Überall Beton
Foto: © Wilhelm Ruprecht Frieling
Mit 107.000 gemeldeten und einer enorm hohen Zahl »illegaler« Hunde wird Berlin von vielen gern »Dog-City«, die »Stadt der Hunde« genannt. Nicht nur in den Problembezirken ist der vierbeinige Begleiter oft der einzige Sozialkontakt vereinsamter Singles oder ein Prestigeobjekt, das gesellschaftliche Aufwertung verspricht. Der treueste Freund des Menschen wird zum Spiegel familiärer und sozialer Zustände. Grund genug für Tina Müller (Text) und Sinem Altan (Musik), daraus eine Mini-Oper zu machen.
Premierengäste der »Stadt der Hunde« in der »Neuköllner Oper« mussten zu ihrer Erleichterung nicht durch einen Haufen von Tretminen waten, um in das gerade mal 50 Personen fassende Studio zu gelangen. Dafür wurden sie am Eingang des Zwingers mit künstlichem Schnee überschüttet, denn das Stück spielt in einer kalten Winternacht.
Drei Hunde treffen sich auf einer spärlich beleuchteten Strasse. In der Luft liegt das dominante Parfum von Nero (Fabian Martino), einem zähnefletschenden Pitbull-Dobermann-Rottweiler-Mix, der sich für den König des Kiezes hält. Er trifft dort die Schönste der Strasse, die selbst verliebte Mopshündin Dilara (Nina Ahrens), die von ihrem Besitzer Murat aufgegeben wurde, weil er sich inzwischen in einen goldenen Audi verliebt hat und keinen Hund mehr braucht. Besucht werden die beiden Kiezgrößen von Schäfer (Christian Bayer), der sich für fein und rechtschaffen hält, angeblich in Diensten der Polizei steht, und dennoch offensichtlich vertrieben wurde.
Gemeinschaftsgefühl ist den Tieren fremd: sie kläffen, fauchen und giften sich untereinander an, und im Extremfall gibt es einen Biss in die Kehle. Dabei befinden sie sich in ähnlichen Situationen, alle drei wurden vernachlässigt und schließlich verstoßen. Fressen und gefressen werden lautet nun ihre Devise als Hunde-Desperados. Und so ziehen sie auf der Suche nach Futter durch die Neuköllner Nacht. Dabei suchen sie, und das wird zum inszenatorischen Höhepunkt der Geschichte, eine chinesische Garküche heim, die sie zum Entsetzen des Kochs plündern.
Die drei Hunde sehen im Leben des Streuners ihre große Chance und sehen sich als einsame Wölfe ohne Freunde, die ein rebellisches Rudel bilden. Gleichzeitig träumen sie davon, wieder in menschliche Obhut zu kommen und heulen ihre Sehnsucht in die Nacht. Als Schäfer- und Kampfhund sich beide in den Mops verlieben, bricht die Gemeinschaft allerdings schnell wieder auseinander
Die von Mario Portmann spartanisch inszenierte »Hundeoper« spiegelt das Verhältnis von Herr und Hund ebenso wider wie die Brutalität, mit der auf engstem Raum großer Ballungsgebiete Menschen und Tiere aufeinander prallen. Die drei »Hunde« singen und spielen ihre jeweiligen Rollen überzeugend, der anfangs zagende Fabian Martino baute schnell stark auf. Musikalisch begleitet vom Pianisten Alexander Klein lieferten die Protagonisten einige rockige Songs, Soli und Terzette. Komponistin Sinem Altan schaffte es dabei, der Figur des Mopses eine eigene »türkische« Tonalität zu verleihen, die den Charakter auch stimmlich vom »deutschen« Schäfer und dem bissigen Nero differenzierte.