Wie Axel Hollmann Schriftsteller wurde
Berlin-Tiergarten. Café am Neuen See. Axel Hollmann, 50, ähnelt in Größe und Statur einem gemütlichen Bären. Der bekennende »SchreibDilettant« auf YouTube und Autor spannender Kriminalromane kommt in Begleitung zum Interview. Viola, seine Frau und Muse, flankiert ihn seit 25 Jahren.
»Er kam irgendwann an und sagte: Schatz, ich möchte Schriftsteller werden«, verrät sie mir strahlend. –
»Ja, geht das denn so einfach?«, frage ich unschuldig und schalte schnell mein Tonband ein.
Stephen King ist schuld
Stephen King ist schuld, dass der 1968 im Sternzeichen Waage geborene Axel Hollmann sein Studium der Betriebswirtschaftslehre nicht abgeschlossen hat. Statt Vorlesungen zu besuchen, schmökert der junge Student im Lichthof der Technischen Universität im umfangreichen Werk des Kings of Horror.
»Ich hatte keinen Spaß am Studium und war auch nicht organisiert genug«, sagt Hollmann heute über jene Zeit. Das Lesen ermöglicht ihm kleine Fluchten, regt seine Phantasie an und hilft ihm, eigene imaginäre Welten zu erbauen.
Mit 13 Lenzen trifft sich Axel mit anderen Jugendlichen in einem akademischen Fechtclub. »Fechten klang cool«, meint er, als ich ihn zweifelnd ansehe. Dort lernt er einen Schüler von der deutsch-amerikanischen John-F.-Kennedy-Schule kennen. Der wiederum erschließt ihm Spiele, die in den Vereinigten Staaten gespielt werden. »Dungeons & Dragons« (Verliese und Drachen) von Gary Gygax wird von nun an auch in Berlin gespielt.
Begeisterung für Rollenspiele
Jede freie Minute investiert Axel Hollmann in das Rollenspiel. Dabei lernt er den vier Jahre jüngeren Marcus Johanus kennen, der heute als Lehrer für Deutsch, Geschichte und Psychologie arbeitet sowie ebenfalls erfolgreich Krimis verfasst. Bald werden die beiden beste Freunde. Bis heute wirken sie eng zusammen.
In einem Zeitungsbericht entdeckt Axel eine Händleradresse und bezieht die Artikel und die für die Spielstruktur wichtigen Regelwerke aus den USA. Er ist gerade 13 Jahre jung, und das Internet als Massenphänomen existiert 1981 noch nicht.
Ein Hobby wird zur Geschäftsidee
Das Interesse an Pen-&-Paper-Rollenspielen wächst. Bei diesen Spielen nehmen die Mitwirkenden fiktive Rollen ein und erleben gemeinsam durch Erzählen ein Abenteuer. Als Hauptspielmittel werden fast immer die namensgebenden Stifte und Papier eingesetzt, um die dargestellten Rollen auf Charakterbögen zu beschreiben und Notizen zum Spielverlauf zu machen. Es handelt sich um eine kreative Mischung aus herkömmlichem Gesellschaftsspiel, freier Erzählung und spontanem Improvisationstheater.
In der Berliner Bundesallee eröffnet ein Laden für Fantasy-Rollenspiele. »Serious Games« (ernstzunehmende Spiele) heißt der Laden. Schon entsteht eine Filiale in der Bismarckstraße. Es gibt dort auch eine Bücherecke mit Romanen, Thrillern, Horror und SF-Büchern. Axel und Marcus stoßen dazu und werden Mit-Geschäftsführer.
Über das Rollenspiel lernen sich 1992 Viola und Axel kennen. Damals sind Frauen in Rollenspielkreisen dünn gesät. Sie ist fasziniert von seinem Talent, er verliebt sich in ihre Stärke. Seitdem sind die beiden ein Paar und Eltern von zwei Kindern.
Vom Rollenspiel zum Schreiben
Aber was hat all das mit dem Schreiben zu tun, Axel Hollmann?
»Über das Rollenspiel bin ich zum Schreiben gekommen. Bei jedem Rollenspiel braucht man einen Spielleiter, der sich die Geschichten ausdenkt und den Plot ausdenkt. Das war dann ich, der die Figuren entwickelte. Für meine drei, vier Freunde hatte ich begonnen, ein Fan-Magazin herauszubringen.«
Die ersten »richtigen« Artikel, die er schreibt, erscheinen in Rollenspiel-Magazinen. Dann passiert viele Jahre gar nichts mehr. Hollmann beginnt, einen Roman zu schreiben. Viele Zettel mit Ideen hängen an seiner Zimmertür. Dabei bleibt es vorerst.
Erst als es nach zehn Jahren mit der kleinen Ladenkette zu Ende geht, kommt der Prozess voran. Das Publikum für Importprodukte bestellt inzwischen direkt über das Netz und kommt auf diese Weise wesentlich preiswerter davon. Axel gewinnt Zeit für seine wirkliche Leidenschaft.
»Am ersten Tag, an dem ich nicht mehr in den Laden gegangen bin, habe ich mit dem Romanschreiben begonnen, um in kein Loch zu fallen. Jeden Tag habe ich zwei Stunden geschrieben.« Gleichzeitig ackert er als Bürohengst im Betrieb des Vaters. Den übernimmt er dann.
Wie wird man Schriftsteller?
Wie bist du vorgegangen, um Schriftsteller zu werden?
»Gute Frage! Ich habe mir Bücher über das Schreiben besorgt, angefangen mit James N. Frey „Wie man einen verdammt guten Roman schreibt“. Der war ein Augenöffner, weil er eine andere Herangehensweise zum Schreiben vermittelte, anders als die deutsche Herangehensweise. Künftig habe ich eine Stunde gelesen, eine Stunde geschrieben.«
Was hat dir die Lektüre von Freys Bestseller gegeben?
»Frey hat mir beigebracht, dass Schreiben Handwerk ist. Der deutschen Mentalität ist das weitgehend fremd. In Deutschland spukt immer noch die Genietheorie von der göttlichen Inspiration in den Köpfen umher.«
Und warum gleich einen Roman statt einer Kurzgeschichte? Wolltest du vielleicht berühmt werden?
»Ich habe es gemacht, weil es eines meiner drei Ziele war: Ich wollte Marathon laufen, eine Familie gründen und ein Buch schreiben. Marathonlauf und Familie hatte ich inzwischen.«
Vielleicht wolltest du reich werden?
»Mir war völlig klar, dass man mit Schreiben nicht richtig reich werden kann. Als Rockmusiker verdient mal leicht das Zwanzigfache«, Axel lacht, »und bekommt zwanzigmal so viele Mädels ab.«
An seinen ersten Roman, einen Mittelalter-Horror-Fantasy-Text mit Rittern, kann sich Axel Hollmann kaum erinnern. Täglich hockt er in jener Zeit im »Café K«, dem Café im Kolbe-Museum. Dort kann er schreiben, daheim klappt es nicht. Axel sitzt an einem runden Marmortischchen, schlürft Kaffee und beschreibt die Seiten eines klassischen Moleskine-Notizbuch mit Füller.
Eines Tages lässt der Dauergast mangels Kleingelds seine Zeche anschreiben. Am Tag darauf bekommt er den Kassenbon, und da steht drauf »vom Autor«. Die Bedienung hat bereits mitbekommen, dass er schreibt.
»In dem Augenblick wußte ich: Jetzt bin ich Schriftsteller!«
Durchbruch per Podcast
Erleuchtung und Durchbruch beschert ein amerikanischer Podcast namens »Writing excuses«. Freund Marcus kennt diesen Internet-Podcast über das Romaneschreiben. Ziemlich bekannte Fantasy- und SF-Autoren sprechen darin über ihre Erfahrungen mit dem Handwerk des Schreibens.
Daraus entsteht die Idee der »SchreibDilettanten«. 2012 beginnt Axel Hollmann gemeinsam mit Marcus Johanus einen wöchentlichen Podcast nach amerikanischem Vorbild auf iTunes. Er beobachtet jedoch bei seinen Kids, dass sie viel auf YouTube abhängen. Und mit iTunes gibt es ständig Probleme. Darum schwenken die beiden Macher nach 150 Folgen, also nach etwa drei Jahren, um. Seitdem agieren sie ausschließlich auf YouTube.
Aufgezeichnet wird die Show meist montags um 07:45 Uhr. Axel schneidet den rund zwanzigminütigen Beitrag und lädt ihn hoch, nachdem Marcus ihm den letzten Schliff gegeben hat. Inzwischen sind 400 Sendungen online. Eine treue Community aus 2.300 Abonnenten wartet jede Woche auf Nachschub. Die Zuschauerzahlen steigen, mehr als eine Viertel Million Aufrufe verzeichnen die SchreibDilettanten insgesamt.
Werbung wollen sie nicht einblenden. Schon der Aufwand, alles buchhalterisch aufzubereiten, ist ihnen lästig. Auch ein Ende der Sendereihe ist nicht absehbar. »Wir machen das so lange, bis einer von uns umkippt«, versichert Axel.
Erste Bücher erscheinen
Axel Hollmanns nennt seinen ersten abgeschlossenen Roman »Auf brüchigem Asphalt«, es ist ein Julia-Wagner-Krimi. Er besucht Schreibseminare, legt Wert auf Information und Weiterbildung.
Hoffnungsvoll verschickt er Leseproben an alle Agenturen. Resonanz? – Null! Einer fordert das vollständige Manuskript an, aber das war es.
Hollmann verfasst ein zweites Buch. Doch innerlich ist er bereits voll frustriert und begräbt seinen Berufswunsch schon wieder.
Da erzählt Freund Marcus, dass der Ullstein-Verlag ein neues Imprint namens Midnight für E-Books entwickelt. Wir schreiben das Jahr 2014.
»Da dachte ich mir: Schick es einfach hin! – Anderthalb Monate später kam mein E-Book unter dem Titel „Asphalt. Ein Fall für Julia Wagner“ auf den Markt!«
Axel Hollmann zählt zu den ersten vier Autoren, mit denen Midnight eröffnet. Vom Kindle hat er keine Ahnung und über Self-Publishing denkt er, das mache sowieso keiner.
»Die Zusammenarbeit mit dem Team von Ullstein war toll, sehr sympathische Leute. Ein flottes Lektorat, und schon kam das Cover. Ich fand es erst doof, Freunde fanden es aber gut und später sah ich ein, dass das Cover gut war.«
Der Verkauf läuft gut. Im ersten Halbjahr ist er einer der bestverkaufte Autor bei dem Label. Mit »Schlaglicht« folgt der zweite Band. Den hat Axel schon in der Schublade und schnell ein wenig umgebaut zu einer weiteren Julia-Wagner-Geschichte.
Plötzlich bekommt er doch noch Kontakt zu einer Literaturagentur. Schmidt und Abrahams bringen »Rissiges Eis« bei Amazons E-Pub-Verlag unter. Das Buch ist Hollmanns dritter Streich, mit Vorschuss und allem Tamtam.
Self-Publishing als Weg
Axel kann seine Protagonistin Julia vorerst nicht mehr sehen. Er will auch keine Heldinnen mehr haben, sondern einen Helden. Das Projekt findet der Amazon-Verlag unpassend.
Die Stunde des Self-Publishings schlägt: Hollmann gibt seinen Roman »Schwarzer Rost« selbst heraus, Buch No. 4 ist auf dem Markt.
»Ich kannte inzwischen viele Leute aus der Self-Publishing-Szene und war echt neugierig. Außerdem brauchte ich ein eigenes Buch, um mich am Self-Publishing-Preis zu beteiligen. Dort kam ich bis auf die Shortlist.«
Da er die Rechte von Midnight zurückbekommt, schreibt er noch eine Art Prequel zu Julia Wagner und gibt als fünften Streich »Benzin« heraus. Schnell ist er in die SP-Autoren-Szene integriert. Wissen weitergeben und mit dem Publikum interagieren, macht ihm Spaß. Auf diese Weise findet er die Verbindung zum Rollenspiel.
Der WILEY VCH-Verlag spricht ihn an. Im Internet ist dieser auf die YouTube-Show »SchreibDilettanten« gestoßen. Der dort gepflegte lockere Stil passt dem Unternehmen.
Gemeinsam mit Marcus Johanus verfasst Axel Hollmann daraufhin das Sachbuch »Romane schreiben und veröffentlichen für Dummies«.
Wie geht der Traum weiter?
Abgesehen von einem ihm unerreichbar scheinenden Spitzenplatz auf der Spiegel-Bestseller-Liste: Ist Axel Hollmann damit am Ziel seiner Träume vom Schriftstellern?
»Auf jeden Fall. Ich habe alles abgehakt, was ich mir vorgenommen hatte. Wenn mich jetzt der Blitz treffen würde …«
Doch Blitzgott Loge ist geduldig und wartet noch ab, bis er zuschlägt … Deshalb sitzt Axel jetzt gemeinsam mit Marcus Johanus an einem Projekt, das sie gemeinsam produzieren.
Was das wohl wird? – Ich schiebe das Mikrophon unmerklich näher …
Axel Hollmann schweigt geheimnisvoll. Sein Blick schweift über den Neuen See in eine ferne Zukunft.
Axel hat immer tolle Geschichten erfunden«, sagt seine Frau Viola überzeugt. Doch Genaueres weiß selbst sie nicht …
Ruprecht Frieling
Danke für das tolle Porträt.Sehr spannend, Axels Werdegang über das Rollenspiel. Ich fand das damals auch toll, bin nur nicht so tief eingestiegen.
Immer wieder ein Genuss, deine Berichte zu lesen.
Dankeschön, Dietmar!
Danke, lieber Rupi. Wie immer schön fluffig und gut lesbar geschrieben. Ein paar neue Sachen habe ich so über Axel erfahren und bin gespannt, was das neue Projekt wird. 🙂
Vielen Dank für das spannende Porträt. Wirklich toll geschrieben. Gerne mehr! 🙂
Dankeschön.
Schau dich hier um, dann hast du Lesestoff bis Weihnachten
Schönes Porträt, danke!
Pingback: Janina Venn-Rosky: „Milliardärs-Romanzen schreibe ich nicht“
Hallo Ruprecht, komme leider erst jetzt dazu, dein Interview mit Axel zu lesen. Er ist ein netter Kerl, beantwortet Anfragen und überzeugt mit seinem guten Schreibstil. Schwarzer Rost gefällt mir sehr gut. Danke, dass du dieses Interview gemacht hast.
Danke für dein Interesse, lieber Arnd!
Lieber Rupi,
ich freue mich immer, wenn von dir ein neues Newsletter ein trudelt und tolle Buchvorschauen zu lesen sind.
Vor einigen Jahren, habe ich zwei Bücher geschrieben, eins davon hast du mit netten Worten kommentiert.
Ich stellte aber bald fest, dass ich nicht der beste Schreiber bin.
Mit meinen 84 Jahren, seit meiner Witwerzeit, hatte ich schöne Erlebnisse mit drei Witwen, die zwischen 65 und 70 Jahre alt waren, (sind).
Darüber könnte ich auch eine Geschichte schreiben.
Ich lasse es lieber, denn ich habe mir ein neues Hobby zugelegt.
Aus schönen Silbermünzen mache ich eben so schöne Coinringe und biete sie bei EBay Kleinanzeige zum Verkauf an.
Schöne Grüße
Adolf.
So lange dir das Schreiben Spaß macht und dich erfüllt, solltest du schreiben, lieber Adolf. »Der Beste« ist letztlich derjenige, der ein erfülltes und glückliches Leben führt.