Sein Werk wird von den Medien totgeschwiegen, doch seine Leser feiern ihn: Der Berliner Autor Jonas Winner verkaufte über 100.000 E-Books in nur zehn Monaten. Wie erklärt sich das Phänomen?
Das Berlin Gothic Phänomen
Der internationale Erfolg der siebenteiligen Berlin Gothic-Reihe von Jonas Winner zeigt: Neue Möglichkeiten in den Techniken des Schreibens, Verbreitens und Lesens (Stichwort: E-Book) bieten neue Möglichkeiten des storytellings, also des Erzählens von Geschichten. Und diese neuen Konzepte sind deshalb so erfolgreich, weil sie dem Leser genau das geben, was er sucht: Eine packende Geschichte, in die er sich vertiefen kann.
Im August 2011 hat Jonas Winner seinen auf ca. 1200 Seiten angelegten Thriller Berlin Gothic als siebenteilige E-Book-Reihe gestartet. Nur zehn Monate später hat er über 100.000 Exemplare verkauft. Die englischsprachigen Rechte sind von Amazon Crossing einer Amazon-Verlagstochter erworben worden, die Bände werden derzeit übersetzt und kommen als E-Book- und Paperback-Reihe auf Englisch in den USA und weltweit heraus. Die Filmrechte von Berlin Gothic werden verhandelt, eine Fernsehserie wird entwickelt, ebenfalls für den Weltmarkt.
Ein Grund für die Breitenwirkung der Reihe hat sicherlich damit zu tun, dass es Winner gelungen ist, ein packendes Bild der Hauptstadt zu zeichnen: Geheimnisvoll, glamourös, verführerisch, unheimlich. Das Bild einer Metropole aus der Sicht von drei Jugendlichen, die ihren Weg im Leben erst noch finden müssen.
Hinzu kommt, dass der Autor dank der Veröffentlichung in sieben Teilen mit jeweils 150 200 Seiten ein Panorama entfalten konnte, das er in einem einzelnen Buch so niemals hätte entwickeln können. Erst durch die Breite und Tiefe des geschilderten Universums, durch die Vielzahl der Figuren und Handlungsstränge entsteht die ganz besondere Sogwirkung der Geschichte. Eine fesselnde Mischung aus Spannung, Geheimnis, Familiengeschichte und Beziehungsdrama, die Folge für Folge Tausende von Leser und Leserinnen fasziniert. Und die ihre besondere Art des Erzählens letztlich mit reflektiert.
Dieser gigantische Erfolg wurde möglich obwohl BERLIN GOTHIC von den traditionellen deutschen Medien praktisch totgeschwiegen wird. Während der Londoner Guardian einen englischen Self-Publisher interviewt, sobald er 100.000 E-Books verkauft hat, wird das Thema hierzulande eher abwertend behandelt. Warum?
Hinter dem Erfolg der Berlin Gothic-Reihe steht kein Verlag, kein Konzern, kein High-Tech-Medienhaus und auch keine ausgefuchste PR-Maschinerie. Sondern nur ein Mann: Der Autor Jonas Winner, der von seinem Büro aus in Personalunion die Bände schreibt und herausbringt. Ein sogenannter Self-Publisher. Eine Form des Publizierens, die erst seit kurzer Zeit möglich und praktikabel ist. Ein Hinweis darauf, dass das Elektrobuch nicht der Untergang, sondern die Zukunft des Geschichtenerzählens ist? (Dabei gehört Winner übrigens zu den sogenannten Hybrid-Autoren, die sowohl in traditionellen Verlagen veröffentlichen als auch auf eigene Faust.)
Soeben ist der siebte und letzte Berlin Gothic Band erschienen. Damit ist der Spannungsbogen abgeschlossen: Die über sieben Bände angelegte Geschichte einer Familie, einer Entdeckung, einer Liebe. Die Geschichte des Jungen Till Anschütz, der als Waise in der Familie Bentheim aufgenommen wird, sich in die Tochter des Hauses Lisa Bentheim verliebt und mit ihrem Bruder Max anfreundet. Doch es gibt ein dunkles Geheimnis in dieser Familie und die drei Kinder müssen erst erwachsen werden, bevor sie begreifen, was es ist, dass der Vater von Max und Lisa zu verbergen hat.
Wer sich näher mit Jonas Winner beschäftigen möchte, sei auch auf mein E-Book WIE MAN ERFOLGREICH E-BOOKS VERKAUFT verwiesen, in dem der Autor über den Hintergrund seines Erfolgs berichtet.
Im Prolog seines Berlin-Thrillers setzt Jonas Winner mit drei Blitzlichtaufnahmen auf Horror, Gewalt und Sex: Till Anschütz erwacht in einer Folterkammer und erfährt, umoperiert worden zu sein; Kommissar Konstantin Butz inspiziert den Torso einer Frau, die mit einem Akkubohrer verstümmelt wurde aber noch letzte Lebenszeichen gibt; Fotografin Claire Bentheim lichtet einen blutigen Boxkampf ab und lässt sich danach mit dem Sieger ein.
Während der Autor offen lässt, welchen Torturen Till ausgesetzt ist, inspiziert Kommissar Butz den Fundort der verstümmelten Frau. Er entdeckt einen verborgenen Tunnel in eine unterirdische Welt und wird dabei fast verschüttet. Seine Lebensgefährtin Claire wird derweil von dem liebestollen Boxchampion Frederik bis in ihre Wohnung verfolgt.
Winners eigentliche Geschichte beginnt zwölf Jahre früher: Till flieht aus dem Kinderheim Brakenfelde. Nie wieder will der elternlose Junge dorthin zurück, nachdem sich sein Bruder Armin erhängt hat. Auf seiner Flucht wird er von einem Auto erfasst und begegnet auf diese Weise der Familie Julia und Xaver Bentheim. Deren Kinder Max, Lisa und Claire freunden sich mit dem Flüchtling an und wollen ihm helfen. Sie verstecken ihn im Schuppen des Anwesens ihrer Eltern.
Besonders der strenge Vater, der in einem Gartenhaus Bücher schreibt, reizt die Neugierde Tills. Die Kinder glauben, dass Xaver Bentheim Geschichten schreibt, die nicht nur ausgedacht sind, sondern tatsächlich stattgefunden haben oder sogar immer noch stattfinden. Till belauscht den Schriftsteller nachts bei einer Art Selbstgespräch, in dem dieser einen seltsam-rauschartigen Zustand beschreibt. Doch Bentheim erwischt den heimlichen Zuhörer
Jonas Winner konstruiert seinen Thriller um Till, Max und Lisa, Xaver und Julia, Butz und Claire in steter Folge von Zeitsprüngen und Rückblenden. Mosaikartig entsteht vor dem geistigen Auge des Lesers das engmaschige Netz einer spannenden Geschichte, zu der ihm Winner scheinbar unabhängig voneinander baumelnde lose Fäden in die Hand gibt. Diverse Cliffhanger und bisweilen bewusst nebulöse Andeutungen dessen, was die Protagonisten erwartet, geben der Geschichte zusätzliche Würze.
Berlin Gothic ist ein düsterer Krimi mit Lokalkolorit, der den Leser rasch in seinen Bann schlägt. Autor Jonas Winner fand für sein Werk, das er für 99 Cent als E-Book in Amazons Kindle-Shop anbietet, in wenigen Monaten zehntausende Leser. Der stürmische Zugriff der Leser katapultierte ihn auf Spitzenplätze in den Amazon-Bestsellercharts. Das Genre des untergegangen geglaubten Groschenromans feierte neue Triumphe.
Seinen Spitzenplatz wird Winner wohl noch eine ganze Weile halten, denn die Sache hat einen raffinierten Haken: Im spannendesten Augenblick bricht Berlin Gothic ab, und es wird der Erwerb eines weiteren Bandes fällig. Der Autor hat seinen Krimi auf sieben Teile geplant, und das Suchtpotential der Serie ist erheblich. Er schreibt die Fortsetzung, während die Leser schon die ersten Teile lesen können und mit seinen Helden fiebern.
Wie in den guten alten Zeiten der Fortsetzungsromane liefert Winner seinen Thriller häppchenweise. Dabei ist bereits der erste Band derart effektvoll geschrieben, dass man unbedingt wissen will, wie es weiter geht und der Reihe atemlos treu bleibt. Den Leser von Berlin Gothic erwartet indes keine ambitionierte Hochliteratur, es geht um spannende Unterhaltung mit kräftigen Knallern. Diese wird sprachlich durch einen aktiven Stakkato-Stil betont, der das Verständnis von Gestern und Heutedurch den Wechsel zwischen Präteritum und Präsenz unterstreicht.
Der Autor versteht es, das Kopfkino seiner Leser in Gang anzukurbeln und starke Bilder zu erzeugen. Sicherlich wird es deshalb auch dazu kommen, dass Berlin Gothic verfilmt wird. Denn der Autor schrieb bereits Drehbücher für ARD, ZDF, Sat.1 und RTL und verfügt damit über Erfahrungen, die er in seine Schreibe einfließen ließ.
Zuvor jedoch wurde Jonas Winner von einer ganz anderen Seite unerwartete Anerkennung beschieden: Amazon-Chef Jeff Bezos schickte ihm einen Vertrag für die Übernahme der siebenteiligen Reihe ins Englische. Sein Konzern will den Thriller sowohl weltweit als Elektrobuch wie auch als Papierbuch vermarkten. Damit ist Winner der erste sich selbst verlegende deutschsprachige Autor, der über die E-Book-Schiene so bekannt wurde, dass selbst Amis auf ihn aufmerksam wurden. Bislang war der umgekehrte Weg üblich: US-Autoren werden so sie sich gut verkauften ins Deutsche übersetzt und den hiesigen Leservasallen vorgesetzt. Deutsche Autoren galten mehrheitlich als nicht weltmarktgängig
Wer mehr über Jonas Winner erfahren möchte und seine Erfolgsrezeptur kennen lernen will, der liest mein E-Book Wie man erfolgreich E-Books verkauft. Exklusivinterviews mit Top-Autoren.