Die Geschichte vom Zeitvertreib und der verlorenen Stunde
Von Prinz Rupi
Es war einmal in einem kleinen Dorf namens Chronopolis, wo die Menschen sich eine ganz besondere Art zu leben ausgedacht hatten. Sie nannten es „Zeitvertreib“. Das Leben in Chronopolis war ein ständiges Spiel mit der Uhr, und die Dorfbewohner hatten allerlei skurrile Methoden entwickelt, um ihre Zeit zu vertreiben.
In einem alten, gemütlichen Café am Marktplatz saß der weise Professor Tick-Tock. Er war bekannt für seine tiefsinnigen Gedanken und seine Vorliebe für philosophische Debatten. Eines Tages stellte er den Dorfbewohnern eine provokative Frage: „Meine lieben Freunde, was genau bedeutet es eigentlich, Zeit zu vertreiben?“
Die Dorfbewohner kratzten sich am Kopf. „Nun, Professor,“ sagte die neugierige Lina, „wir spielen Spiele, wir singen Lieder, und wir erzählen Geschichten. Ist das nicht Zeitvertreib?“
Professor Tick-Tock lächelte und erwiderte: „Ah, aber habt ihr euch jemals gefragt, ob diese Zeit wirklich keinen Wert hat? Vielleicht überbrückt ihr nicht nur die Zeit, sondern füllt sie mit Bedeutung.“
In der Ecke des Cafés saß der geschäftige Herr Profito, der die Welt durch die Brille der Effizienz sah. „Zeitvertreib, pah!“ rief er aus. „Zeit ist Geld, und jedes verschwendete Stündchen ist ein verlorener Dukaten!“
Die Dorfbewohner kicherten, doch der Professor nickte ernst. „Vielleicht hat Herr Profito einen Punkt. Zeit ist kostbar, und wie wir sie nutzen, zeigt, was uns wirklich wichtig ist.“
Da erhob sich der freundliche Dr. Freudlich, der Dorfpsychologe. „Meine lieben Freunde,“ begann er sanft, „manchmal suchen Menschen nach Zeitvertreib, weil sie sich innerlich leer fühlen. Vielleicht fehlt ihnen der Sinn, und sie versuchen, diese Leere zu füllen.“
Die Dorfbewohner schauten nachdenklich. „Also,“ sagte Lina, „wenn wir uns langweilen, sollten wir nach etwas suchen, das uns wirklich erfüllt?“
„Genau,“ lächelte Dr. Freudlich. „Denkt an den großen Viktor, der sagte, dass der Sinn im Leben das zentrale menschliche Bedürfnis ist.“
Nicht weit entfernt, am großen Brunnen, stand Madame Historica, die Chroniken der Vergangenheit las. „Wisst ihr,“ begann sie, „früher war Freizeit ein Luxus, den sich nur die Reichen leisten konnten. Für die meisten war Arbeit das Leben.“
„Das ist wahr,“ fügte der Professor hinzu. „Zeitvertreib war einst ein Privileg. Heute können wir alle uns diesen Luxus leisten, aber sollten wir ihn nicht weise nutzen?“
Schließlich kam der weise, aber etwas düstere Herr Mortalis, ein Schüler von Martin Heidegger, hinzu. „Freunde,“ sagte er mit tiefer Stimme, „wir alle müssen uns unserer Endlichkeit bewusst sein. Jede Minute, die wir vertreiben, ist eine Minute näher an unserem Ende.“
Die Dorfbewohner erschraken ein wenig, doch der Professor sprach beruhigend: „Keine Angst, meine Freunde. Die Erkenntnis unserer Sterblichkeit sollte uns nicht ängstigen, sondern motivieren, unsere Zeit bewusst zu gestalten.“
Eines Tages kam ein wandernder Uhrmacher ins Dorf, der den Namen Tempus trug. Er hatte eine geheimnisvolle, goldene Taschenuhr bei sich und bot den Dorfbewohnern eine Wette an. „Wer es schafft, eine Stunde ohne irgendeine Form von Zeitvertreib zu verbringen, gewinnt diese magische Uhr,“ sagte er.
Die Dorfbewohner nahmen die Herausforderung an, aber sie merkten schnell, dass es gar nicht so einfach war. Sie versuchten, still zu sitzen und nichts zu tun, aber bald fühlten sie sich unruhig und verloren.
Lina, die neugierige Dorfbewohnerin, kam auf eine Idee. „Vielleicht geht es nicht darum, die Zeit zu vertreiben, sondern darum, sie zu füllen – mit Freude, mit Liebe, mit Sinn.“
Am Ende gewann niemand die goldene Uhr, aber die Dorfbewohner hatten eine wichtige Lektion gelernt. Sie beschlossen, ihre Zeit nicht länger zu vertreiben, sondern zu gestalten. Sie sangen, tanzten, arbeiteten und liebten – und jede Minute wurde zu einem kostbaren Schatz.
Der weise Professor Tick-Tock fasste es am besten zusammen: „Die Zeit zu vertreiben ist eine Kunst, aber die Zeit zu füllen ist das wahre Meisterwerk des Lebens.“
Und so lebten die Menschen in Chronopolis glücklich und erfüllt, indem sie jede Stunde mit Sinn und Freude füllten, wohl wissend, dass das größte Geschenk nicht die Zeit selbst war, sondern das, was sie damit machten.
© Prinz Rupi 2024
Ach, wie schön. Erinnert mich an eine Zeit, wo sich zwei Reporter aufmachten um im Museum der Zeit deren Geheimnisse zu ergründen. Wahrscheinlich hatten sie jedoch zu wenig magisches Zauberwasser getrunken um den Zeitgeist zu erfassen, denn als sie aus dem Museum kamen, waren sie genauso schlau wie vorher.
Da jedoch Zeit (eigentlich nur auf diesem Planeten ) linear gedacht wird – und nicht als Spirale, wird es wohl noch ein Weilchen dauern, ehe Professor Tick Tock deren ewiges Geheimnis entschlüsselt. und bis dahin füllen wir sie mit kunstvollen Meisterwerken unser Fantasie.
Lieber Micha, ich wurde schon von von einem anderen treuen Leser auf Zenons Paradoxien der Vielheit hingewiesen. Ich gestehe aber, meinen mürben Geist erst mit diesem hochgeistigen Paradoxon füllen zu müssen … 😉
Ich habe mich schon immer gefragt, wo die Zeit hingeht, wenn man sie vertreibt!
Aber wenn man sie füllt, wann ist sie voll?
Die Zeit tickt die eine kleine Frist
Tickt die Schärfe aus dem Zwist
Tickt dich hierhin, tickt dich dahin
Die Zeit tickt dir Falten auf die Stirn
Manche Pläne aus dem Hirn
Tickt dich wund und tickt dich zynisch
Die Zeit tickt dein Leben schnell vorbei
Tickt dich fest und tickt dich frei
Und der Hahn kräht, „Guten Morgen“ Die Zeit tickt die Ecken rund
Und tickt dich gesund
Tickt die Dornen von den Rosen
Die Zeit tickt die Lüge wahr
Tickt das Trübe klar
Und macht die Dummen klüger
Die Zeit tickt die Sonne auf die Welt
Und wenn sie herunterfällt
Dann ist die Uhr kaputt
Von und interpretiert von: Erik Van Der Wurff, Hermannus J. Herman Van Veen, Thomas Woitkewitsch