Eine farbenfrohe Inszenierung präsentierten die Musikfestspiele Potsdam Sanssouci mit der Opera Restor´d London. Foto: © Wilhelm Ruprecht Frieling
Die 1737 uraufgeführte komische Oper »The Dragon of Wantley« gilt als Britanniens populärstes Stück Musiktheater nach »The Beggar´s Opera«. Die komische Oper der gebürtigen Deutschen John Frederick Lampe (1703-1751) nach einem Libretto von Henry Carey (um 1689-1743) erlebte soeben im Rahmen der Musikfestspiele Potsdam Sanssouci ihre deutsche Erstaufführung in englischer Sprache. Das Publikum reagierte begeistert auf die unkonventionelle Inszenierung der Opera Restor´d London.
Moore of Moore Hall, ein Säufer und Prahlhans, wird auserkoren, den Kinder und Vieh fressenden Drachen von Wantley zu besiegen. Als Preis wird ihm eine junge Dame versprochen. Allerdings erscheint auch noch eine frühere Geliebte des vorgeblichen Großwildjägers und erinnert ihn an sein Heiratsversprechen.
Wie die »Beggars Opera« ist »The Dragon of Wantley« eine Parodie auf den italienisch geprägten Opernbetrieb, dessen artifizielle Konventionen und hochfliegende Sentiments in ein »bodenständiges« Englisch transferiert werden, dabei virtuos und voll britischen Humors. Nicht zuletzt versetzt das Stück so manchen Seitenhieb auf die herrschenden politischen und moralischen Verhältnisse seiner Entstehungszeit, wobei Moore of Moore Hall die Figur des italienischen Kastraten Farinelli karikiert. Beide Stücke waren die Voraussetzung für die Entwicklung einer britannischen Nationaloper und drängten Georg Friedrich Händels Einfluss zurück.
Die Opera Restord London erzählt die ursprünglich aus Elisabethanischen Zeiten stammende Geschichte in der Inszenierung von Jack Edwards äußerst farbenfroh. Allein die Kostüme sind eine Augenweide. Moore of Moore Hall (Daniel Auchincloss), er erinnert mich übrigens an meinen Lieblingsprahlhans Tartarin von Tarascon von Alphonse Daudet, hat sich ein Tigerfell übergestülpt und schleift den Oberkörper der Katze als Schleppe hinter sich her. Sein Hemd ist aus Zebrafell geschneidert, ein Gürtel aus Leopard berichtet von großen Taten. Im Kampf gegen den Drachen hüllt sich der Prahlhans, nachdem er sich mit etlichen Humpen Ale gestärkt hat, in ein Stachelgewand, damit er dem Drachen trotzen kann.
Unter der Leitung von Gary Cooper präsentiert die Akademie für Alte Musik wundervoll leichte Musik, die nachvollziehbar macht, warum diese Burlesque Opera seit fast dreihundert Jahren ein Publikum begeistert. »The Dragon of Wantley« bietet pures Musikvergnügen und ist auch für all diejenigen geeignet, die sonst der Oper wenig abgewinnen können.
Kristin und Mark wünschen sich ein Kind. Auf natürlichem Wege klappt es zwischen der Powerfrau und dem Systemadministrator jedoch nicht. Er meint, sie sollten häufiger miteinander schlafen, sie meint, er solle mal einen Arzt konsultieren.
Der Haussegen hängt schief, da hören sie von »Childlike Creatures« und kaufen sich von dieser Firma ein Kind.
»Childlike Creatures« ist der weltweit führende Hersteller bioidentischer Kinder, die nach den Ansprüchen der Auftraggeber individuell programmiert werden. Kristin (Juliane Dreyer) und Mark (Sebastian Smulders) entscheiden sich für einen niedlichen Jungen namens Pino (Andreas Röder), den sie mit nach Hause nehmen. Das Eheglück scheint gerettet, und doch kommt alles anders als geplant.
Der frisch gebackene Sohn wird auf Papa und Mama programmiert, damit er sich auch zugehörig fühlt und die gewünschten emotionalen Reaktionen zeigt. Leider muss Mama bereits am ersten Abend wieder ins Büro und überlässt das jammernde Kind dem Herrn Papa, der es genervt zum Schlafe bettet. Darauf springt Mark an seinen Computer und bestellt sich Kitten (Camilla Kallfaß) zwecks Entspannung für ein Schäferstündchen ins traute Heim. Der Lärm der beiden Liebenden weckt das Kind auf. Er sieht, dass sich Papa und die Dame »lieben«, während Papa sich mit der vorherigen »Mama« stritt und hält konsequent Kitten für seine wahre Mutter.
Es entwickelt sich nun eine herrliche Komödie der Irrungen und Wirrungen. Pino geht auf die Suche nach seiner vermeintlichen Mama Kitten und landet in dem Amüsierbetrieb von King (Lars Redlich) und Fox (Martin Kluntke). Die Luden wittern ein Geschäft und wollen den Knaben gegen »Finderlohn« zurückgeben. Aber wollen die Eltern noch einmal für das offenbar fehlerhaft programmierte Blag bezahlen? Wie gut, dass »Childlike Creatures« mit Felicity (Jeanette Claßen) eine Spezialkraft einsetzt, die solche Probleme professionell lösen kann
Mit »Kauf Dir ein Kind« zeigt die Neuköllner Oper wieder eine Produktion von Peter Lund, der dort zuletzt mit »Maja & Co« Begeisterungsstürme hervorgerufen hatte. Lund hat die Berliner Off-Road-Oper wesentlich geprägt und ihr mit Stücken wie »Das Wunder von Neukölln«, »Die Krötzkes«, »Elternabend« und vielen anderen ein unverwechselbares Gepräge geschaffen. Die Musik des neuen Musicals stammt von Thomas Zaufke, der es versteht, eingängige Melodien zu schaffen, die das Talent zu Ohrwürmern haben.
Das Stück ist äußerst temporeich choreographiert (Neva Howard). Die Geschwindigkeit der Gags, Tanz- und Gesangseinlagen macht aus dem viele ernste Themen wie Genmanipulation und Kindesmissbrauch berührenden Musical eine Komödie, auf der ein Lacher den nächsten jagt. Damit zieht eine professionelle Glätte bei der Neuköllner Oper ein, die der alternativen Spielstätte ein wenig von ihrem einstigen Charme nimmt, der auch durch Brüchigkeit und Improvisation geprägt war.
»Kauf Dir ein Kind« ist eine hoch professionelle Produktion, die als Arbeit für die Drittsemester der Universität der Künste Berlin, Studiengang Musical/Show entstand, es aber locker mit jeder anderen Musicalproduktion aufnehmen kann. Mit der gestrigen Uraufführung wurde gleich noch ein zehnjähriges Jubiläum gefeiert. Seit 1997 kooperiert Berlins viertes Opernhaus mit dem Studiengang Musical/Show an der Universität der Künste, bei der Lund eine Professur hat.
»The Tiger Lillies« sind schräg, abseitig, verdreht, lästerlich, vor allem aber mit rabenschwarzem britischen Humor vom Feinsten ausgestattet. Mit ihrer an Bertolt Brechts »Dreigroschenoper«, dem erfolgreichsten deutschen Bühnenstück des 20. Jahrhunderts, angelehnten »Two Penny Opera« gastierte das musikalische Freak-Kabarett am Wochenende in Brechts einstigem Theaterpalast, dem »BE« genannten plüschigen »Berliner Ensemble« am Schiffbauerdamm.
»Sie werden jetzt eine Oper hören. Weil diese Oper so prunkvoll gedacht war, wie nur Bettler sie erträumen, und weil sie so billig sein sollte, dass Bettler sie bezahlen können, heißt sie: Die Dreigroschenoper«, sagte Brecht selbst über sein Werk.
Die »Two Penny Opera« der »Tiger Lillies« besteht aus neunzehn Songs, die sich thematisch eng mit dem Brechtschen Original verweben. Es geht um sexuellen Missbrauch, Verbrechen, Freitod und Gotteslästerung. Mackie richtet mit seinem legendären Messer unter dem Mond von Soho ein Blutbad an. Die Nutten des Hafenviertels berichten von ihrer entbehrungsreichen Arbeit. Räuber, Gendarmen, Spelunkenbetreiber, Pastoren und Scheinheilige kommen zu Wort. Es ist eine Welt am Abgrund der bürgerlichen Gesellschaft, die beschrieben wird und in Selbstzeugnissen zu Wort kommt. Die Musiker selbst bezeichnen ihre Musik als »satanic folk«.
»Piss On Your Grave« heißt ein typischer Song aus der »Two Penny Opera«, in dem »Lillies«-Frontmann Marty Jacques besingt, wie er nacheinander Maria, Johannes den Täufer, Petrus, Gott und Satan ersticht und anschließend auf ihre Gräber uriniert. Bei dieser Thematik wird nachvollziehbar, dass die Band von Kritikern gern als blasphemisch und obszön abgekanzelt wird und ihre Fans eher unter Leuten findet, die Geschmack an Makabrem und Absurdem haben als unter Kirchgängern.
Anders als in Brechts Original-Dreigroschenoper, wo der Bösewicht kurz vor der Hinrichtung begnadigt und in den Adelsstand erhoben wird, lassen die »Lillies« ihren Räuberhauptmann baumeln. Im Song »Twenty-Five Minutes« schildert der Todgeweihte seine letzten fünfundzwanzig Minuten, in denen er noch einmal kräftig den Vertretern von Obrigkeit und Kirche ins Gesicht spuckt.
Die 1989 gegründeten »Tiger Lillies« füllen mit ihren phantasievollen und makabren Abenden mittlerweile Hallen und Arenen im englischsprachigen Raum und trotz sprachlicher Schwierigkeiten, den Texten zu folgen, auch darüber hinaus. Die dreiköpfige Gruppe produziert jedes Jahr ein neues Programm, das gut erschlossen auf CD vorliegt. Ihr Album »The Gorey End« wurde für den Grammy nominiert. Weil Leadsänger und Akkordeonspieler Martyn Jaques den Falsettgesang pflegt und über ein unverwechselbares stimmliches Volumen verfügt, werden die Musiker gern auch die »kriminellen Kastraten« genannt.
Schlagartig berühmt wurde die Truppe mit ihrem herzzerreißenden Programm »Shockhead Peter«, einer Edel-Punk-Version von Heinrich Hoffmanns »Struwwelpeter«. Als eine von vielen Zugaben spielten die »Lillies« im begeistert applaudierenden »BE« ihren Struwwelpeter-Song »Flying Robert« über den Fliegenden Robert, der es bei wildem Wetter nicht in der Stube aushält und vom Sturm davon getragen wird.
Die »Tiger Lillies« präsentieren mit ihrem musikalisch ausgefeilten Programm Rebellion gegen die Gesellschaft und Hass auf falsche Propheten und die Doppelmoral der Kirchenfürsten. Wer das mag, wird von der Band gekonnt bedient und erlebt einen unvergesslichen Abend.
»The Tiger Lillies«: Interview und Einblick in ihr Werk
Musik von den Tiger Lillies
Homepage der Tiger Lillies
Ausgeschlossen, ich bin doch nicht abergläubisch! Ich halte mich für einen modernen, aufgeklärten Zeitgenossen, weit entfernt von Angst vor schwarzen Katzen und dreizehnten Stockwerken. Doch nach der Lektüre von Dorothea Steinbachers Büchlein zum Thema muss ich mich wohl korrigieren. Denn nun weiß ich, dass der Aberglaube viel tiefer in mir steckt, als ich bislang vermutete.
So halte ich ein zufällig gefundenes vierblättriges Kleeblatt für einen Glücksbringer. Meinen Freunden von Oper und Theater wünsche ich vor der Aufführung mit »Toi, toi, toi!« Glück und spucke ihnen über die Schulter. Bei einer Sternschnuppe schließe ich die Augen und hoffe, ein stumm geäußerter Wunsch möge in Erfüllung gehen. Unterstütze ich jemand aus vollem Herzen, dann drücke ich ihm die Daumen und mit all dem klebe ich bereits im Spinnennetz des Aberglaubens.
Den Daumen glaubten unsere Vorväter als den kräftigsten der Finger von Dämonen besetzt. Bei einem Epileptiker wurde zuerst der Daumen gelöst, um die bösen Geister, die von ihm Besitz ergriffen, zu vertreiben. Wir sprechen vom »grünen Daumen« erfolgreicher Gärtner und einer »glücklichen Hand«, der dieses oder jenes gelingt. »Den Daumen drücken« bedeutet schließlich, mit den übrigen vier Fingern den Daumen festzuhalten, damit keine Dämonen dazwischenpfuschen können und den Erfolg verhindern. Tief in unsere Alltagssprache ist der Aberglaube eingedrungen.
Was ist Aberglaube? Der Ursprung des Begriffs ist das althochdeutsche »ubarfengida« und heißt »Oberglaube«. Die Gebrüder Grimm definierten den Begriff als das, »was über den wahren glauben hinaus, daran neben vorbei geht«. Aberglaube bezeichnet somit den Glauben an das Übersinnliche und wurde erst im Zuge der Aufklärung zum Irrglauben gestempelt. Derzeit wird all das Aberglaube genannt, was über die Glaubenslehren der Amtskirchen hinausgeht.
Wer sich mit der ursprünglichen Bedeutung vieler heutiger Bräuche, Sitten und Redensarten, mit magischen Zahlen, Zaubersprüchen und Segenszeichen beschäftigen möchte, um dem täglichen Aberglauben auf den Grund zu gehen, wird von Dorothea Steinbacher gut unterhalten. Anliegen ihrer Veröffentlichung ist, die Spuren alten Brauchtums in unserer modernen Welt als Phänomen aufzuzeigen, das uns über Jahrhunderte hinweg mit dem Glauben unserer Vorfahren verbindet. Inzwischen gehe ich jedenfalls vorsichtiger mit der Behauptung um, ich sei frei von jedem Aberglauben
Dorothea Steinbacher
Abrakadabra und Toi, toi, toi
Abergläubische Sprüche und Bräuche und was dahinter steckt
Heyne 2007
ISBN 978-3-453-12110-2
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Heribert Odelshausen, Mitarbeiter im Rat der Stadt Dresden, wird mit einer geheimnisvollen Erbschaft gesegnet. Aus erheblichem Anlagevermögen stehen ihm jährlich eine Million Westmark Zinserträge zu, und dieser Devisensegen verändert den braven DDR-Bürger gründlich und schnell. Es zieht ihn aufs Land, in die Welt seiner Kindheit. Dort errichtet er eine Prachtvilla, mietet Dienstboten an und lässt die begehrte Westkohle auf seine Familie und Umgebung regnen.
Der Arbeiter- und Bauernstaat hegt und pflegt den frisch gebackenen Multimillionär, denn der Geldsegen kommt letztlich dem sozialistischen Staat zugute und belebt dessen Wirtschaftskreislauf. Entscheidungen werden mit Hilfe von Farbfernsehern und anderen begehrten Luxusgütern vorangetrieben, ein Anruf »in Berlin« beseitigt Materialengpässe und erwirkt Genehmigungen, die dem normalsterblichen DDR-Bürger unerreichbar wären. Doch die Zeiten ändern sich, anno 1989 bricht das Land aus seinen Fugen, und auch für Heribert Odelshausen wendet sich das Schicksal.
Rolf Floß, Jahrgang 1936, hat eine Realsatire auf die längst versunkene DDR-Wirklichkeit geschrieben. Er siedelt seine Geschichte, wie aus zarten Andeutungen vermutet werden darf, in der Oberlausitz am Fuße des Hutberges im Naturraum Westlausitzer Hügel- und Bergland an. In dieser zu Honeckers Amtzeit im medialen Schatten liegenden Gegend nahe der Lessingstadt Kamenz lässt Floß seinen Protagonisten eine Geldsturzflut über die Dorfbevölkerung niedergehen und beschreibt das feine Geflecht der Beziehungen der mehrheitlich bäuerlichen Bevölkerung untereinander.
Stilistisch fühlt sich der Rezensent bei der Lektüre an ein klassisches Stück Gebrauchsliteratur aus der guten alten DDR erinnert. Der Roman liest sich, als sei ein Stück bislang unentdeckte DDR-Literatur ans Tageslicht geschwemmt worden. In betulich plätscherndem Stil wird emotionslos und ruhig der Handlungsfaden gewoben. Kritik an gesellschaftlichen Verhältnissen wird stets behutsam und fast lapidar eingeflochten. Dennoch oder gerade deshalb kann sich derjenige, der die Verhältnisse von damals erinnert, durchaus eines gelegentlichen Schmunzelns nicht erwehren.
Floß legt einen Roman vor, der in dieser Form auch in der ausklingenden DDR hätte erscheinen können. Denn es gab durchaus Werke in ähnlichem Duktus, die dort publiziert wurden. Erinnert sei an »Die Entgleisung« von Inge von Wangenheim. Insofern kommt der Text anderthalb Jahrzehnte zu spät. Unter heutigen Bedingungen lässt sich deshalb nur eine Zielgruppe für das Werk vermuten: es sind alt gediente DDR-Leser, die sich in Sprache und Stil wieder finden können.
Rolf Floß
Die Erbschaft. Roman
Das Neue Berlin (Eulenspiegel Gruppe) 2007
ISBN 978-3-360-01903-5
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Das Traumpaar der internationalen Opernszene, Anna Netrebko und Rolando Villazon, ist derzeit in Berlins Staatsoper Unter den Linden in »Manon« von Jules Massenet zu erleben. Fans überschlagen sich und geraten völlig aus dem Häuschen, weil die wunderschöne russische Sopranistin als die Verkörperung der Manon gilt und mit ihrem glutäugigen Partner, dem mexikanischen Tenor, große Oper vom Feinsten präsentiert. Foto: KFM/Pixelio.de
Der Fünfakter »Manon« (1884), leicht zu verwechseln mit der häufiger gespielten Oper »Manon Lescaut« (1893) von Giacomo Puccini, ist rasch erzählt. Die sechzehnjährige Manon lässt sich in einer Bahnhofskneipe von Chevalier des Grieux abschleppen und führt mit ihm ein Lotterleben im sündigen Paris. Für Luxus und Glitter verrät sie jedoch seine Liebe. Der düpierte Chevalier wird Priester, um dem weltlichen Leben zu entsagen, Frieden zu finden und seine Geliebte zu vergessen. Sie lebt dagegen ihre Schönheit und Jugend aus.
Das geht nicht gut. Die Glitzerlady bereut ihr Verhalten und sucht reumütig ihren Chevalier auf. Sie verführt den braven Mann in seiner Kirche und lockt ihn außerdem auch noch in ein Spielcasino. Dort gewinnen sie so verdächtig viel, dass sie des Betrugs angeklagt werden. Während sich der Chevalier durch seinen guten Namen rein waschen kann, ist das Mädchen verloren. Sie endet, wo auch Hotelerbin Paris Hilton landen soll: im Gefängnis. Ihr Lover sucht sie dort noch einmal auf, sie befindet sich jedoch bereits im Stadium der Verwesung und stirbt in einem infernalisch flammenden Sonnenuntergang in seinen Armen.
Die farbenprächtige Berliner Inszenierung des Quereinsteigers Vincent Paterson mit Broadway-Kostümen von Susan Hilferty verlangt insbesondere der Figur der Manon eine stetige Wandlungsfähigkeit ab. Anna Netrebko verwandelt sich sekundenschnell von der blutjungen Kokotte im Baby Doll zur Grande Dame. Mal tritt sie als Verführerin im mephistophelisch roten Kleid auf, dann verkörpert sie Marilyn Monroe mit Blondhaar und weißem Kleidchen. Schließlich endet die Schönheit als verhärmter Häftling in Sack und Asche.
In der Inszenierung wird der neue Trend im Musiktheater unübersehbar: galten bislang quallige Sänger als selbstverständlich, sind es heute charismatische Interpreten mit erstaunlichen schauspielerischen Talenten. Hieß es früher, wer ein großes Stimmvolumen habe, benötige auch einen entsprechenden Resonanzraum und müsse folglich einer Tonne gleichen, gilt dies inzwischen als Humbug. Netrebko und Villazon beweisen: es gibt Sängerinnen und Sänger, die blendend aussehen und brillant singen können. In »Manon« treffen It-Girl und Latin Lover aufeinander.
Video-Ausschnitte HIER
Am 19. Mai 2007 um 19 Uhr überträgt die Staatsoper Unter den Linden live und umsonst die Aufführung von »Manon« mit dem Super-Duo auf den Berliner Bebelplatz.
HIER gibt es meine Besprechung von »Figaros Hochzeit« mit Anna Netrebko von den Salzburger Festspielen 2006
Die neue Freundin
Zum Muttertag sitzen drei Personen andächtig rund um eine Buttercremetorte. Siebert, 67, stellt seiner Frau Mama, 94, mit der er sich eine Drei-Raum-Wohnung teilt, seine neue Freundin Ute, 59, vor.
Der Herr Sohn gießt der alten Dame drei Tropfen Milch in den Blümchenkaffee. »Fräulein Ute ist Arzthelferin, Mutti«, sagt er dann stolz.
Das Mütterchen lächelt versonnen. Sie nimmt einen winzigen Schluck Kaffee und schaukelt ihr schneeweißes Haupt in Richtung der Besucherin. »Das ist aber ein schöner Beruf, Fräulein Ute! Mein verstorbener Mann war Arzt, müssen Sie wissen.«
Siebert reicht den beiden Damen von der Torte, die er zur Feier des Tages gekauft hat. Alle kauen leise. Nach einer Weile versunkenen Schweigens fragt Mutti den Sohn: »Sag mal, Jungchen, wie habt Ihr Euch denn eigentlich kennen gelernt?«
Siebert und Ute schauen sich verlegen an. Er errötet. Sie stochert in der Creme. Dann sprudelt es aus ihm heraus:
»Seit exakt acht Jahren gehe ich einmal wöchentlich in die Arztpraxis, in der sie tätig ist und lasse mir von ihr Blut abnehmen. Das machte sie von Anfang an mit so viel Feingefühl, dass ich sofort hingerissen war. Inzwischen sind wir uns privat ein wenig näher gekommen, und ich habe ihr meine Zuneigung gestanden, Mama. Wir wollen für immer zusammen bleiben!«
Über dem Sofa tickt eine Schwarzwälder Kuckucksuhr. Punkt fünf Uhr schlägt eine Luke des mit einem Hirschgeweih verzierten Chronometers auf, und ein hölzerner Vogel schreit die Zeit.
Siebert räumt das Geschirr zusammen und trägt es in die Küche.
Im Allgemeinen begrüße ich neue Blogfreunde nicht individuell. Freunde stellen sich in ihren Beiträgen und Kommentaren besser selbst vor.
Doch heute erlebt die Regel eine Ausnahme, denn ich habe soeben einen ganz besonderen Freund gewonnen, den ich hiermit stolz präsentiere. Er wurde auf den schönen Namen Wolfgang getauft und schuftet derzeit als Innenminister dieses, unseres blühenden Landes. Heißt bitte mit mir einen besonders angenehmen Blog-Buddy willkommen: Wolfgang Schäuble(Avatar links).
Im Auftrag des verstorbenen Ex-Ministerpräsidenten und NS-Marinestabsrichters Filbinger war ich am vergangenen Wochenende in Görlitz unterwegs. Görlitz ist Deutschlands östlichste Stadt. Mein Auftrag lautete, zu prüfen, ob die deutsche Ostgrenze bereits wieder in Richtung alte Heimat verschoben werden kann. Dazu besuchte ich die Görlitzer Landskronbrauerei, um den bierbegeisterten Sachsen den Puls zu fühlen. Außerdem spazierte ich ein wenig am Grenzgewässer Neiße entlang.
Während ich auf die polnische Seite herüber lugte und daran dachte, einen Ausflug ins Nachbarland zu wagen, fuhr mich ein entfesselter Rollstuhlfahrer über den Haufen. Das war Wolfgang Schäuble, der ein neuartiges Richtmikrophon testete, mit dem auf hundert Kilometer genau das Schnaufen einer Milchkuh aufgezeichnet werden kann. »Was ist Ambach, Wolle?«, fragte ich ihn in der Art, in der man mit diesem volksnahen Burschen umgeht. Er gab mir eine Cola aus. Zusätzlich orderte er Currywurst und Pommes rot/weiß. Das war ein gutes Zeichen für ein lockeres Gespräch.
»Terroristen, überall lauern Terroristen«, flüsterte mir der Minister zu. Erschrocken ließ ich die dampfende Wurst fallen und blickte mich um. »Hier etwa auch?« »SIE SIND ÜBERALL!«, stöhnte Schäuble und zog ein Buch hervor. »Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland« hieß seine Lektüre. Ich bin doch hier für die Sicherheit zuständig«, meinte er und warf die Broschüre in den Ketchup.
»Das Grundgesetz kenne ich, Wolferl«, beruhigte ich ihn. »Das ist doch das Regelwerk, in dem unsere individuellen Rechte und Freiheiten festgeschrieben sind. Das Gesetz soll den Bestand des freiheitlichen Staates bewahren. Wir sind schließlich kein Sicherheitsstaat wie Nordkorea oder andere Diktaturen.« Wolle war da entschieden anderer Meinung. Er erzählte mir vertraulich von einem neuen Internetgesetz. Danach wird das Netz der Netz künftig lückenlos überwacht, jede Bewegung wird aufgezeichnet, jeder private Eintrag abgescannt. Alles diene der Sicherheit, die Freiheit müsse zurücktreten.
»Prima Plan, Wolle«, klopfte ich ihm anerkennend auf die Schulter, »die Leute werden total begeistert sein. Du nimmst Dein Amt voll ernst«. Er strahlte und ließ einen bewaffneten Adjutanten zahlen. »Dann kannst Du doch eigentlich gleich mein Blog-Freund werden«, schlug ich ihm vor. »Wenn Du sowieso bald jede Zeile liest, dann fangen wir positiv damit an und ich gewinne Dich als Blogfreund!«
Der Datenwolf reagierte begeistert und schlug spontan ein. So kommt es, dass Wolfgang Schäuble mein neuer Blogbuddy wird. Das entschuldigt auch die derzeit enormen Ladezeiten in Blogsdorf, denn ein derartig prominenter Freund verursacht natürlich einen Massenaufmarsch, der schnell zu einem »Daten-Knut« (neudeutsch für: Datenstau wegen Prominenz) führen kann.
In den nächsten Tagen bekomme ich übrigens die Winkelemente mit der Parole »Ja zum Überwachungsstaat!«. Die Fähnchen können in jeder gewünschten Menge direkt beim BLOGSDORFER ANZEIGER oder beim Bundesinnenministerium angefordert werden. Wolle hat außerdem versprochen, jeden einzelnen Blog persönlich zu besuchen und individuell zu prüfen. Einen so aktiven Freund wünscht sich doch jeder von uns. Darauf gebe ich eine Runde Blogschokolade aus.
Heute wird der »Welttag des Buches« gefeiert. 1995 erklärte die UNESCO den 23. April zum weltweiten Feiertag für das Lesen, für Bücher und die Rechte der Autoren. Die UN-Organisation für Kultur und Bildung hat sich dabei von dem katalanischen Brauch inspirieren lassen, zum Namenstag des Volksheiligen St. Georg Rosen und Bücher zu verschenken. Über diesen Brauch hinaus hat der 23. April auch aus einem weiteren Grund besondere Bedeutung: Er ist der Todestag von William Shakespeare und Miguel de Cervantes.
Stellt Euch vor, Ihr werdet auf die berühmte einsame Insel verbannt. Dort gibt es selbstverständlich KEINEN Internet-Anschluss. Ihr habt aber das Recht, drei Bücher mitzunehmen, mit denen Ihr Euch die nächsten Jahre beschäftigen könnt. Ein Buch ist übrigens, für diejenigen, die nur noch vor dem Rechner sitzen, eine mit einer Bindung und meistens auch mit Umschlag versehene Sammlung von bedruckten, beschriebenen, bemalten oder auch leeren Blättern aus Papier oder anderen geeigneten Materialien.
Meine drei Lieblinge für die Reise in die Einsamkeit wären: Michel de Montaigne »Essais«, Charles Dickens »Die Pickwickier« und die klassische chinesische Abenteurgeschichte »Die Räuber vom Liang Schan Moor«.
Welche drei Bücher würdet Ihr mit in die Emigration nehmen?
Ein herzliches Dankeschön an P:)C für die Bilder!