Lieber Hannes,
heute wirst Du 70 Jahre jung! Ich gratuliere Dir dazu aus vollem Herzen und wünsche Dir für das nächste Jahrzehnt wie in allen Jahren zuvor stets ein volles Haus und ein unverändert begeistertes Publikum.
Am 23. Juni 1942 wurdest Du in Bethel bei Bielefeld geboren. Mich küsste auf der anderen Seite der Sparrenburg zehn Jahre später das Licht der Welt. Du wuchsest in bescheidenen Verhältnissen in Kriegswirren und Nachkriegstrümmern auf, ich hatte es als Wirtschaftswunderkind wesentlich leichter. Beide sind wir geprägt von Abscheu vor Kasernengeist, Militarismus und Nazischeiße und flüchteten als 68er ins damalige Westberlin, das in künstlerischer und intellektueller Hinsicht eine Insel für Freigeister war. Beide stritten wir für soziale Ideale und träumten von einem besseren Deutschland; beide erlebten wir die Erosion und Pervertierung der positiven Ansätze durch unsere Kontakte zum realen Sozialismus und wurden enttäuscht.
In jenen wilden 68-er Jahren durfte ich Dich häufig als Sänger erleben. Du zogst Abend für Abend durch Clubs und Kneipen und begeistertest Dein Publikum. Ich war fasziniert, dass es einen Barden gab, der nicht nur deutsch singen konnte, sondern sogar deutsche Volkslieder vortrug. Mit diesen Volksliedern assoziierten viele von uns doch immer noch die Nazis, die unser Liedgut missbraucht und es uns damit verleidet hatten. Deshalb wollten wir lieber englische Texte, wir sprachen lieber englisch als deutsch miteinander, wir änderten unsere Vornamen: aus einem Jan wurde »John«, ich nannte mich wegen roter Haare und Hingabe zum damaligen Schlagzeuger der Cream »Ginger«.
Du hingegen bliebst stets Hannes und Dir und Deinen Wurzeln treu. Du hast dem guten alten Volkslied den Staub der Jahre und den Geruch des Missbrauchs aus dem Mantel geschüttelt und es mit hochaktuellen, brisanten Inhalten, die uns auf den Herzen brannten, gefüllt. Dabei hast Du es mit Deiner Kunst geschafft, heikle Themen mit Tiefgang und Augenzwinkern zu präsentieren und ihnen ein Gesicht zu geben.
Gut erinnere ich mich, dass mir stets Schauer über den Rücken liefen, wenn Du zur Gitarre griffst und mit dem unglaublichen Timbre Deiner Stimme (trotz 80 Gitanes pro Tag) und einem unvergleichlichen Volumen selbst geschriebene Songs vortrugst. Zu jener Zeit waren es vorrangig politische Lieder wie die Moorsoldaten, die uns zum Mitsingen animierten.
Mir gefielen besonders Deine zeit- und selbstkritischen Lieder, die vom unvergleichlichen Wader-Humor gezeichnet sind. Die Ballade vom Tankerkönig, Charley, Kokain oder die Liebeserklärung an das Schwein Monika seien nur stellvertretend genannt. Das sind wundervolle Geschichten, die heute noch so jung wie damals klingen.
All das, lieber Hannes, ist lang, lang her und doch unverändert aktuell. Du bist auch heute noch DER deutsche Protestsänger, Du bist die Legende der Ostermarsch-Bewegung, Du stehst als Aktivist der Friedens-, Anti-Kernkraft- und Attack-Bewegung Deinen Mann, indem Du den Wunsch vor allem junger Menschen, die Welt zu verändern, dichtend, singend und spielend begleitest. Dabei wundern wir uns bisweilen, noch unter den Lebenden sein zu dürfen. Du bringst es in einem Deiner neuesten Songs auf den Punkt: Dass wir so lang leben dürfen / Schnäpse kippen, Rotwein schlürfen, / feurig würzen, Biere stürzen, /Prassend unser Leben kürzen. / Dass wir so lang leben dürfen.
Mein persönliches Geburtstagsgeschenk an Dich war, Dich wieder mit Deinem alten Label Mercury (Universal Music) zusammen geführt zu haben, und ich erinnere mich an unsere wundervollen Gespräche, was denn auf Deiner Platte zum 70. Wiegenfest Platz finden könnte. Heute höre ich die Vorab-Aufnahmen zu diesem fantastischen Werk, und ich erinnere mich an die Themen, die wir besprachen und die von Dir in kongenialer Weise für neue Songs aufgegriffen wurden.
»Nah dran« heißt dieses neue Album. Es ist schlichtweg ergreifend. Dieser vielschichtige Titel sagt nicht nur, dass Du ganz nah am Leben und den Themen der Zeit bist. Er nimmt auch Bezug auf die Endlichkeit unseres Seins. Ich muss schmunzeln, wenn ich Dein neues Lied vom Tod auf der neuen CD höre. Dieses Lied ist frei von Melancholie, Tränendrüsen und Abschiedsschmerz. Es steckt wieder so voller Humor, dass man befreit lachen kann. Dabei ist es ein Song, der kein Ende finden will, denn Du willst nicht loslassen. Mittlerweile 21 Strophen und mehr könntest Du singen. Es gibt sogar eigens eine Bonus-CD, um wenigstens einen Teil dieses Werks unterzubringen, mit dem Du ja auch deutlich machst, dass Du keineswegs bereit bist, die Bühne zu verlassen. Ich bin sicher: Jeder Wader-Fan wird sich über diese Neuerscheinung freuen.
Erwähnen möchte ich schließlich die »Salute to Wader«-CD, die bereits erschienen ist. Junge Künstler singen darauf Deine Lieder. Kann es Schöneres geben, dass die Fackel, die der alte Meister entzündet hat, von jungen Interpreten aufgegriffen und weitergetragen wird? Ich finde diese Idee, die Christian Kellersmann geboren hat, genial und zukunftsweisend, wenn ich persönlich auch den Original-Wader den Milchreisbubi-Stimmchen ganz klar vorziehe.
Lieber Hannes, lebenslang bist Du mir ein Vorbild für künstlerische Aufrichtigkeit gewesen. Wir sind beide westfälische Eichen, die nicht weichen und dennoch Verse schreiben zart wie Seerosen auf Teichen. Dafür umarme ich Dich an Deinem heutigen Ehrentag und freue mich schon heute darauf, über neue Songideen mit Dir beim Schlürfen eines herzhaften Roten philosophieren zu dürfen.
Vivat, vivat!
Dein Ruprecht Frieling
Ein Hoch (dreifaches, naklar) dem Jubilar!
Was für eine schöne Laudatio !
Wohlverdient, wohlgemerkt. 🙂
In diesem Sinne: auch von mir einen sehr herzlichen Glückwunsch an den Jubilar.
Danke für diesen tollen Beitrag an Rupi – und alles Liebe und Gute @ Hannes Wader; – bleibt gesund und munter!
Wunderschön und mitreissend geschrieben, man möchte schon zu der Laudatio schunkeln und ich habe jetzt das auch sehr gut passende „Heute hier, morgen dort“ im Sinn. Mögen ihm noch lange Gesundheit und Erfolg beschieden sein.
Vielen Dank für diesen Eintrag und herzlichste Glückwünsche an den deutschen Hannes.
Möge dein Glas nie leer sein, dein Herz immer voll sein – alles GUTE für dich, lieber Hannes!
Ich verehre Wader seit etlichen Jahrzehnten.
Wunderbare Lieder mit einzigartiger Stimme und wohlklingendem Gitarrenspiel vorgetragen.
Da kann ich, ohne mich zu verbiegen, aufrichtig sagen: Alles Gute zum Geburtstag, Hannes, Gesundheit vor allem und noch ein langes Leben.
Hoffentlich erfreut uns der Jubilar noch viele Jahre mit seinen großartigen Meisterwerken!
Mein Glückwunsch an Hannes!
Ansonsten: ein sehr schönes Laudatio. Die „alten Säcke“ können’s doch noch. 😉
Ich erinnere mich daran, dass ich vor Jahrzehnten auch seinetwegen lange angestanden habe, um Karten für das Festival des Politischen Liedes zu ergattern.
Eine sehr schöne, treffende und, ja auch rührende Gratulation von Dir.
Auch mein Glückwunsch!
Elke
Erst vor kurzem war ich zum allerersten Mal auf einem Hannes Wader-Konzert in Berlin. Durchs Internet bin ich auf ihn aufmerksam geworden und eklatante Bildungslücken konnten endlich geschlossen werden. 😉
Was soll ich sagen? – Es war ein großartiger Abend! Seine Stimme und sein Timbre haben mich vom ersten Ton an sogartig gefesselt und dann noch die genialen Texte!
Ein HOCH auf das Geburtstagskind!
Von einem frisch gebackenen Fan
Irgendwer hatte seinerzeit immer eine Wandergitarre
dabei, wenn nachts das Lagerfeuer loderte.
Fehlen durften dann natürlich die Wader-Songs nicht.
„Ich kam von Frankfurt nach Berlin,
drei Koffer voll mit Kokain.
Cocaine, all around my brain…“
Einfach unvergessen..;-)
Der Tankerkönig wird schon 70?
So vergeht Jahr um Jahr…
:lalala:
Von mir auch noch herzliche Glückwünsche!
Wann kommt Hannes Wader denn wieder zu Facebook?
lG Anne
*prust*
Du hast mich zum Lachen gebracht.
Aber ich höre Hannes Wader sehr gerne.
Da haste recht: Wader is‘ schon einer der lässigeren.
Aber für die heutige Zeit wohl zu anspruchsvoll…
Gute Frage! Ich habe den Account auf Eis gelegt, weil der Meister einerseits nicht selbst facebooken möchte – andererseits damit Schwierigkeiten hat, dass jemand anderes dies offiziell in seinem Namen macht, wenngleich das bei vielen Künstlern so gehandhabt wird.
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