Gleich gegenüber der Oper Frankfurt lacht der Euro als Monumentalplastik dem Steuerzahler frech ins Gesicht, während sich drinnen der Vorhang hebt zum ersten Abend der Tetralogie von Richard Wagners Ring des Nibelungen. Im »Rheingold« wird erzählt, wie die Gier nach Geld und Gold aus dem Urschleim der Geschichte gewoben wird und unaufhaltsam die Welt vergiftet.
Regisseurin Vera Nemirova inszeniert die Parabel um Liebe und Gold indes als sphärisches Märchen aus einer anderen Galaxie. Sie vermeidet jeden Bezug zu den geldgeilen Kraken von Krankfurt, die in den umliegenden Glitzertürmen die Welt ins Wanken bringen. Ihre Rheintöchter, Zwerge und Götter spielen auf fünf kreisenden Saturnringen (Bühnenbild: Jens Kilian). Werktreu erzählt sie die Geschichte von den Rheintöchtern Woglinde, Wellgunde und Floßhilde, die den um ihre Zuneigung werbenden Zwerg Alberich verspotten und ihn schließlich auf die Idee bringen, die Liebe zu verfluchen, das Rheingold zu stehlen und daraus den Ring der Macht zu schmieden.
Göttervater Wotan nimmt derweil den Bau seiner Götterburg Walhall ab, die ihm die Riesen Fasolt und Fafner auftragsgemäß errichtet haben. Als Lohn versprach er den Bauleuten Freia, die Göttin der Liebe, die in ihrem Garten die Äpfel der ewigen Jugend züchtet. Als er jedoch zahlen soll, widersetzt sich Wotan, es kommt zu heftigem Streit mit seinen Lieferanten, den auch die zur Hilfe eilenden Götter Donner und Froh sowie Halbgott Loge nicht schlichten können. Als Loge jedoch vom Rheingold berichtet, um dessen Rückgabe die Rheintöchter Wotan bitten, wird ihre Gier geweckt und sie willigen ein, Freia (und damit die Liebe) gegen den Schatz zu tauschen.
Wotan steigt darauf mit Loge in die Unterwelt, in der Alberich die Nibelungen mittels des mächtigen Ringes zwingt, seinen Reichtum zu mehren. Er unterwirft den Dieb und raubt den Hort. Urmutter Erda, mit der Frauenheld Wotan die Walküren zeugte, taucht aus dem Erdinneren auf und prophezeit das Ende der Götter: die Götterdämmerung.
Die Riesenbrüder Fasolt und Fafner werden mit dem Rheingold ausbezahlt. Sie fordern und bekommen auch den magischen Ring, den Wotan gern behalten möchte. Dessen Fluch geht auf die Erbauer von Walhall über: Fasolt erschlägt Fafner und bemächtigt sich des Schatzes. Die Götter beziehen schließlich ihren neuen Wohnsitz, während Wotan bereits Pläne schmiedet, wie er den Fluch des Goldes und damit den von Erda verheißenen Lauf der Geschichte abwenden kann
In Nemirovas Inszenierung mutieren die Götter zum Schluss in Salonlöwen, die ins Publikum gehen und diese quasi in das Spielgeschehen einbeziehen. Während sie sich gegenseitig mit Champagner zuprosten und ihr neues Domizil feiern, fällt der Vorhang. Dies ist einer der wenigen Szenen, in der die Regisseurin eigene Ansätze zeigt, die über das konventionelle Erzählen hinausgehen.
Ansonsten sind es inszenatorische Zugaben, die aber seltsam ungereimt bleiben: Mal tauchen vier weitere Riesen zur Verstärkung von Fasolt und Fafner auf, die beim Abtransport des Goldes (wo sie wirklich gebraucht werden könnten) wiederum fehlen. Als die Göttin der Jugend verschleppt wird, sieht man die Vision der Götter, die sich gebeugt und greis über die Bühne schleppen; diese Szene wiederholt sich später beim Einzug in Walhall, wobei Freias jüngendes Obst längst wieder auf dem Speiseplan steht und die Gefahr des Alterns abgewendet ist. Alberichs Verwandlung in einen Furcht erregenden Lindwurm wird pantomimisch mit farbigen Handschuhen dargestellt und geriert zum Kasperletheater.
Was der Regie an Einfällen fehlt, macht die Musik locker wett: Musikalisch ist das Frankfurter Rheingold umwerfend. Sebastian Weigle bändigt das Opernorchester und beherrscht die monumentale Musik Wagners. So werden sowohl die insgesamt sechs Harfen hörbar, auch die Streicher entfalten ihren schimmernd seidigen Klang selten gleichberechtigt neben dem dramatisch tönenden Blech. Das behutsam aufsteigende Orchestervorspiel mit seinen 136 langen Takten Es-Dur macht den Atem stocken. Leider setzt sich bereits im Vorspiel die tonnenschwere Bühne vollkommen unnötig ächzend und stöhnend in Bewegung und stört den Zauber.
Stimmlich ragen Alberich (Jochen Schmeckenbecher), Wotan (Terje Stensvold) und Loge (Kurt Streit) hervor. Die Sänger müssen diesmal – wie häufig bei Wagner-Opern – nicht gegen die Klangwut aus dem Graben kämpfen, Weigles Dirigat lässt ihren Stimmen Raum, sich differenziert auf ihre Rollen einzustellen.
Im Ergebnis ist der Start des dritten Frankfurter Ring-Zyklusses ein musikalischer Genuss. Die Chance, vor der Kulisse der Frankfurter Banken einen zeitgemäßen oder aktuellen Ansatz zu suchen, wurde hingegen vertan. Ende Oktober 2010 wird Vera Nemirova mit der Walküre den zweiten Abend von Wagners monumentaler Kapitalismus-Kritik präsentieren.
Theater Taptoe setzt die Segel zu »De vliegende Hollander« Fotos: Neuköllner Oper
Im Rahmen des Europäischen Festival für anderes Musiktheater »Open Op« gastierten auf Einladung der Neuköllner Oper das flämische Theater Taptoe und das Bläserensemble »I Solisti del Vento« in Berlin. Gespielt wurde »Der fliegende Holländer« nach Richard Wagner als symphonische Erzählung mit Chor und Marionetten.
Die Truppe aus Belgien hat Wagners im Stil einer Nummernoper geschriebene zweieinhalbstündige »Romantische Oper in drei Aufzügen« aus dem Jahre 1843 auf die Hälfte zusammengestrichen. In einem 75minütigen Mix aus Figuren- und Objekttheater spielen drei Puppenspieler, ein vierköpfiger Männerchor und ein gutes Dutzend Musiker die dramatische Geschichte vom verfluchten holländischen Kapitän, der alle sieben Jahre mit seinem Geisterschiff aus der Tiefe des Meeres auftaucht und nach Erfüllung sucht. Denn der Holländer kann nur sterben, wenn er eine Frau findet, die ihm bis in den Tod hinein treu bleibt. Nur dann wird er vom Fluch der Götter erlöst und kann in Frieden sterben.
Der Verfluchte trifft auf Daland, einen anderen Kapitän, den er mit Gold und Edelsteinen in den Bann schlägt. Daland verkauft dem Geisterfahrer seine Tochter Senta. Die wiederum hat schon viel vom Mythos des fliegenden Holländers gehört und möchte seine Seele aus der Verdammnis erlösen. Sie gibt dafür ihren Verehrer, den Jäger Erik, auf, der sie jedoch an ihren Treuschwur erinnert. Dies hört der Holländer und glaubt, dass auch Senta nicht die Frau sein kann, die ihn retten wird. Es weist sie von sich. Sie setzt dem davon eilenden Gespensterkapitän nach, verkündet nochmals, ihm treu bis zum Tod sein zu wollen, und stürzt sich vom Felsen ins brausende Meer. Durch dieses Opfer wird der fliegende Holländer schließlich erlöst und findet Frieden.
Dramaturg Luk de Bruyker inszeniert den »Holländer« als Bühnenspiel mit Puppen. Dabei interpretiert er die Figur des Geisterfahrers als nebulöse, unwirkliche Figur, die lediglich als Schattenriss auftritt. So ist der Holländer selbst nie zu sehen, es bleibt beim Schattenspiel zwischen der Takelage eines Segelschiffes, das als Bühnenbild dient und einigen wenigen Akteuren. Senta, die weibliche Hauptfigur, wird doppelt dargestellt: von einer Puppe sowie einer Schauspielerin, die sie trägt und mit ihr interagiert. Dazwischen bewegt sich der als Matrosenmannschaft gekleidete Minichor. Eine Gliederung der Handlung in zehn Szenen ermöglicht demjenigen, der Wagners Original nicht kennt, ein inhaltliches Folgen, das auch durch eine ausgefeilte Lichtregie und Projektionen erleichtert wird.
Am ungewöhnlichsten an der Interpretation der Oper ist der vollständige Verzicht auf stimmgewaltige Solosänger. Dadurch kommt dem einzelnen Musiker und seinem Instrument solistische Bedeutung zu, und das kleine Ensemble hat enorm zu tun, um wenigstens den Hauch eines Eindrucks der gewaltigen Musik Wagners zu vermitteln. Windmaschine, Donnerblech und Regentrommel unterstützen die Illusion von Wetter, Wellen und Wind.
Wer bei »De vliegende Hollander« einen Orignal-Wagner erwartet, der wird enttäuscht. Wer sich darauf einlässt, den Holländer-Stoff und einen Teil des musikalischen Materials in einer eigenständigen Inszenierung aufbereitet zu sehen, der wird von der flämischen Wanderbühne»Theater Taptoe« gekonnt und eigenwillig bedient.
Regisseur Christof Loy schaute sichtbar verdutzt, als er nach der Premiere seiner Inszenierung von Wagners Musikdrama »Tristan und Isolde« auf die Bühne des Londoner Royal Opera House trat, um Rosen in Empfang zu nehmen, stattdessen jedoch ein tausendstimmiges britisches Buuuuuuuhhh kassierte. Publikum und Presse der Themsestadt hegten hohe Erwartungen, doch diese wurden ganz offensichtlich nicht befriedigt.
Dabei ist »Tristan und Isolde« ein Stoff, der alle Möglichkeiten bietet, zumal er sogar in Britannien spielt: Der verwitwete König Marke aus Cornwall schickt seinen treuesten Freund und Verwandten Tristan per Schiff als Unterhändler nach Irland, um ihm dort als Friedensgeschenk zwischen den verfeindeten Nationen eine Gemahlin abzuholen, die »irish maid« Isolde eben. Die verkaufte Braut wiederum kennt Herrn Tristan bereits, der Jahre zuvor ihren Geliebten Morold im Zweikampf erschlug, dabei selbst schwer verwundet wurde und nur dank ihrer legendären Heilkünste gerettet wurde. Isolde fühlt sich gedemütigt, dass der Mörder ihres Verlobten jetzt als Brautwerber für seinen alten Onkel Marke auftritt. Um »zu sühnen alle Schuld« will sie ihn und auch sich selbst in die ewigen Jagdgründe schicken.
Die Sache wird spannend. Drogen kommen ins Spiel. Isolde weist ihre Zofe Brangäne an, »kennst du der Mutter Künste nicht«, ihr einen Todescocktail zu mixen. Die wiederum vertauscht die Mixturen und serviert einen Liebestrank, der starke Wirkung zeigt. Denn sobald Tristan und Isolde einen kräftigen Schluck Love Potion genommen haben, entflammen sie in heftiger Zuneigung und verschmelzen als ein Herz und eine Seele. So geht es nach Cornwall.
Im zweiten Akt empfängt die inzwischen mit dem Monarchen verheiratete Isolde ihren heimlichen Lover in Markes Burg Tintangel zum nächtlichen Stelldichein und löscht selbst das Licht, um ihn im Dunkel der Nacht zu sich zu rufen. Die Love Story kulminiert. »O sink hernieder, Nacht der Liebe, / gib Vergessen, dass ich lebe; / nimm mich auf in deinen Schoß, löse von der Welt mich los! / So stürben wir, um ungetrennt ewig einig, ohne End, / ohn Erwachen ohn Erbangen namenlos in Lieb umfangen, / ganz uns selbst gegeben, der Liebe nur zu leben! / Ohne Nennen, ohne Trennen, neu Erkennen, neu Entbrennen; / ewig endlos, ein-bewusst: heiß erglühter Brust höchste Liebeslust!«
Tristan und Isolde schwören sich das mittelalterliche Motiv des Aufgehens im gemeinsamen Liebestod als höchste Erfüllung (ein Motiv, das Wagner auch in seiner Oper »Der fliegende Holländer« ausführlich thematisiert). Als King Marke vom Betrug seines treulosen Freundes erfährt und wenig »amused« reagiert, ist die Sache für Tristan klar: er will als echter Ritter der Liebe willen in den Tod gehen. Isolde erklärt, ihm folgen zu wollen. Der liebestolle Held stürzt sich in das Schwert, das Markes Vasall Melot gegen ihn zieht und verletzt sich damit selbst tödlich.
Im dritten Akt vollzieht sich Tristans langes Sterben. Auf seiner Burg Karneol auf dem französischen Festland wartet er mit Freund Kurvenal auf die Ankunft eines Schiffes aus Cornwall, das ihm Isolde bringt. Als diese endlich eintrifft, stirbt er in ihren Armen. Sie bricht darauf verklärt zusammen und singt mit »Mild und Leise« eine der herzbewegendsten Wagner-Arien. Derweil kommt Marke mit Gefolge auf einem weiteren Schiff an. Der König wurde von Brangäne über die Wirkung der verabreichten Drogen aufgeklärt, er verzeiht seinem Neffen und möchte ihm sogar Isolde überlassen. Doch er kommt zu spät. Tristan und Isoldes Seelen sind bereits ins »Wunderreich der Nacht« entschwunden.
Was macht nun Christof Loy aus dem prächtigen Stoff? Er verschenkt in seiner Inszenierung nahezu alles, was ihm Wagner auf dem Silbertablett liefert. Abgesehen von einem spartanisch-minimalistischen Bühnenbild, das lediglich aus Stuhl, Tisch und Hocker besteht, nutzt Loy einen schweren Vorhang als Element, das Tristan und Isolde vom hinteren Bühnenraum trennt. Dort bewegt sich eine schwarz gekleidete Herrengesellschaft in oft slapstickartig erstarrten Bewegungen. Diese Trennung soll die Tag- und Nachtwelt der Gedanken Tristans und Isoldes von den übrigen Figuren andeuten.
Die beiden Protagonisten Tristan (Ben Heppner) und Isolde (Nina Stemme), die bärig in einer Bauer-sucht-Frau-Attitüde einander umschleichen, transportierten trotz großer stimmlicher Qualität nicht den Funken großer Emotion. Von Passion, Leidenschaft oder gar Inbrunst gibt es keine Spur. Wagners Wechselspiel zwischen Liebeserfüllung und Liebesqual wird als nüchtern-kalter Braten serviert, der erst noch in den Ofen geschoben werden will. Verwirrend kommen hinzu Loys eigene Regieeinfälle: im Hintergrund turtelt plötzlich Brangäne mit Markes Mannen, Tristan löscht selbst das Licht, mit dem ihn Isolde ruft, es gibt keine Schiffe als Metaphern für Ferne und Sehnsucht, und, und, und.
Muss Wagner von jedem Regisseur neu erfunden und teilweise sogar umgeschrieben werden? Wie viel Vorwissen muss ein Operngänger heutzutage mitbringen, um eine Aufführung zu verstehen? Gerade Wagner ist ja wie kein anderer Komponist der Musikgeschichte von einem absoluten Gleichschritt von Musik und Text geprägt. Jeder Spannungsmoment, der auf der Bühne dargestellt wird, spiegelt sich in der Musik, und die Spielhandlung auf der Bühne kann eigentlich im Gleichklang fließen.
Ja, die Musik. Wunderschöne und mächtige Klänge. Samtig schimmernde, strahlende Streicher. Das Orchester des Royal Opera House bewältigt einen unglaublichen Berg Noten, und es tobt, tönt und trompetet aus dem Graben, als ob der Leibhaftige die Musiker treibt. Die große Schwierigkeit bei Wagner liegt allerdings darin, die entfesselte Klangfülle zu bündeln und zu bändigen, damit auch in den ruhigen Momenten ein silberner Sound aufsteigt, der Gänsehaut beschert. Dirigent Antonio Pappano schaffte es leider nicht immer, seine Truppe zu zügeln, und so singt beispielsweise John Tomlinson als König Marke trotz großer Stimmkraft gegen einen Klangteppich an, der in einigen Szenen keinen Ton zum Publikum durchlässt. Man spürt, dass dieses Orchester und sein Dirigent begeistert spielen, aber relativ unerfahren im Erklimmen des Wagner-Massivs sind. Umso höher sind Spielfreude und Leistung zu bewerten.
Christof Loy verschenkt mit seiner Inszenierung von »Tristan und Isolde« viel von den großzügigen Möglichkeiten, die der Stoff ebenso wie das Opernhaus im Londoner Covent Garden bietet. Entsprechend enttäuscht reagierte das Publikum. Es hatte deutlich mehr erwartet.
Götterdämmerung in Bayreuth: Prinz Rupi konferiert mit Richard Wagner
Foto: © W. R. Frieling
Götterdämmerung in Bayreuth
Gudrun Wagner, die zweite Ehefrau und persönliche Referentin des Bayreuther Festspielleiters Wolfgang Wagner, ist am 28. November 2007 im Alter von 63 Jahren überraschend gestorben. Damit wird die Diskussion um die Nachfolge auf dem Bayreuther »Grünen Hügel« erneut angeheizt.
Gudrun Wagners plötzlicher Tod fällt mitten in die schwelende Debatte um die Nachfolge des gesundheitlich stark angeschlagenen 88jährigen Festspielchefs. Wolfgang Wagner, der einen Vertrag auf Lebenszeit hat und sich mit Klauen und Zähnen an sein Amt klammert, war in den letzten Jahren inhaltlich kaum noch in Erscheinung getreten.
Heimliche Chefin der Bayreuther Festspiele war seine Frau Gudrun, die bei den Proben Anweisungen brüllte und die jeweiligen Regisseure in ihrem künstlerischen Handlungsspielraum grobschlächtig einschränkte. Ihr besonderes Unvermögen bewies die einstige Fremdsprachenkorrespondentin in der Auswahl des künstlerischen Personals. Das führte im Ergebnis zu einem rapiden Imageverlust des Bayreuther Festspielhauses in den letzten Jahren.
Nachdem es Wolfgang Wagner anno 2000 nicht gelungen war, Gattin Gudrun gegen den Stiftungsrat als seine Nachfolgerin zu inthronisieren, konzentrierte sich das Ehepaar darauf, die 1978 geborene Tochter Katharina zur künftigen Chefin aufzubauen. Katharina debütierte in diesem Jahr glücklos mit einer schwachen Inszenierung der 1867 von ihrem Urgroßvater Richard Wagner vollendeten »Meistersinger von Nürnberg« als Regisseurin im Festspielhaus. Sie hat im Verbund mit dem konservativen Dirigenten Christian Thielemann wiederholt ihre Bereitschaft erklärt, die Festspielleitung zu übernehmen.
Doch im 24köpfigen Stiftungsrat war bislang die berechtigte Sorge ausgeprägt, Gudrun Wagner könnte von einer solchen Lösung profitieren und weiter als eigentliche Leiterin der Festspiele tätig sein. Durch ihren Tod werden die Karten über die Nachfolge auf dem Grünen Hügel nun völlig neu gemischt.
Wer auch immer die Nachfolge von Wolfgang Wagner antreten wird, der hat es schwer. Denn der einstige Qualitätsanspruch der Kultbühne, die sich ausschließlich dem Werk Richard Wagners widmet, steht nur noch auf dem Papier. Musikliebhaber zieht es längst nicht mehr wie in früheren Jahrzehnten nach Bayreuth, obwohl es immer noch eine Wartefrist von mehr als zehn Jahren gibt, um auf normalem Weg an die begehrten »Kärtli« zu kommen.
Hinzu kommt der Ansatz, es müsse unbedingt ein Wagner sein, der Bayreuth leitet, als gebe es einen genetischen Code, der jeden Abkömmling mit dem Genie des alten Richard ausrüste. Solange dieser Irrglaube und der daraus resultierende Familienklüngel nicht beseitigt wird, hat Bayreuth keine echte Chance auf eine kreative Weiterentwicklung.
Mit der herausragenden Neuinszenierung von Richard Wagners romantischer Oper in drei Aufzügen »Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg« präsentierte die derzeit hyperaktive Oper Frankfurt am Sonntag die erste spektakuläre Premiere des neuen Opernjahres. Tannhäuser wird darin als Gefangener seiner Selbst, als Getriebener zwischen Freiheit und Konvention beschrieben. HIER geht es weiter →