Auf einen Kaffee mit Elke Becker
„Fahren wir zum Beach-Cub?“ – Elke Becker steigt in ihr funkelndes Mercedes-Kabrio, lässt das Dach automatisch im hinteren Kofferraum verschwinden, setzt eine verspiegelte Sonnenbrille auf, bindet die dunkelbraune Mähne zusammen und drückt das Gaspedal durch. Entlang dem malerischen Stadtstrand von Mallorcas Hauptstadt Palma sausen wir über den Stadtring Via de Cintura auf die Autobahn. Der warme Inselwind zaust in den Haaren. Die Sonne lacht, es ist frühsommerlich warm, an einem solchen Tag hat schlechte Laune keine Chance.
Reisefieber bestimmte ihr Leben
Elke Becker ist eine spritzig-lebensbejahende Frau, die weit herumgekommen ist und entsprechend viel erlebt hat. Aufgewachsen in dörflicher Enge im Raum Ulm schnürte sie mit 19 erstmals ihren Rucksack und reiste nach einer Ausbildung zur Groß- und Außenhandelskauffrau zum Entsetzen der Eltern durch Südamerika. Ihre Reisen finanzierte sie durch ihren Nebenjob als Kellnerin. Früh erwachte ihr Interesse an der spanischen Sprache, und so wechselte sie, statt weiterhin die Vorstandssekretärin zu geben, mit 30 nach Venezuela, um Spanisch zu studieren. Dort begann sie auch mit dem Schreiben von Romanen, die sie allerdings für „nicht vorzeigbar“ hält.
Vom Reisefieber erfasst, zog Elke Becker darauf mit ihrer älteren Schwester in die Dominikanische Republik und eröffnete eine Sprachenschule. Spätestens seit jener Zeit sind die beiden unzertrennlich. Doch die hohe Kriminalität schränkte ihre Bewegungsfreiheit ein. Die Becker-Sisters wechselten nach zwei Jahren die Insel und erkoren Mallorca zum neuen Mittelpunkt. Seit 2005 leben die beiden inzwischen auf der Mittelmeerinsel und fühlen sich sauwohl.
Das Handy ruft. Elkes Schwester steht in einem Supermarkt und fragt, ob irgendetwas benötigt wird. Elke als die Jüngere der beiden ist für das leibliche Wohl der Geschwister zuständig, da soll es an nichts fehlen.
Mallorca als Lebensmittelpunkt
Wir sind mittlerweile im Mhares Sea Club in Maioris gelandet. Gleich in der Nähe leben die Schwestern in einem geräumigen Penthouse mit großer Terrasse. Der lokale Golfclub ist in Laufnähe. Vom Beach-Club erstreckt sich ein weiter Blick über die sonnenbeschienene Bucht von Palma. Mit viel Glück taucht mal ein Delfin aus dem azurfarbenen Wasser auf. Es ist ein Ort zum Relaxen, ideal für ein Gespräch.
Die Liegestühle kosten die Kleinigkeit von fünfzig Euro pro Tag. Wir setzen uns lieber unter ein Palmendach und kuscheln in Kissen, die mit Mallorca-typischen blau-weißen Llengües-Stoffen bezogen sind. Aus diesen traditionellen „Zungenstoffen“ werden auch Leinenschuhe und Taschen gefertigt. Der Kellner bringt klares Quellwasser „sin gas“ und „Café solo“. Wir sind bestens versorgt.
Ich erzähle Elke von meinem jüngsten sprachlichen Fettnäpfchen, in das ich eine Woche zuvor in Sevilla getreten war: Beim Erwerb einer Kugel Eis erbat ich diese „en cono“, im Hörnchen, sagte jedoch mit fehlerhafter Betonung „en coño“. Darauf schmissen sich die Verkäuferinnen weg vor Lachen, denn ich hatte mein Eis in einem weiblichen Geschlechtsteil, in einer Möse, bestellt! Das wollte daraufhin jeder der Umstehenden haben.
Jede Sprache hat ihre Tücken, und Elke berichtet von einem Schwaben, der im Restaurant ein Hühnchen orderte. Der gute Mann verlangte lautstark statt „pollo“ nach einem „polla“ und orderte damit das männliche, zwischen den Beinen baumelnde Cocktailwürstchen.
Über was reden wir eigentlich? Da Elke Becker unter einem (streng geheimen) Pseudonym auch Erotik-Romane in härterer Gangart verfasst, kann sie auch derber. Es passt also. Insofern handelt es sich um ein Fachgespräch, und die Autorin bestätigt meinen dumpfen Verdacht, dass dieses Genre sehr gut läuft und hübsche Honorare generiert.
Elke Becker – eine vielseitige Autorin
Unter ihrem Klarnamen publiziert Elke Becker Frauenromane im Self-Publishing und bei Verlagen. Mit Chic Lit und Millionärsromanen hat sie nichts am Hut. Ihre Protagonistinnen sind gestandene Frauen, die ihren eigenen Weg gehen. „Yoga ist auch keine Lösung“ oder „Der Mann in Nachbars Garten“ heißen derartige Titel. „Meeresblau & Mandelblüte“ spielt direkt auf der Lieblingsinsel der Deutschen, die die Autorin nach 13 Jahren wie ihre Westentasche kennt. Eine Verfilmung des Stoffes wird gerade verhandelt.
Unter dem Kunstnamen J.J. Bidell veröffentlichte Elke Becker eine Urban-Fantasy-Trilogie. Dabei geht es um eine Gestaltwandlerin, die sich aufgrund einer Prophezeiung in einen Panther verwandelt. Das Mädchen kämpft um ihre große Liebe und muss dabei gegen hinterhältige Pläne kämpfen, mit denen Feinde ihre Familie vernichten wollen.
„Ich muss täglich zweitausend Wörter schreiben“, erklärt mir die Autorin, die ihren Arbeitstag fest einteilt, „Die Wortzahl bezieht sich allerdings auf die aktive Schreibphase.“ Dafür ist jeden Abend um 18 Uhr Feierabend, und auch an Wochenenden ruht die Tastatur. Auf diese Weise kann sie seit sechs Jahren auskömmlich vom Schreiben leben, ihre Wohnung abzahlen und Fernreisen nach Afrika und Asien unternehmen.
Nebenher managt Elke das „Autorensofa “, eine Vereinigung von 35 engagierten Autoren, die sich zwecks gemeinschaftlicher Promotion zusammengeschlossen haben. Auf der nächsten Frankfurter Buchmesse steht ein zusätzlicher Stand zur Verfügung, auf dem sich Gastautoren stundenweise einmieten können, um Meet & Greets veranstalten zu können.
Beckers Krimis erscheinen im Piper Verlag
Ohne vorher zu plotten, also den geplanten Romanverlauf vorab strukturiert zu Papier zu bringen, beginnt Elke Becker keinen neuen Roman. Ihr ist wichtig, die Story im Griff zu haben, um sie unbeschwerter schreiben zu können. Diese Methode gab vielleicht dem Piper-Verlag den letzten Anstoß, die Autorin unter Vertrag zu nehmen. Bald erscheint jedenfalls der erste von zwei vertraglich verabredeten Mallorca-Krimis in dem Münchener Verlagshaus, das sich als Buchverlag für Bestseller-Autoren definiert.
„Toni Morales – Töchter des Zorns“ heißt Band Eins der Malle-Krimis, der unter einem noch nicht abschließend geklärten spanischen Pseudonym bei Piper erscheint, und auch die Filmrechte sind schon vergeben. Eine Nonne stürzt von der Stadtmauer in den Tod. Toni Morales, ein deutsch-mallorquinischer Kommissar mit Europol-Hintergrund ermittelt, denn die gute Frau sprang offensichtlich nicht aus freien Stücken in die Tiefe. „Mein Kommissar ist keiner dieser gebrochenen Typen, die einsam im Alkohol versinken“, verrät die Autorin. „Er ist ein sympathischer Kerl, der in einer funktionierenden Ehe lebt und gern abends heimkommt.“
Geheimnisvoll glitzert das Meer. Die Sonne hat ihre Schlafmütze übergezogen und gähnt träge durch die Wolken. Der Horizont färbt sich bereits abendlich rot. Abendwind raschelt in den Palmen. Es wird ein klein wenig kühler. Ein Blick auf die Uhr verrät: Es sind bereits sieben Stunden vergangen, und wir plaudern immer noch angeregt weiter.
Unschöner Rechtsstreit mit Plagiatorin
Natürlich will ich auch noch das Neueste von dem Prozess wissen, den Elkes Verlag gegen eine bereits in anderer Angelegenheit überführte Plagiatorin führt. Seit nunmehr zwei Jahren wird gestritten, und es stehen bislang weder der Gerichtsstand noch der Termin für das Hauptsachenverfahren fest. Bis zur richterlichen Entscheidung hat Elke die inkriminierten Stellen in ihrem entsprechenden Blogbeitrag durch „Platzhalter“ gekennzeichnet, der Fall selbst ist weiterhin öffentlich.
Als eine Konsequenz für den zögerlichen Umgang mit Text- und Ideenräubern hat sie den Selfpublisher-Verband verlassen, in dessen Mitgliedschaft die überführte Plagiatorin nistet. Im Umgang mit Dieben geistigen Eigentums fordert sie eine Null-Toleranz-Politik und hält es für eine Frage der Ehre, sich von Dieben zu distanzieren.
Doch das ist eine andere Geschichte, die zu gegebener Zeit erzählt werden will. Wir verabschieden uns vom Mittelmeer, zahlen, steigen wieder in Elke Beckers Flitzer und atmen den Duft von Meersalz, Pinien und Mandelblüten. Im linden Abendwind rollen wir zurück gen Palma, über deren Altstadt stolz die Kathedrale thront.
Ach ja, diesen sprachlichen Mischmasch kenne ich auch. Wie schnell hat man colchones mit cojones verwechselt, was mindestens Gelächter produziert. Und weiter – Schreiben ist 95% Transpiration und 5% Inspiration … sagt Mark Twain.
Grüße
Detlev
Herrlich, Detlev! Sprache ist auch immer ein Stück Abenteuer 🙂
Wir fuhren während eines Mallorca-Urlaubs mit dem Linienbus über die Insel gen Palma, als ein Pärchen zustieg, Deutsche, und die Dame den Busfahrer mit einem lauthals gerufenen „Buon giorno“ begrüßte.
Das ist bei uns ein geflügeltes Wort geworden und hat den gesamten Bus herzlich amüsiert!
Bon giorno, prestame un conio full gelato für mio!
Spananisch in auswärtigen Landen zu radebrechen, wo Nonnen von Stadtmauern stürzen und holde Autorinnen mit Mercedes-Cabrios deutsche Bücherprinzen durch laue Mittelmeerwinde zu arschteuren Beach-Clubs chauffieren, ist ein fast genauso feudales Unternehmen, wie schrillste Sexromane, schamanische Gestaltenwandler- und mandelfarbige Liebesromane fliessbandmässig zu produzieren.
Ein Teller BUNTES – und wenn sich davon exquisit leben lässt, sicher auch eine köstlich zelebrierte Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt damit zu erschreiben.
Nur keinen Neid, Señor Scharna!
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