Janina Venn-Rosky ist sich in einem Punkt ganz sicher: Milliardärs-Romanzen schreibt sie auch künftig nicht. Die Verfasserin britisch angehauchter Liebesromane lebt ihren Traum vom Schreiben auf englische Art: Sie trinkt Tee und genießt auch die Amouren ihrer Titelhelden mit Gelassenheit und Augenzwinkern.
Milliardärs-Romanzen schreibe ich nicht
Ein Porträt der Self-Publisherin Janina Venn-Rosky
Von Ruprecht Frieling
High Tea im Hause Venn-Rosky. Auf dem Tisch steht eine dreistufige Etagere mit Köstlichkeiten: Dreieckige Sandwiches mit Lachs, Scones, Erdbeermarmelade und hausgemachter Clotted Cream, ein Streichrahm aus Kuhmilch, erwarten den Gast. Dazu wird schwarzer Tee gereicht: Duftiger Darjeeling und kräftiger Assam heben den Genuss.
Janina Venn-Rosky ist vorbereitet. Schließlich schuldet sie ihrem Image als »Teeprinzessin«, zu der ich sie als leidenschaftlicher Teetrinker geadelt habe, den entsprechenden Lebensstil.
Aber wie kam sie eigentlich auf den England-Trip?
Nach einem vierwöchigen Au-pair sowie Jobs in Teeläden verliebt sich die im Sternzeichen Zwilling am 12. Juni 1976 in Kiel geborene Janina Hals über Kopf in die englische Kultur. Ihre beste Freundin zieht nach London. Da ist es endgültig um die junge Frau geschehen.
Ein Studium der Anglistik und Kunstgeschichte ist der konsequente nächste Schritt. Seitdem liest sie die Klassiker von Jane Austen ebenso wie die Romane ihrer aktuellen Lieblingsautorinnen Kathleen Tessaro und Mhairi McFarlane im Original.
Janina gießt goldfarbenen Tee ein und lädt zum Verkosten der Köstlichkeiten ein. Sie wirkt dabei durchaus britisch: aufrecht sitzend, rötlich angehauchtes schulterlanges Haar, das meistens hinter die Ohren gesteckt ist, ein Porzellanteint mit Sommersprossen, in rosa, gelb, himmelblau und andere Alabasterfarben gekleidet, dabei stets ein klein wenig spitzbübisch lächelnd. Kein Wunder, dass auch ihre selbst entworfenen farbenfrohen Buchcover distinguiert Britisches ausstrahlen.
Leidenschaftliches Lesen und kreatives Schreiben
Schon als Schülerin will Janina Venn-Rosky Schriftstellerin werden. Unter der Schulbank schreibt sie heimlich gemeinsam mit einer Freundin eine Hanni-und-Nanni-Persiflage. Angeregt durch die Lektüre der Abenteuerromane von Enid Blyton, Astrid Lindgren und Jules Verne verfasst sie im zarten Alter von zehn Jahren das verschollene Kriminaldrama »Der Handschuh«. Als Mitglied eines Detektiv-Clubs hockt sie mit zwei Jungen, bewaffnet mit Schnick-Schnack aus Yps-Heften, im Gestrüpp und wartet darauf, dass vor ihren Augen ein Verbrechen geschieht, das sie dann aufklären können …
Angeregt zum leidenschaftlichen Lesen und kreativen Schreiben wird sie von ihrer Deutschlehrerin. Mit ihr und zwei weiteren literaturbegeisterten Freundinnen geht sie ins Theater, trifft sich abends in der Kneipe, diskutiert Hölderlin, verschlingt »Narziß und Goldmund« von Hermann Hesse und Goethes romantische »Leiden des jungen Werther«. Zum Abitur überrascht sie gemeinsam mit drei Schreibfreundinnen ihre Mitschüler mit einem Theaterstück, das gespickt ist mit Aussprüchen von Lehrern und anderen wichtigen Philosophen. Im Sinne der Dichtkunst des Sinnvollen und Zwecklosen heißt das Stück »Zweck und Losigkeit«.
Die Teeprinzessin schenkt nach. Zum Glück kenne ich die Regeln der englischen Tea Time insoweit, als ich weiß: sich selbst nachzuschenken gilt als Taktlosigkeit. So lehrt es zumindest Anna, 7th Duchess of Bedford, die im frühen 19. Jahrhundert die Kunst der Teestunde einführte. Nach weiteren Häppchen aus der Etagere finden wir zu Janinas Lebenslauf zurück.
Studium und Beruf
Auf Kiel folgt nach zwei Jahren in Hamburg ein Studium in Textildesign. »Die kreative Arbeit war mehr mein Ding als die Wissenschaft«, kommentiert Janina Venn-Rosky, die diese Ausbildung mit dem sperrigen Titel »Diplom-Industriedesignerin Fachrichtung Textil« 2003 erfolgreich abschließt. Im Studium lernt sie ihren jetzigen Mann kennen, er ist das geeignete »Heiratsmaterial«. Inzwischen haben die beiden zwei süße Kinder.
Gemeinsam mit dem Schwiegervater erarbeitet die Autorin ein Farbwörterbuch, Planungshandbücher für Gestalter und Einrichtungsratgeber für einen Baumarkt. Es sind dicke, sorgfältig recherchierte und liebevoll layoutete Bücher zu Wohn- und Arbeitswelten. Bis heute produziert sie jährlich einen derartigen Wälzer. Text und Bildrecherche beanspruchen sie jeweils volle vier Monate und verdienen die Butter auf den Sandwiches.
Respektvoll nehme ich die dicken Wälzer in die Hand. Aus eigenem Erleben weiß ich, wie anstrengend die Produktion derartiger Sachbücher ist. Dies bewältigt nur, wer fleißig ist, äußerst strukturiert vorgeht, und diszipliniert schreibt. Das Schreiben von Romanen ist dagegen fast ein Befreiungsschlag.
Das erste Buch
Fünf Jahre schreibt Janina Venn-Rosky als kreativer Ausgleich an »Die Fee im Absinth«. Als der Roman endlich fertig ist, bittet sie ihren Mann, das Werk zu lesen. Auch die Freundin in London und zwei alte Schulfreundinnen werden als Testleserinnen gewonnen. Der Mann der einen bekommt das Manuskript in die Finger und meint zu seiner Frau, wenn sie »so etwas« geschrieben hätte, würde er sich von ihr scheiden lassen. Männer verschrecken kann Janina mit ihrem Werk offensichtlich ganz gut.
Von diesem erschrockenen Leser abgesehen, findet ihr Manuskript Zuspruch. Den Stress, Verlage anzuschreiben, erspart sich die Autorin. Aufgrund ihrer Ausbildung gelingt es ihr bei ihrem Erstlingswerk mithilfe ihrer Testleser auch ohne Lektoren, Korrektoren und Gestalter, eine erstklassige Druckvorlage zu schaffen. Bei ihren weiteren Werken greift die Autorin allerdings auf die Hilfe einer Lektorin zurück, die seitdem ihren Manuskripten den letzten Feinschliff verpasst.
2015 veröffentlicht Janina »Die Fee im Absinth« als E-Buch und Paperback über Amazon. Die Leserschaft greift zu und will mehr. Es folgen »Der perfekte Kuss«, »Liebe in Teedosen«, »Kein Tee für Mr. Darcy«, »Sehnsucht nach Teeküssen«, »Happy End mit Honigkuss«, und – als jüngstes Küken im Hühnerstall – »Der Hühnerflüsterer, meine Oma und ich«.
In der Tradition von Jane Austen
Gleich morgens, sobald die Kinder in der Schule sind, beginnt die Autorin mit dem Schreiben. Manchmal plottet sie, aber später wird doch alles anders als geplant. Inzwischen sind sieben belletristische Titel aus ihrer Feder lieferbar. Ein Buch pro Jahr, mehr ist wegen der Festaufträge nicht drin. Parallel liest sie Romane von Bestsellerautorinnen, um zu sehen, wie die das machen.
Janina Venn-Rosky sieht sich in der Traditionslinie von Jane Austen. Der Titel »Kein Tee für Mr. Darcy« deutet bereits auf den Protagonisten Fitzwilliam Darcy in Austens »Stolz und Vorurteil« (Originaltitel: Pride and Prejudice), der um Elizabeth Bennet wirbt. »Austen ist eine scharfe und zeitkritische Beobachterin«, erklärt mir Janina, »die betrachtet das Leben auch bei den Teestunden etwas ironischer».
Die Heldin ihres letzten Romans »Happy End mit Honigkuss« ist Autorin und schreibt Liebesromane. Sie lebt ihre Sehnsüchte ausschließlich in ihren Romanen aus. Ansonsten hat sie nach einer Enttäuschung mit dem Thema Liebe abgeschlossen. Findet sie einen Mann attraktiv, dann wird er eben der Held ihres nächsten Romans. Sie schreibt um ihn herum eine Geschichte, und wenn dies abgeschlossen ist, hakt sie den Kerl ab und verschanzt sich weiter in ihrem Elfenbeinturm.
Das bricht dann irgendwann auf, als ein toller Typ vor ihrer Tür steht und sich plötzlich für sie interessiert. Die Heldin macht zwar Stück für Stück eine Entwicklung, zickt aber herum und glaubt nicht an die große Liebe. Das haben einige Leserinnen der Verfasserin übelgenommen. Dass die Protagonistin dem Herrn das Leben schwer macht, mögen sie dann doch weniger gern. Kommt der Traumprinz endlich, und ist dann auch noch nett, dann sollte die Heldin auch sofort in Freudentaumel verfallen und dem armen Mann nicht noch das Leben schwermachen.
Figuren kennen und verstehen
Janina Venn-Rosky ist überzeugt: »Es ist für den Autor einfacher, etwas zu beschreiben, wenn man es selbst erlebt hat und insofern nachvollziehen kann oder zumindest Menschen kennt, die entsprechend agieren. Ich verstehe und kenne meine Figuren, identifiziere mich teilweise«.
Reaktionen der Leser wie private Nachrichten oder öffentliche Rezensionen bedeuten ihr viel. Der Self-Publisherin ist wichtig, hinter ihren Büchern stehen zu können. »Deshalb schreibe ich keine Milliardärs-Romanzen. Damit könnte ich mich nicht identifizieren, weil ich daran nicht glaube. Mir würden die Charaktere abhauen.«
Die Autorin ist überzeugt: Die meisten Autorinnen stecken viel von ihren eigenen Romantikvorstellungen in ihre Bücher. Damit werden die Texte überzeugender. Wer diese Art der Unterhaltungsliteratur ablehnt, wird deshalb kaum erfolgreich schreiben können.
Janinas Buchtitel erinnern mich an die Rosenromantik der Meisterin der Liebesschnulze, Rosamunde Pilcher. Darauf angesprochen widerspricht Janina lebhaft: »Pilcher ist kitschig. Romantik und Kitsch sind zwei verschiedene Dinge«.
Zwischen Romantik und Kitsch
Aber wie definiert Venn-Rosky Romantik?
»Romantik ist, wenn an die Liebe geglaubt wird. Dass Menschen ihre Träume verwirklichen können. Bei mir sind es Charaktere, die schon einen Bruch erlebt haben und trotzdem romantisch träumen. Romantik war immer da. Mit den Frauen, die ich beschreibe, wäre ich im „wahren Leben“ gern befreundet. Sie suchen ihren eigenen Weg, haben oft einen Bruch in ihrer Biographie wie eine Scheidung, eine gescheiterte Karriere und hegen den Traum von einem besseren Leben.«
Janina knabbert an einem Muffin, überlegt einen Moment und ergänzt dann auf meinen fragenden Blick: »Letztlich sind auch die Milliardärsgeschichten romantisch, wenn auch der Wohlstand den Ausschlag gibt und überzeugt. Damit kann ich mich allerdings nicht identifizieren, weil ich daran nicht selbst glaube«.
Wählt sie lieber Nice Guys als Bad Boys für ihre Romane aus?
»Genau. Die Männer, denen meine Heldinnen ihr Herz schenken, sind nett. Der Mann, in den sich meine Heldin verliebt, versucht nicht, sie klein zu halten, sondern ermutigt sie, ihre Schwingen zu entfalten. Natürlich darf er trotzdem gut aussehen …«
Die Bedeutung der Atmosphäre
Milchwölkchen treiben im Tee. Unterstützt von den Kindern, die gelegentlich hereinschauen und extra ihre Zimmer für den Besucher aufräumen mussten, ist die Etagere weitgehend abgeräumt. Die Straße, an der Familie Venn-Rosky wohnt, ist in abendliches Zwielicht gehüllt. Autoscheinwerfer tasten durch den silbergrauen Nebelfilm, der Berlin umhüllt. Meine Gastgeberin entzündet eine Kerze und schenkt nochmals nach. (Wo bleibt eigentlich der Absinth, Madame Pompadour?)
»Atmosphäre spielt in meinen Büchern eine große Rolle. Meine Romane sollen alle Sinne ansprechen. Es wird mit Leidenschaft gekocht und gebacken, in den Räumen brennen Kerzen, gemütliche Teestunden werden zelebriert, und durch die Räume zieht der Duft von Apfelkuchen. Der Blick für Details ist mir wichtig. Am liebsten mag ich es, wenn Räume lebendig werden und man ganz in ihnen abtauchen kann.«
Teeprinzessin Janina wünscht sich, dass ihre Bücher Wohlfühlorte sind, in denen der Leser eine Auszeit vom Alltag nehmen kann. Am liebsten schreibt sie über Dinge, die ihr selbst am Herzen liegen: über Liebe und Freundschaft, über die Magie kleiner Momente und großer Gefühle.
Träume können wahr werden
Langfristig würde sie gern zu einem guten Teil von ihren Romanen leben können. Dabei hat Erfolg in ihren Augen nur bedingt mit Umsatz zu tun. Sie möchte zufrieden sein mit dem, was sie produziert, und es interessiert sie in erster Linie, eine Leserschaft zu finden, die ähnlich tickt wie sie.
»Träume können wahr werden. Denn wenn wir an das glauben, was wir tun, ist alles möglich«, ruft sie mir beim Abschied noch ins Treppenhaus des Mietshauses nach.
Damit läuft sie bei mir offene Türen ein: Mein Motto »Folge deinem Stern« begleitet mich ein Leben lang. Es hat mir ein wundervoll abwechslungsreiches Dasein als Journalist beschert, in dem ich faszinierende Menschen wie Janina Venn-Rosky kennenlernen und interviewen darf.
• Manfred L., der schreibende Leichenflüsterer
• Sarah Baines: Von Schundromanen und Zeitfressern
• Wolf Wondratschek: Roman für nur einen Leser
• Auf einen Kaffee mit Elke Becker
• Elmar Bereuter, Autor der »Schwabenkinder«
• Brunopolik – Blogger, Querdenker, WebARTist, Dada-Nerd
• Auf einen Tee bei Tanja Neise
• Torsten S., der rasende Lokalreporter
Ein wunderbarer Beitrag. Ich hätte nun richtig Lust ins Auto zu hüpfen und Janina zu besuchen … vielleicht auf einen Tee und etwas Gebäck.
Sie ist ein so toller Mensch und da wir nicht nur die Liebe zu Büchern, sondern auch beide ein Jane Austen Herz besitzen, hätten wir bestimmt unseren Spaß. Danke für diesen kleinen, wenn auch nur gedanklichen, Besuch.
Sabine
Vielen Dank, liebe Sabine!
Bei Janina gefällt mir das hohe Maß an Übereinstimmung zwischen Ihrer Persönlichkeit und ihren Büchern.
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