Michael Hutters verstörende Bilderwelt erinnert an Hieronymus Bosch: Außerirdische Monster und Schlingpflanzen mit Krakenarmen umspinnen bildschöne junge Frauen. Der skelettierte Tod beobachtet ein junges Paar beim Liebesspiel. Nackte Menschen versuchen verzweifelt, grässliche Monstren zu bändigen. Affen zeigen den Schönen einen Spiegel und damit ihre Vergänglichkeit. Überall lauert Gier, Geilheit, Gewalt. Ruprecht Frieling hat den Künstler mit der unheimlichen Phantasie in Köln getroffen.
Der Maler, Illustrator und Autor Michael Hutter lebt in Köln. Die Visionen von Himmel und Hölle, von Fegefeuer und Jüngstem Gericht, die von der katholischen Amtskirche als Kinderschreck farbenprächtig beschworen werden, wühlten den 1963 geborenen bereits in jungen Jahren auf. Nun spiegeln sie sich in seinen Arbeiten wider.
Michael Hutter spürte früh sein Interesse, sich mit Pinsel und Farbe auszudrücken. Von 1983 bis 1986 war er Schüler an der ehemaligen FH Köln im Fachbereich Freie Malerei bei Professor Karl Marx. Kurz darauf entstanden die ersten Gemälde-Zyklen.
Michael Hutter und Hieronymus Bosch
Hutter zeigt Lust und Laster, wie sie in den sieben Todsünden gepredigt werden: Wollust, Zorn, Neid, Völlerei, Hochmut, Trägheit und Habgier sind Gegenstand seiner Arbeit. Für ihn ist Gott das wahre Monster, und die Hölle existiert auf Erden. Dabei wohnt allem Sündenfall ein hocherotisches Spannungsmoment inne, bei dem vor allem das weibliche Geschlecht erstaunlich aktiv ist.
Der Maler erinnert sowohl thematisch als auch technisch an den niederländischen Renaissance-Maler Hieronymus Bosch (1450-1516), dessen teils rätselhafte Darstellungen unverändert faszinieren. Wie Bosch verewigt Hutter in Öl auf Holz dämonische Fabelwesen und Figuren neben zwei- und vierbeinigen Wesen mit teils abscheulichen Tierköpfen. Seine Bestiarien sind in hohem Maße allegorisch angelegt.
»Dem erbärmlichen Geist ist es zu eigen, stets nur Klischees und niemals eigene Einfälle zu verwenden.« Hieronymus Bosch
Analog zum Triptychon »Der Garten der Lüste« von Bosch hat Michael Hutter das dreiteilige Tafelwerk »Der Triumph des Fleisches« geschaffen.
Im linken Flügel kommt eine Menschenkette einen Berg hinunter, auf dessen Gipfel ein Unterseeboot ähnlich einer Arche Noah gestrandet ist. An der Spitze dieser Prozession porträtiert sich der Künstler am Gängelband einer stolzen Frau als mageres Äffchen mit steifem Genital sogar selbst.
Auf dem rechten Flügel des Dreiteilers tanzen Nackte befreit einen Reigen um einen Obstbaum, auf dem Äpfel der ewigen Jugend wachsen und lieben sich in Blütenkelchen.
Auf der Mitteltafel kämpfen Menschen nahezu verzweifelt gegen Monsterwesen, die sie gebären und wieder verschlingen. Im Hintergrund fährt ein Dampfzug über eine hohe Brücke in Richtung Stadt.
Michael Hutter malt die Apokalypse
Die fauchende Lokomotive taucht auch in seiner Arbeit »Exodus – Der letzte Zug« auf. Während eine endlos lange Schlange merkwürdig gewandeter Gestalten aus einer mittelalterlichen Stadt im eisigen Hochgebirge flieht, entgleist der letzte Zug mitsamt seiner Waggons auf einem Viadukt und stürzt Feuer speiend und laut krachend in die Tiefe.
Das Gemälde wirkt wie eine Illustration der letzten Zeile des berühmten Gedichts »Weltende« von Jakob van Hoddis aus dem Jahre 1910: »Eisenbahnen fallen von den Brücken.« Hutters Bildwelt ist Apokalypse pur, wenn sich des »eisernen Himmels blutende Tore« (Hoddis) öffnen. Seine Dystopie in Öl wirkt gleichermaßen erschreckend wie erlösend.
Die Hölle schafft sich selbst. Wir Menschen sind die wahren Dämonen. Das ist das Gesetz unserer Natur.
Mehr über Michael Hutter: https://www.kunstkrake.de