Ausgewählte Musikstücke können gute Laune spenden und auch in Krisenzeiten Herzen zum Strahlen bringen. Der US-Komponist John Adams hat mit seinem vier Minuten kurzen Orchesterstück »Short ride in a Fast Machine« ein solches Kunstwerk der Gute-Laune-Musik geschaffen, das anspruchsvolle Zuhörer zum Lachen, rhythmischem Mitgehen und ekstatischem Vergnügen bringen kann.
Kurzausflug in einer Höllenmaschine
Von Ruprecht Frieling
John Adams »Short Ride in a Fast Machine« (zu deutsch etwa: »Kurzausflug in einer Höllenmaschine«) beginnt perkussiv mit dem durchgehenden Schlag auf eine Holzblocktrommel. Dieses Instrument mit seinem scharfen, trockenen Klang gibt während des gesamten Stückes präzise wie ein Metronom das Tempo vor. Dabei wird das Instrument jedoch von Streichern und Bläsern in seiner Stringenz attackiert. Sie versuchen mit geballter Energie, es aus dem Takt zu bringen. Es klingt, als laufe der Holzblock den ihn verfolgenden Instrumenten davon.
Um den Wettlauf und die Beschleunigung darzustellen, bedient sich der Komponist des Ostinato. So wird das künstlerische Mittel einer sich eigensinnig wiederholenden musikalischen Figur bezeichnet. Zugleich folgt er dem Gating-Konzept, bei dem bestimmte Tonhöhen plötzlich in ihrer Harmonie geändert und scheinbar durch keine Kadenz begrenzt werden.
Adams versteht sich als Post-Minimalist, der minimalistische Techniken in dramatischen Umgebungen einsetzt. Auf die Frage nach der Bedeutung des Titels seines Stücks meinte er: »Wissen Sie, wie es ist, wenn jemand Sie bittet, in einem abgefahrenen Sportwagen mitzufahren, und dann wünschen Sie, Sie hätten es nicht getan?«
John Adams´ Komposition animiert von dem Londoner Regisseur Victor Craven
Short Ride in a Fast Machine
Der Fahrtwind pfeift, die Maschine dreht voll auf und gibt Vollgas. Es gelingt dem Chauffeur, mit Fullspeed ein paar Takte zu entkommen. Doch die Verfolger holen mächtig auf, im Hintergrund gellen bereits ihre Fanfaren. Die temporeiche Jagd wird von mächtigen Schlägen auf die Kesselpauken, Rimshots auf dem Snare, Tambourin und Beckenschlag akzentuiert.
Kurz bevor sie die Höllenmaschine eingeholt haben, endet der Kurzausflug furios. In einem gewaltigen Crash wird die Maschine gegen die Wand gesetzt, und alles schweigt.
Der Komponist bedient sich der Methode harmonischer Dissonanz, indem er widersprüchliche Rhythmen hinzufügt, um die metronomische Stabilität des Holzblocks zu stören. Im Ergebnis hat John Adams mit seinem vier Minuten kurzen Orchesterstück »Short ride in a Fast Machine« ein Kunstwerk der Gute-Laune-Musik geschaffen, das aufmerksame Zuhörer zum Lachen, rhythmischem Mitgehen und ekstatischem Vergnügen bringen kann.
Die Zwillingsschwestern Christina & Michelle Naughton spielen John Adams ikonographisches Orchesterwerk »Short Ride in a Fast Machine«, arrangiert für vier Hände von Preben Antonsen
Der Komponist John Adams
John Adams ist ein höchst erfolgreicher US-Komponist und Klarinettist. Er schuf mehr als 60 Werke. Einem breiteren Publikum ist der 1947 geborene Minimalist durch seine Oper »Nixon in China« bekannt. Diese nimmt Bezug auf das Treffen des amerikanischen Präsidenten Richard Nixon mit dem chinesischen Partei- und Staatschef Mao tse-tung (1987) anno 1972 in Peking.
Adams greift gern politische Themen auf und setzt diese musikalisch um. »Doctor Atomic« (2005) behandelt den Fall des Vaters der Atombombe, Robert Oppenheimer. »The Death of Klinghoffer« (1991) schildert die Kaperung des italienischen Ausflugsdampfers Achille Lauro durch die Palästinensische Befreiungsfront. Dabei wurde der 69-jährige jüdische Rollstuhlfahrer Leon Klinghoffer ermordet und über Bord geworfen.
Das Orchesterwerk »Short ride in a Fast Machine« von John Adams erlebte 1986 seine Premiere mit dem Pittsburgh Symphony Orchestra. Ursprünglich war es für die britische »Last Night of the Proms« vorgesehen, dem prächtigsten Konzert des Jahres im britischen Königreich. Doch es wurde gleich zwei Mal abgesetzt:
1997 standen die Briten noch unter dem Schock des gewaltsamen Todes von Lady Di. Die erste Ehefrau des britischen Thronfolgers Prinz Charles und ihr Freund Dodi Al-Fayed kamen auf der Flucht vor einer Horde Paparazzi auf Motorrädern in einem Mercedes 280 S ums Leben. Deshalb passte schon der Titel des Werkes nicht ins Geschehen. Beim zweiten Versuch, am 15. September 2001, nur vier Tage nach den Anschlägen auf das World Trade Center in New York, stand Adams’ Stück wiederum auf dem Programm der »Proms«. Und zum zweiten Mal wurde es als unpassend gestrichen.
Erst 2014 wurde der Kurzausflug in der Höllenmaschine in London zur Aufführung gebracht. Dirigentin war die New Yorkerin Marin Alsop, die übrigens als erste Frau in der »Night of the Proms« den Stab führen durfte.
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Wirklich schade!
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