Ist dir, lieber Leser, dieser Text etwas wert, und wenn ja: wie viel? Werde ich dafür in der neuen Währung Aufmerksamkeit mit vielen Klicks bezahlt? Werde ich mit Kommentaren belohnt? Oder gibt es künftig sogar echtes Geld dafür genau so, wie es der Fall wäre, wenn ich diesen Artikel in der Holzpresse veröffentlichen würde?
Im Internet gibt es eine lebhafte Diskussion darüber, wie Online-Journalisten und Verlage Geld verdienen können. Dabei wird versucht, den anfangs gewählten Weg, alles gratis anzubieten, peu a peu wieder rückgängig zu machen.
So versucht seit einigen Monaten der Axel-Springer-Verlag, ausgewählte Artikeln nur denjenigen Lesern zugänglich zu machen, die auch bereit sind, dafür zu zahlen. Frankfurter Rundschau, Berliner Zeitung und andere Tageszeitungen wollen bald folgen. Der Medienkonzern Bertelsmann steht vor der Eröffnung eines Online-Kiosks, bei dem Periodika und Bücher in digitaler Form erworben werden können.
Spiegel und Blogs liefen kostenfrei Content
Im Gegensatz dazu liefert Spiegel online seit 15 Jahren gratis hochwertigen Inhalt und will an dieser Politik weiterhin festhalten. Von den deutschen Bloggern hat es bislang noch keiner gewagt, eine Bezahlhürde zu errichten, es wird weiterhin zum Nulltarif geliefert.
Doch gibt es in Zeiten der Geiz-ist-geil-Mentalität überhaupt Leser, die in die Tasche greifen würden, um Autoren für ihre Arbeit zu belohnen? Lediglich neun Prozent aller deutschen Internetuser sind nach einer Studie des Wall Street Journal Europe bereit, für Online-Inhalte zu zahlen. Und dabei gilt wiederum als Faustformel: je spezieller und hochkarätiger der Inhalt, desto größer die Bereitschaft, den Autor dafür zu entlohnen.
Ein Versuch: Autoren-Netzwerk Suite101
Das Anfang 2008 für Deutschland gegründete, schnell wachsende Autoren-Netzwerk Suite101.de hält inzwischen mehr als 30.000 deutschsprachige Artikel vorrätig, die kostenlos gelesen werden können. Über 750 aktive Autoren erreichen mehr als zwei Millionen Leser (Unique Visitors) monatlich, und einige dieser Netzjournalisten hoffen, mit ihren Artikeln ihr tägliches Brot verdienen zu können.
Die Autoren sind nämlich mit einem Bruchteil an den Einnahmen beteiligt, die durch das Klicken der Leser auf die eingeflochtenen Werbeanzeigen erzielt werden. Tatsächlich gibt es bisher nur sehr wenige Autoren, die mehr als einhundert Euro pro Monat erzielen. Deren Artikel behandeln Mainstream-Themen bzw. aktuelle Themen, die oft gegoogelt werden (in der Vergangenheit beispielsweise Schweinegrippe).
Dabei ist die häufige Lektüre kein Garant für entsprechende Tantiemen, denn nur, wenn der Leser auch die Werbung anklickt, wird der Autor belohnt. So liegen meine eigenen Tantiemen bei Suite101.de aktuell bei 1,96 je 1.000 Seitenaufrufe. Der Historiker und Suite101-Autor Wolfgang Schwerdt, der zu den 100 meistgelesenen Autoren zählt, meint dazu: Trotz meiner für meinen Themenbereich vergleichsweise exorbitanten
Leserbeliebtheit lag ich in der Vergangenheit immer recht knapp über dem monatlichen Auszahlungsbetrag ( 10,-/Monat R.F.), in den letzten Monaten wieder darunter. Der eigentliche Gewinner bleibt also Suite101.
Was ist Flattr?
Lukrativer scheint da the new big thing namens Flattr. Die Plattform Flattr (auf deutsch: schmeicheln) versucht, einen Königsweg zu gehen. Jedem wird die Möglichkeit eingeräumt, einen Button in eigene Beiträge einzubinden, auf den zahlungswillige Leser freiwillig klicken können. Diese müssen allerdings zuvor ein Guthaben bei Flattr einzahlen und ein monatliches Budget festlegen, um flattern zu können. Ausgeschüttet wird dann das jeweilige Monatsbudget dividiert durch die Zahl der in dem entsprechenden Monat geklickten Beiträge.
Die Nutzung des flattr-Buttons ist vollkommen freiwillig und kann auch anonym erfolgen. Die Lektüre der mit einem derartigen Spendenknopf versehenen Beiträge ist selbstverständlich auch weiterhin für jeden kostenlos möglich. Nach aussen ändert sich also nichts, es kommt lediglich ein kleiner Button unter den jeweiligen Artikel.
Selbstversuch bei Flattr
In Zusammenarbeit mit Kolumnen.de und dem Dada-Blogger Merzmensch habe ich den Dienst im Juli 2010 getestet und dazu 10,00 in Flattr investiert. Davon wurden nach Abzug der PayPal- und Flattr-Gebühren 8,22 an die Autoren der von mir angeklickten Artikel ausgekehrt.
Auf meiner Einnahmen-Seite steht im Juli ein Gesamthonorar von 6,37. Das sind die Erlöse aus den Klicks meiner Leser. Allerdings habe ich den seltsamen Button, der unter meinen jüngsten Einträgen steht, bislang weder erklärt noch umworben. Die Einzigen, die also bislang „verdient“ haben, sind PayPal und Flattr (so gesehen eine gute Geschäftsidee), und sie verdienen umso mehr als weitere Leute mitmachen.
Nennenswerte Erlöse
Testläufe in größerem Umfang brachten wesentlich bessere Ergebnisse. So erlöste die TAZ im Monat Juli durch Flattr erstaunliche 1.420, das entspricht 46 pro Tag und einen Zuwachs um 40 Prozent gegenüber dem Vormonat. Der Law Blog generierte im Juli 265,78. Im Juni veröffentlichten die Top Ten unter den deutschen Blogs, die das Micropaymentsystem nutzen, ihre Ergebnisse, und die können sich durchaus sehen lassen. Und natürlich gibt es inzwischen auch schon die Flattr-Charts.
Hat Flattr Zukunft?
Ob Flattr tatsächlich Zukunft hat, wird sich rasch entscheiden. Gelingt es dem Dienst nicht, sich in kurzer Zeit in der Blogosphäre und darüber hinaus durchzusetzen, dann kommt ein stärkerer Anbieter, der vielleicht ein unkomplizierteres Bezahlmodell entwickelt und weniger Gebühren verlangt. Hier kommt derzeit vor allem Facebook in Frage, das mit dem automatischen Gefällt mir-Button unter jedem Beitrag bereits ein System nutzt, das sich im Handumdrehen in ein freiwilliges Bezahlungssystem weiterentwickeln lässt.
Das ist der Flattr-Button für diesen Blogeintrag. Um den Artikel zu flattern, musst du ein kostenloses Konto eröffnen.