In einer Orgie von Gewalt kämpfen in dem beeindruckend realistischen Gangster-Drama 4Blocks Verbrecherbanden um Vorherrschaft und Einfluss, während Polizei und Justiz weitgehend hilflos die blutigen Reste wegwischen dürfen. HIER geht es weiter →
Mein erstes Buchmanuskript war ein Tatsachenroman, der die Drogentransporte der seinerzeit in Westberlin stationierten US-Streitkräfte schilderte.
Es war die Zeit des Vietnam-Krieges, den die amerikanische Regierung angezettelt hatte, um ein liebenswertes Land und seine Bewohner mit Napalm und Splitterbomben zu zerstören, pardon: von den bösen Kommunisten zu befreien …
Rund 70 Kilometer nördlich von Berlin lockte lange Jahre in Bergsdorf bei Zehdenick ein liebevoll restaurierter Vierseithof Kunstfreunde aus aller Welt ins Reich des Kreuzberger Malerpoeten Kurt Mühlenhaupt. Im Sommer 2019 jedoch zieht das Mühlenhaupt-Museum wieder in Kurtchens alte Wirkungsstätte nach Berlin-Kreuzberg, Aus dem Kunsthof Bergsdorf wird eine Art chinesische Villa Massimo. Ein chinesischer Investor hat das Gelände gekauft, der hier chinesischen Künstlern einen Deutschlandaufenthalt ermöglichen will. Ab Sommer werden hier zehn chinesische Maler arbeiten. Rosie Wang, die das Kulturzentrum leiten wird, wird auch weiterhin an den Wochenenden für das Publikum öffnen. HIER geht es weiter →
Zierfische in Fensterbuchten,
starren stumm auf Straßenschluchten.
Zwei Schatten wühlen dort in Tonnen,
Frau Sonne onaniert voll Wonnen.
War das eine Freude, wenn in früher Jugendzeit der Zirkus ins Städtchen kam! Bereits Tage zuvor klebten verwegen aussehende Männer farbenfrohe Plakate an Bäume, Zäune und Masten. Aus dem Nichts kamen sie wieder und errichteten über Nacht in einem Gewirr von Stangen, Seilen und Segeltuch ein gewaltiges Zelt. Bald trafen Güterwagen mit exotischen Tieren ein: Elefanten wurden entladen und im Triumphzug vom Bahnhof zur Festwiese begleitet. Rassige Rösser, mürrische Mulis, klapprige Kamele und braune Bären trotteten durch den Staub langer Straßen.
Zirkusluft verhieß Abenteuer, das war der Stallgeruch der großen, weiten Welt. Und wurde gar ein Schild mit der Inschrift „Junger Mann zum Mitreisen gesucht“ aufgehängt, dann träumten wir, uns heimlich aus der Villa Mama zu schleichen und dem Ruf ins Ungewisse zu folgen.
Mit dem Älterwerden verflüchtigte sich die Zirkusluft, und spätestens, seitdem ich offiziell „erwachsen“ bin, also wählen gehen, den Führerschein befristet abgeben und den Zusammenbruch von Euro-Staaten mit immer mehr Schulden verzögern darf, hat der Zirkus von anno Tobak seinen Reiz verloren. Dennoch schaue ich hin, wenn ein Plakat mit einem Clownsgesicht oder einem Männchen machenden Dickhäuter meinen Weg kreuzt, und das geschieht zuverlässig alle vier Jahre. Denn dann zieht der Politzirkus durchs Land
An diesem Wochenende lacht mich ein zwei Meter hoher, giftgrüner Papagei von einer riesigen Plakatwand an. Das Plappermaul heißt Henkel, wie mir von kundigen Zirkusfreunden verraten wird. Pardon, der Vogel wirbt natürlich nur für ihn, denn Herr Henkel ist ein ehrenwerter Mann der Berliner CDU, der selbst mal an die Futternäpfe will. An jeden zweiten Baum hat er deshalb ein Plakat mit dem sinnigen Hinweis „Ich bin ein CDU-Baum“ tackern lassen, um die Leute zum Besuch der Vorstellung anzulocken. Er träumt davon, mit seinen Leuten die regierende SPD zu beerben, die auf ihren Ankündigungen behauptet, sie würde „Berlin verstehen“.
Die attackierten Berlinversteher präsentieren statt eines exotischen Tieres lieber ihren Regierungschef Wowereit. Der Chefdompteur hält eine alte Dame wie einen zerzausten Tanzbären an der Hand und will damit wohl die mütterlichen Instinkte der zahllosen Seniorinnen von Sprayathen gewinnen. Tatsächlich ist ein enges Miteinandergehen der Generationen schon deshalb sinnvoll, weil nächtens die Straßenbeleuchtung ausgeschaltet wird, auch wenn der Mond lediglich verhangen strahlt, und Schlaglöcher Tiefen haben, die an den pazifischen Marianengraben erinnern.
Mit sorgendurchfurchter Stirn und Augenringen galoppiert daneben Renate Künast für „Die Grünen“ durch das Manegenrund, dass die Sägespäne fliegen. Die Spitzenkandidatin bietet sich dem hochverehrten Publikum mit Sprüchen wie „Renate kämpft“ und „Renate arbeitet“ als spaßfreier Kraftprotz mit Wadenbeißermentalität an. Inzwischen hat die Kunstreiterin allerdings kalte Füße bekommen und in einem Meisterstück öffentlichen Ungeschicks „Renate geht“ verkündet. Manche Auftritte gehen eben mal daneben.
Wie es sich für einen großen Zirkus gehört, gibt es neben Stars und Schwergewichten auch einen Tross mit Zauberern, Jongleuren und Tanzmäusen. Das kleinste Lebewesen unter der Zirkuskuppel heißt FPD. Die Partei der Westerwillis, Wendehälse und Wackelpeter möchte an der Zwei-Prozent-Hürde abgeholt werden und lädt mit besonderem Pfiff zur großen Zirkusshow ein: Auf den Plakaten der inzwischen kaum noch wahrnehmbaren Partei prangt vor dem Kürzel ein rapsgelber Aufkleber. Die „neue“ FPD will damit andeuten, dass mit etwas Make-up alles viel besser läuft als in den Jahrzehnten zuvor. Ob das reicht, um bei der nächsten Vorstellung wenigstens die Karten abreißen zu dürfen? Sichtbares Merkmal der blassgelben Werbebotschaften ist jedenfalls, dass sie sich bereits bei leichtem Regen ablösen und entsprechend schnell vom Winde verweht werden.
Zu jedem Zirkus gehört auch ein kleiner Kitzel, der von mahlendem Trommelwirbel begleitet wird. Mal ist es der Dompteur, der seinen Kopf in den Rachen des Löwen legt und ihn dabei krault. Manchmal sind es atemberaubende Sprünge ohne Netz und doppelten Boden. Diesmal wirbt ein verbissen wirkender Grauschopf in schwarzer Ledermonitur für einen Motorradstunt im Raubtierkäfig. Es ist der Chef der braunen NPD, dessen Konterfei hoch oben und unerreichbar unter dem Kuppelzelt klebt. Lautstark will der Todesfahrer aus wolkigen Höhen heraus „Gas geben“. Offen bleibt bei dieser Losung, die auch direkt vor dem Jüdischen Museum prangt, wem er denn dieses Gas geben bzw. wen er ins Gas schicken will. Das wird sich wohl erst zeigen, wenn er freigelassen werden sollte, um mit steifem Am durch einen brennenden Reifen zu springen. In der großen Pause verteilt er derweil als Pausenclown lustige Kreuzworträtsel, deren Lösungswort „Adolf“ lautet.
Menschen, Tiere, Sensationen und ein wenig Nervenkitzel. Das Zirkusorchester setzt zum flotten Marsch „Einzug der Gladiatoren“ an und muntert mit Tusch und Fanfarenklängen auf. In die Manege drängen nun verwegene Akrobaten, die sich als Piraten verkleidet haben. Während sie mit blanken Messern zwischen den Zähnen in affenartiger Geschwindigkeit die Wanten entern, stürzen Go-go-Girls vom Team „Deutsche Angst“ in die Manege und zeigen Bilder von brennenden Autos, vermummten Männern und lodernden Fackeln. Ach, wäre es nicht furchtbar, wenn Piraten in die Parlamente zögen und dort Totenkopfflaggen hissten? Vielleicht würden sie gar Ministerin „Zensursula“ als Geisel nehmen? Nun weiß selbst der CDU-Papagei keinen Ausweg mehr und schweigt still.
Ratlos starrt das Publikum in die Zirkuskuppel