Rund 70 Kilometer nördlich von Berlin lockte lange Jahre in Bergsdorf bei Zehdenick ein liebevoll restaurierter Vierseithof Kunstfreunde aus aller Welt ins Reich des Kreuzberger Malerpoeten Kurt Mühlenhaupt. Im Sommer 2019 jedoch zieht das Mühlenhaupt-Museum wieder in Kurtchens alte Wirkungsstätte nach Berlin-Kreuzberg, Aus dem Kunsthof Bergsdorf wird eine Art chinesische Villa Massimo. Ein chinesischer Investor hat das Gelände gekauft, der hier chinesischen Künstlern einen Deutschlandaufenthalt ermöglichen will. Ab Sommer werden hier zehn chinesische Maler arbeiten. Rosie Wang, die das Kulturzentrum leiten wird, wird auch weiterhin an den Wochenenden für das Publikum öffnen.
Kurze Biographie von Kurt Mühlenhaupt
Am 19. Januar 1921 wurde Kurt Mühlenhaupt auf einer Bahnfahrt von Prag nach Berlin in einem Zug geboren. Das bei der Geburt nächstgelegene Klein Ziescht wird als Geburtsort eingetragen. Seine Eltern sind bettelarm. Aus Geldnot bewohnen sie eine Laubenkolonie in Tempelhof. 1932 zieht die Familie nach Blankenfelde an den Stadtrand von Berlin. Das aufgeweckte Kind will Bildhauer werden, zu jener Zeit für einen Sprössling aus armen Verhältnissen ein unrealistischer Wunsch. Kurt beginnt eine Lehre als Modelltischler.
Nach der Lehre wird er zum Fallschirmjäger ausgebildet. Beim Absprung über Kreta wird er angeschossen, die linke Hand bleibt für immer steif, am Bein fehlt auch ein Stück. Trotz seiner Verwundung wird der junge Mann wieder eingezogen, landet aber wegen Aufsässigkeit in einer Strafkompanie.
Kurt Mühlenhaupt und die Professoren
Mit Hamsterfahrten und illegalem Tabakanbau überlebt die Familie das Kriegsende. Kurt malt, wann immer er kann, und wird dabei von Karl Hofer, Direktor der Berliner Hochschule für bildende Künste (HfBK) auf den Riesenfeldern entdeckt. Mühlenhaupt beginnt ein Studium an der HfBK. Sein Wunsch, Schüler des Expressionisten Karl Schmidt-Rottluff zu werden, lehnt dieser schroff ab: »Aus Ihnen wird nie ein Maler, Sie sind zu grau«. – Mühlenhaupt verfällt in tiefe Depression, es folgt ein langer Klinikaufenthalt in der Psychiatrie Berlin-Buch.
Als er sich wieder aufgerappelt hat, arbeitet er als Tierzüchter, Trödelhändler, Schnürsenkelverkäufer und Leierkastenmann in Berlin-Kreuzberg, wo er seit 1958 lebt. Das Milieu schenkt ihm die Motive, für die er später berühmt wird. 1960 nimmt er erstmals an der Großen Berliner Kunstausstellung teil. zwei Jahre darauf kauft er eine heruntergekommene Kaschemme in der Zossener Straße 1, die sich schon bald zum angesagten Künstlerlokal »Leierkasten« mausert. Dort finden legendäre Feste statt: Günter Grass, Wolfgang Schnell, Günter Anlauf und Günter Bruno Fuchs sind gern gesehene Gäste. Mühlenhaupts Atelier am Kreuzberger Chamissoplatz ist ein weiterer Treffpunkt für Künstlerfreunde aus Nah und Fern. Bald ist Kurt Mühlenhaupt DER typische Kreuzberger Milieu-Maler, der in einem Atemzug mit Heinrich Zille und Otto Nagel genannt wird, und er kann von seiner Arbeit leben.
Begegnung mit Kurt Mühlenhaupt
Kurt Mühlenhaupt lernte ich 1973 im Rahmen der Freien Berliner Kunstausstellung (FBK) kennen. Damals stellte ich im Rahmen der Künstlervereinigung »Die rote Nelke« Fotografien aus, Kurt hatte mit Freunden die Gruppe »Malerpoeten« gegründet. Wer damals das von ihm ausgestellte Ölgemälde »Meine Hauswartsfrau« für 1.600 DM erwarb, hatte in Bezug auf die spätere Entwicklung des Kunstmarkts ein gutes Geschäft gemacht.
Mehrfach traf ich den Meister in seinem Kreuzberger Atelier, aus dem er dann aber wegsaniert wurde, um sich 1975 einen Bauernhof in Berlin-Kladow zu kaufen. Er residierte im schönsten der noch erhaltenen dörflichen Anwesen, einem Bauernhof mit Nebengebäuden aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts am Sakrower Kirchweg. Dort baute er den großen Feuerwehrbrunnen für den Kreuzberger Mariannenplatz, der immer noch eine Augenweide ist. 1981 wurde ihm erstmals mit einer riesigen Retrospektive in der von Dieter Ruckhaberle geleiteten »Kunsthalle« an der Gedächtniskirche auch staatliche Anerkennung zuteil.
Unmittelbar nach der Wende kaufte er mit seiner Frau Hannelore 1990 einen Gutshof in Bergsdorf (Brandenburg). Für Kurt Mühlenhaupt war die Entwicklung des verfallenen Barockensembles zum Museum das letzte große Abenteuer. Dort träumte er bis zu seinem Ende am 16. April 2006 von einer Begegnungsstätte für sein Publikum.
Kurt-Mühlenhaupt-Museum in Bergsdorf
Heute ist der liebevoll restaurierte Vierseithof ein Publikumsmagnet. Der Arbeitsplatz von Kurt Mühlenhaupt, er konnte zum Schluss – nahezu blind – nur noch im Rollstuhl sitzen und malen, ist dort unter anderem heute zu sehen. Alles wirkt, als sei »Kurtchen« nur mal kurz weg …
Kurt-Mühlenhaupt-Museum
Bergsdorfer Dorfstraße 1 1
16792 Zehdenick OT Bergsdorf
Telefon 033088 5055-0
Geöffnet
sonnabends, sonntags und feiertags von 13:00 bis 18:00 Uhr
Unter der Woche nach telefonischer Vereinbarung.
Home: https://www.muehlenhaupt.de
Ihren Artikel über K. Mühlenhaupt fand ich sehr interessant, denn als Student an der TU waren wir häufiger im Leierkasten und hatten Kurt auch kennengelernt. Sie erwähnen die Große Berliner Kunstaustellung 1960.
Mir war seither immer bekannt, dass er auf einer Deutschen Kunstaustellung (wohl in den 50er/60er Jahren ) den 1. Preis gewonnen hat und hatte lange Jahre auch einen Katalog dieser Ausstellung, der mir aber leider bei einem Umzug verloren ging.
Wissen Sie etwas mehr über diesen ersten Preis ? Große Berliner Kunstaustellung ? 1960?
Danke ! Claus Scheel
Die Große Berliner von 1960 liegt leider vor meiner Zeit, ich bin erst 1968 ins damalige Westberlin gezogen. Aber vielleicht weiß Kurts Witwe Hannelore mehr und kann helfen.