Aus der literarischen Tradition der »Beat Generation« wuchs mit der Hippie-Bewegung das Bestreben engagierter Schreiber, neue journalistische Formen auszuprobieren, die unmittelbarere Ausdrucksformen gestatteten und den Leser stärker zu fesseln vermochten. Das ist der »New Journalism« der Generation Gonzo.
Tom Wolfe begründete den »New Journalism« mit seiner Geschichte über »Das bonbonfarbene tangerin-rot-gespritzte Stromlinienbaby«. Truman Capote, Norman Mailer, Gay Talese und Hunter S. Thompson sind weitere weltberühmte Vertreter des Stils.
Wesensmerkmal des »Neuen Journalismus« ist ein extrem subjektiv geprägter Reportagestil, der gern Randfiguren zu Hauptdarstellern macht und Themen aus einem völlig unerwarteten Gesichtswinkel beleuchtet. In seiner Geschichte »Frank Sinatra ist erkältet« versucht beispielsweise Gay Talese, wochenlang an den bekannten Sänger heranzukommen, was aber immer wieder daran scheitert, dass Sinatra tatsächlich erkältet oder einfach schlecht gelaunt ist. Stattdessen erfährt der Leser Erstaunliches über Freunde und Umfeld von Sinatra und seinem Milieu.
Ähnlich arbeitete Hunter S. Thompson, der erklärte Anarchist des »New Journalism«. Er nannte seine Form des Schreibens »Gonzo-Journalismus«, wobei das Adjektiv »gonzo« für bizarr, verrückt, hemmungslos und schräg steht. Monatelang lebte er unter »Hells Angels«, um ein Buch über sie zu schreiben. Er ging stets voll in seinem Thema auf, er nahm Recherche wichtig und versuchte, mit dem jeweiligen Milieu eins zu werden.
Zum Symbol wählte Thompson die Gonzo-Faust, eine zur Faust geballte Hand mit zwei nach innen zeigenden Daumen, die eine Peyote-Kaktee halten. Daraus wurde dann der Begriff der Generation Gonzo.
In seiner vielleicht bekanntesten Geschichte »Das Kentucky-Derby ist dekadent und degeneriert« besucht er mit einem britischen Zeichner das berühmte amerikanische Derby, um das feiste und verlogene Amerika zu beschreiben. Die Story verläuft turbulent, die Pferde sieht der Berichterstatter überhaupt nicht, da er meistens die VIP-Bar plündert. Er beschreibt, wie einige tausend volltrunkene Trottel »schreien, heulen, kopulieren, sich gegenseitig niedertrampeln und sich mit zerbrochenen Whiskeyflaschen angreifen«. Schließlich versprüht er eine Dose Kampfgas, was zu einem infernalischen Tohuwabohu führt. Dabei ist die vermeintliche Leichtigkeit, mit der die Geschichte daherkommt, Teil der Kunstfertigkeit des Autors und seiner Fähigkeit, sich selbst in seinen Texten zu inszenieren.
Beim Gonzo-Journalismus handelt es sich um einen unverwechselbaren Reportage-Stil, der auf William Faulkners Überzeugung basiert, die beste Dichtung sei weitaus wahrer als jede Art von Journalismus. Der im deutschen Sprachraum anspruchsvollen Journalisten als literarischer Maßstab dienende »rasende Reporter« Egon Erwin Kisch dachte ähnlich über dieses Thema und schrieb: »Nichts ist verblüffender als die Wahrheit, nichts exotischer als unsere Umwelt, nichts fantastischer als die Wirklichkeit.«
Damit sei nun keinesfalls gesagt, dass Dichtung notwendigerweise »wahrer« als Journalismus ist oder umgekehrt sondern, dass es sich sowohl bei »Dichtung« wie bei »Journalismus« um künstliche Kategorien handelt; und dass beide Formen in ihren Sternstunden nur zwei verschiedene Mittel zum selben Zweck sind. Belege für diese Sternstunden des Genres liefert die ultimative Sammlung der legendären Gonzo-Papers, die inzwischen auf Deutsch vorliegt und Thompsons beste Artikel aus vier Jahrzehnten unermüdlichen Kampfes gegen Dummheit, Bigotterie und Korruption präsentiert.
Thompson ist Vorbild gesellschaftskritischer Autoren, die sich für das Verschmelzen von literarischen und journalistischen Stilelementen starkmachen. Er wurde zum Outlaw, weil er die klassischen Werte des »good old America« verhöhnt und zu einem der letzten Freiheitshelden, der sich mit Mitteln von Sprache und Stil gegen Vermassung und Verblödung wehrt und als kreativer Unruhestifter stets im Mittelpunkt seiner eigenen Geschichten steht.
»Echte Gonzo-Reportage«, schreibt Thompson, »erfordert die Talente eines Meisterjournalisten, das Auge eines Künstlers/Fotografen und den Mumm eines guten Schauspielers«. Dieses Buch liefert auf 574 Seiten den Beweis für seine Meisterschaft.
Seine Geschichten und Figuren kennt wohl jeder. Max und Moritz, die fromme Helene, Hans Huckebein und viele andere Bilderpossen begeistern Generationen. Wilhelm Busch, Autor der satirischen Geschichten, legte mit seinem Werk den Grundstein für die facettenreiche Comicflut, die sich inzwischen über uns ergießt.
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Fallen Schriftsteller vom Himmel? Wohl kaum! Auch Klein-Goethe musste sich zunächst von seinen Windeln befreien und buchstabieren lernen. Aber es gibt Faktoren, die eine Entwicklung fördern. Den Zugang zum Schreiben wie zu Kultur und Kunst allgemein gewinnt ein Mensch über den aktiven Umgang mit seiner Muttersprache. Dies geschieht vorrangig in der Kindheit. In Familie und Elternhaus wird die Phantasie entwickelt und gefördert. Die natürlichen schöpferischen Kräfte des Kindes werden über die Sprache angeregt.
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In dem Reich der Heidehasen gibt´s schon viele Jahre lang / den Musikverein zur Pflege von Konzert und von Gesang / dort singt jeder mit Begeisterung im gemischten Hasenchor / und den Taktstock führt seit langem Herr Direktor Wackelohr.
Mit diesem Lied beginnt eine der größten Freuden, die sich große und kleine Musikfreunde zum Osterfest bescheren können. »Der Sängerkrieg der Heidehasen« ist ein von James Krüss geschriebenes einzigartig frisches und humoriges Stück Musiktheater.
Jedes Jahr im warmen Sommer wird das Singen sehr publik / denn dann gibt´s im Hasenreiche den berühmten Sängerkrieg. / Wer wird siegen, wer wird diesmal wohl der beste Sänger sein? / Passt fein auf und spitzt die Ohren: gleich fällt die Trompete ein.
In diesem Jahr gibt Lamprecht VI., König der Hasen und Karnickel, bekannt, dass seine Tochter den besten Sänger im Hasenheidenreich zur Frau bekommen soll. Direktor Wackelohr möchte unbedingt gewinnen und schließt mit dem Minister für Hasengesang einen Vertrag, wonach dieser für hunderttausend Hasentaler die Entscheidung der königlichen Familie zu seinen Gunsten beeinflussen will. Doch da tritt ein junges Talent auf: der Hase Lodengrün.
Mit Intrigen versuchen Direktor und Minister, Lodengrüns Teilnahme am Sängerkrieg zu verhindern und verstellen die Sonnenuhr an seinem Bau. In letzter Sekunde erwacht Lodengrün und hoppelt durch den Wald, um das Sängerfest noch zu erreichen. »Als ich heute früh erwachte, fand ich meine Uhr verstellt«, singt er dabei aus vollem Hasenherzen und versucht mit letzter Kraft, den Festplatz zu erreichen
Der aus Helgoland stammende James Krüss schrieb Hörspiele für Kinder und gemeinsam mit dem Dichter Peter Hacks Kindergedichte. 1956 erschien sein erstes Kinderbuch »Der Leuchtturm auf den Hummerklippen«. Sein Buch »Timm Thaler« wurde als Fernsehserie verfilmt. Bekannt ist auch seine Serie »James Tierleben« mit Suzanne Doucet und Hans Clarin. Der »Sängerkrieg« entstand 1952.
Die Musicalfassung entstammt der Feder des Komponisten Christian Bruhn. Bruhn war einer der bekanntesten deutschen Schlagerkomponisten der Nachkriegsgeschichte. Cinderella-Baby (für Drafi Deutscher), Küsse unterm Regenbogen (für Manuela), Liebeskummer lohnt sich nicht (für Siw Malmkvist), Siebentausend Rinder (für Peter Hinnen), Wärst Du doch in Düsseldorf geblieben (für Dorthe), Wunder gibt es immer wieder (für Katja Ebstein) und Zwei kleine Italiener (für Conny Froboess) zählen zu seinen zahlreichen Hits.
Berühmt wurde »Der Sängerkrieg der Heidehasen« als Hörspiel, das der Bayerische Rundfunk 1952 mit Franz Muxeneder und Charles Regnier in den Hauptrollen und Musik von Rolf Wilhelm produzierte. Das Hörspiel ist als Buch und auf CD erhältlich und sollte in keinem Haushalt mit Kindern fehlen. Sänger ist Klaus Havenstein, der im bundesdeutschen Nachmittagsfernsehen eine bedeutende Rolle spielte.
Auf der Bühne wird der »Sängerkrieg« leider viel zu selten aufgeführt. Hier berichte ich über eine Aufführung in der Berliner Philharmonie.
Ein Blogger wird zufällig von einer Verwandten »entdeckt«. Er hat immer darauf geachtet, nur einen Decknamen beim Bloggen zu verwenden, und auch sein Bild, der Avatar, lässt keine Identifikation zu. Nun erschrickt er und schaltet sofort alle Einträge auf »unsichtbar«, damit sie nicht in der Verwandtschaft durchgereicht werden. Denn es steht Persönliches in seinen Einträgen, das nicht für sie bestimmt sein soll. Seine Frage ist, wie und ob er überhaupt weiter bloggen soll. HIER geht es weiter →
Berlin. Ursula Gertrud von der Leyen, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, hat ihre Pläne, kinderreiche Familien direkt und unmittelbar zu fördern, im Kabinett Merkel erfolgreich durchgesetzt. Ab 1. Juli 2007 müssen danach volljährige Bundesbürger, die keine Kinder haben, eine Sonderabgabe von 490 Euro pro Nase und Jahr zu Gunsten kinderreicher Familien leisten. Die neue Abgabe wird bei abhängig Beschäftigten in monatlichen Raten direkt mit der Lohnsteuer eingezogen. Der vollständige Gesetzestext liegt dem BLOGSDORFER ANZEIGER vor.
Ministerin von der Leyen, selbst Mutter von sieben Kindern, äußerte sich hoch erfreut über das neue Gesetzeswerk: »Sieben Kinder zu haben, ist optimal und dient dem Fortbestand unseres Vaterlandes. Deshalb streben wir Familien mit möglichst sieben Nachkommen an und fördern diese mit voller Kraft«, erklärte sie in einem Pressegespräch gegenüber dem BLOGSDORFER ANZEIGER. Auf Befragen dieser Zeitung, ob es sich vielleicht um ein Strafgeld für diejenigen handele, die sich bewusst gegen Kinder entschieden hätten oder aus medizinischen Gründen außerstande seien, Kinder in die Welt zu setzen, reagierte von der Leyen verständnislos: »Immer nur Schnackseln statt an den Fortbestand der Nation zu denken, ist auf die Dauer untragbar«, meinte sie.
Die neue Kinderlosen-Abgabe-Verordnung (KiLoAV) sieht vor, dass jeder volljährige deutsche Staatsbürger, der keinen Nachwuchs nachweist, pro Jahr 490 Euro an die Staatskaste zahlt. Mit jedem Kind verringert sich die Abgabe allerdings um 70 Euro. Wer also sieben Kinder oder mehr hat, wird von der Zahlung befreit. Allein die rund 14,6 Millionen Privathaushalte werden nach Berechnungen des Ministeriums jährlich 7,154 Milliarden in die Staatskassen spülen.
Das neue Gesetz verspricht die Verwandlung der Bundesrepublik in ein familienfreundliches Eldorado. Alle Familien mit mindestens sieben Kindern werden ab 1. Juli 2007 von jeder Steuerzahlung befreit. Aus den Erlösen der Verordnung erhalten sie darüber hinaus monatliche Bonuszahlungen von dreihundert Euro pro Kind. Von dieser radikalen Stützungsaktion verspricht sich die Bundesregierung einen Aufschwung der Bundesrepublik Deutschland zu einem familienpolitischen Musterland mit weltweiter Vorbildwirkung.
Mit der intern als »Leyen7« bezeichneten KiLoAV soll dem Niedergang der Bundesrepublik Einhalt geboten werden. Denn nach Erhebungen des Statistischen Bundesamtes sank die Einwohnerzahl Deutschlands 2006 erneut. Anfang 2007 dürfte sie bei nur noch 82,31 Millionen Menschen gelegen haben. Ein Jahr zuvor lebten 82,44 Millionen Menschen in Deutschland. 2006 ergab sich ein Überschuss der Sterbefälle über die Geburten von etwa 150.000.
Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte, sie trage das neue Gesetz voll und ganz. »Professor Sauer und ich überlegen schon ein Weile, ob wir späte Eltern werden wollen«, erklärte die Regierungschefin mit einem rosigen Lächeln. »Unabhängig von den Launen der Natur zahlen wir selbstverständlich gern, um Deutschland wieder auf einen Spitzenplatz zu bringen.«
Als einer der ersten übermittelte Papst Benedikt XVI. der Bundesregierung seine Glückwünsche zu ihrer »weisen Entscheidung«. Der Stellvertreter Jesu Christi auf Erden würdigte das Gesetz »als einen wichtigen Beitrag, die Familie wieder zu stabilisieren und den Willen des Herrn zu erfüllen.«
Wenn dass Leben bröckelt, und die Vergesslichkeit alles in weiße Watte hüllt, dann reduziert sich das Dasein auf Reste, auf Trümmer, auf Fragmente. Die »Neuköllner Oper« thematisiert mutig die Problematik Alzheimer und bringt sie in einer Kammeroper auf die Bühne. Betroffene und ihre Angehörigen irren durch ein »Niemandsland«, und so lautet denn auch der Titel der neuesten Produktion.
Die Zuschauer sitzen in einem aufgeschnittenen Gehäuse, das mit Möbeln der 60er Jahre ausstaffiert ist. Spüle, Kochnische, Schränke, Klappcouch, Doppelbett, Fernseher drängen sich auf engstem Raum und erwecken einen verwahrlosten Eindruck. Es ist die Wohnhöhle des an Alzheimer erkrankten Vaters (Eckhart Strehle), der ziellos durch das Ensemble irrt und gelegentlich wie ein Kleinkind aufbegehrt. Er sucht seine vor fünfzehn Jahren in den Freitod gegangene Frau und glaubt gelegentlich immer noch, er betreibe einen kleinen Gasthof.
Am Küchentisch versucht Sohn Georg (Alexander Mildner) verzweifelt, Rechnungen und andere Briefe zu sortieren, um das soziale Leben des Schwerkranken zu ordnen. Er kümmert sich um den Vater, er kleidet ihn, füttert ihn und versucht, ihn zu beruhigen. Zu den beiden stößt der verstoßene Sohn Sebastian (Michael Johannes Berner), ein Pianist. Im elektrisierten Aufeinanderprallen des Trios entsteht das Bild einer Familie, in der nahezu alles schief gelaufen ist.
»Niemandsland« ist wie ein Theaterstück inszeniert. Dramaturgisch geschickt wird mit Stimmen aus dem Off gearbeitet, die jeweils die inneren Gedanken der Akteure preisgeben. Im Kopf des Vaters fetzen Bruchstücke der Erinnerung, die er aber nicht mehr ausdrücken kann. Auch bei den Söhnen sind Gedanken und Äußerungen selten synchron. Die Drei versuchen zwar, sich umständlich einander anzunähern, doch es gelingt ihnen nicht. Aus dem Niemandsland gibt es kein Entrinnen.
Musikalisch ist das Thema der Kammeroper raffiniert gelöst. Mit expressivem Schlagwerk, Vibraphon und Marimbaphon unterstreicht Perkussionist Olaf Taube die starke Emotionalität des Themas und drückt die Dissonanz der Charaktere schlagfertig aus. Mit Hilfe von diversen Schlag- und Effektinstrumenten erzeugt er einen Klangteppich, der dem anspruchsvollen Thema voll entspricht.
Mit Winfried Radekes »Niemandsland« knüpft die »Neuköllner Oper«, die in Erinnerung an ihre gleichnamige Spitzenproduktion vor acht Jahren gern als »Wunder von Neukölln« bezeichnet wird, wieder an ihre starken Traditionen an. Fazit: Unbequemes Thema, großartige Umsetzung.
Das norditalienische Mantua feiert am Sonnabend mit einer Wiederaufführung des «L´Orfeo» (Orpheus) die Geburt der Oper. Das Musikwerk des italienischen Komponisten Claudio Monteverdi (1567-1643), das weithin als erste Oper gilt, wurde am 24. Februar 1607 in kleinem Kreis im «Palazzo Ducale» in Mantua uraufgeführt.
Nun soll es zu Ehren des Opern-Jubiläums und der Stadt am 24. Februar im «Teatro Bibiena» wiederaufgeführt werden.
Im Opern-Blog hat Reinhold, der Träumer, die Geschichte der Oper beschrieben.
Mit der herausragenden Neuinszenierung von Richard Wagners romantischer Oper in drei Aufzügen »Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg« präsentierte die derzeit hyperaktive Oper Frankfurt am Sonntag die erste spektakuläre Premiere des neuen Opernjahres. Tannhäuser wird darin als Gefangener seiner Selbst, als Getriebener zwischen Freiheit und Konvention beschrieben. HIER geht es weiter →
Der Musiker, Komponist und Kapellmeister Sergej Rachmaninow (1873 1943) war gerade achtzehn Jahre, als er im Rahmen seines Studienabschlusses seine erste Oper komponierte. Er stützte sich auf einen Text des russischen Dichters Puschkin und schrieb den Einakter »Aleko«. Dabei handelt es sich um eine Geschichte aus dem Zigeunermilieu voller Liebe, Leidenschaft und Tod im Stil der kurz zuvor uraufgeführten sizilianischen Bauernoper »Cavalleria rusticana«. Die Prüfungskommission begeisterte das Ergebnis derart, dass sie ihm hierfür Bestnoten und Anerkennungen verlieh. Uraufgeführt am 27. April 1893 im Moskauer Bolschoi-Theater legte die Oper den Grundstein für Rachmaninows spätere Karriere. Am gestrigen Abend erlebte die Kurzoper in einer Fassung von Bernhard Glocksin und Andreas Nathusius ihre Premiere in Berlins »Neuköllner Oper«.
Aleko will ein Aussteiger sein. Er träumt von Freiheit und Abenteuer und bricht ebenso heftig rauchend wie weiland der Marlboro-Mann auf, um der »bürgerlichen Scheiße« zu entfliehen. Sein Heil sucht der junge Mann in einem Zigeunerlager, wo er seinen Traum vom ungebundenen Nomadenleben verwirklichen möchte. Er lebt dort mit seiner Braut Zemfira, die er in einem rauschenden Fest ehelichen möchte. Aleko engagiert eine Zigeunerkapelle und lässt Schnaps und Bier auffahren.
Gäste kommen und bringen Geschenke: Toaster, Pizzaöfen, Kaffeemaschinen und Thermoskannen werden als Wohlstandsymbole überreicht. Dann braust die Feier los. Doch die Braut scheint einen anderen Freiheitsbegriff zu haben als der Bräutigam und lässt sich mit einem weiteren Mann ein. In Alekos Augen bricht sie damit ihren Treueschwur. Im Blutrausch erschießt er ihren Liebhaber und dann das Mädchen: »Der Morgen wird grausame Taten verkünden « Die Gemeinschaft der Zigeuner verstößt ihn aus ihrer Mitte, verzichtet aber auf Rache.
Es geht um das sensible Thema »Zigeuner«, das in knallbunten Klischees inszeniert wird. Die experimentierfreudige »Neuköllner Oper« versteckt sich hinter der Figur des Aleko, der angeblich das Theater gemietet habe, um seine Oper aufzuführen. Denn das Thema bietet Zündstoff. Darf man in Deutschland überhaupt eine Oper über Zigeuner zeigen? Ist es gestattet, den Begriff in den Mund zu nehmen, oder muss man dazu selbst Sinti oder Roma sein? Es hat sich ja im Zuge der »political correctness« in deutschen Landen eingebürgert, dass nur Angehörige der jeweiligen Betroffenen Beiträge zum Thema leisten dürfen, und es entsteht schnell ein falscher Verdacht.
Die Inszenierung der »Neuköllner Oper« ist ein schüchterner Versuch, sich dem Thema zu nähern. Ein echter Diskussionsbeitrag ist sie leider nicht. Es ist natürlich einzigartig, den kaum gespielten Rachmaninow-Einakter hören zu können. Vor allem die Kapelle unter Winfried Radeke ist ein Ohrenschmaus. Doch auf der Bühne zündet es nicht, und so springt auch kein Funke ins Publikum über. Zu angestrengt wirken die Sänger, es fehlt ihnen spürbar die Leichtigkeit, ihre Rollen zu füllen. So bleibt im Ergebnis des Premierenabends die Frage im Raum, welchen Zugang der Betrachter zum Stück finden kann.