Horst A. Bruno ist ein Phänomen: Er malt und schreibt seit mehr als einem halben Jahrhundert, verbirgt seinen Klarnamen aufgrund gesellschaftlicher Zwänge unter einem Pseudonym und ist immer noch ganz vorn dabei, wenn es um die Nutzung neuer Medien zur Verbreitung seiner Kunst geht. Ruprecht Frieling besuchte den 1938 geborenen Osnabrücker Blogger, Querdenker, WebARTisten und Dada-Nerd, der als Brunopolik durch die virtuelle Welt turnt.
Blogger, Querdenker, WebARTist, Dada-Nerd
Schon als Kind entwickelte sich die Lust von Horst A. Bruno am Malen und Schreiben. Aber wer durchs Leben kommen will, muss einen Beruf haben, in dem man Geld verdienen kann. Und so begann der Start in eine bürgerliche Angestellten-Laufbahn bei Banken und Versicherungen. Künstlerische Ambitionen fanden nur in den freien Zeiten Gelegenheit, sich zu entfalten.
Wie geschaffen dafür war der sich 1969 gründende Werkkreis Literatur der Arbeitswelt, in dem Horst A. Bruno nicht nur für seine inzwischen entstandenen Stories eine Öffentlichkeit bis hin in Schulbücher fand, sondern der ihn auch politisch emanzipierte.
Erst ein für Bruno glücklicher Vorruhestand mit 55 ermöglichte noch einen Hochschulbesuch, wo ihm wichtige Kenntnisse über Kunst von Beuys bis Duchamp vermittelt wurden. Damit öffnete sich sein Weg vom Schreiben in die bildende Kunst. Es folgten Ausstellungen seiner Bilder von Köln über Schwerin bis Hamburg.
Eine entscheidende Wende seiner künstlerischen Ausrichtungen trat ein, als er sich das Internet durchs Bloggen erschloss. Ganz neue Räume für seine Kreativität schaffte ihm dieses Medium, zumal er sich kurz zuvor sein Pseudonym Brunopolik zugelegt hatte. Unter diesem Namen konnte er nun unbegrenzt und ungehemmt unterwegs sein. Zunächst als Blogger, später mit eigener Homepage sowie auf Twitter, Facebook und Instagram
Wie arbeitet Brunopolik?
Brunopoliks Poetry-Texte entstehen ausschließlich aus Sprache, die im Internet gefunden wird, wie beispielsweise Reden der Bundestagsabgeordneten. Er fertigt daraus Lyrik und Poesie »außerhalb sprachlicher Logik«. Die Texte werden gebaut bzw. konstruiert, und zwar in Haiku-Metrik.
Derartige Kunst-Aktionen interaktiver Kunst entwickeln sich dann zu Kampagnen wie die »PolitikerInnen-Worte«. Der Künstler konzentriert sich auf dessen mediale Substanz: – Blog – Twitter – Facebook – Google – Instagram. Seine Poetry auf Screen-Shots ist beliebig reproduzierbar – wie die Siebdruck-Bilder eines Andy Warhol.
Die daraus entstehenden Screenshots einzelner Haiku/Tanka-Strophen seiner Poetry-Texte aller Art verbreitet er via Twitter, Facebook, Instagram sowie seiner Website im Netz und stellt sie dort als Download zur freien Verfügung. Sie können ausgedruckt und gerahmt vielfältige Verwendung finden, beispielsweise als Plakate im öffentlichen Raum oder in Fenstern zur Sicht nach draußen geklebt und damit Zeichen setzend.
Brunopolik darf man auch als politischen Künstler verstehen. In turbulenten Zeiten des Umbruchs und gegen das Scheitern gerichtet werden seine jüngsten Arbeiten durch den Begriff Solidarität bestimmt, den er mit Essays in dem Online-Forum der Berliner Gazette, aber auch in seiner Performance mit Ratespielen der PolitikerInnen-Worte verbreitet.
Im hohen Alter hofft Brunopolik, dass junge Leute kapieren, was er künstlerisch treibt und sein Werk fortführen und vervielfachen. Nachfolger sind bislang noch nicht in Sicht, und so stellt sich für ihn als Künstler auch die klassische Frage des Scheiterns.
Scheitern als Teil der Kunstproduktion
Für Brunopolik ist Literatur-Nobelpreisträger Samuel Beckett mit seinem Scheiten eine Gottheit. »Immer versucht. Immer gescheitert. Einerlei. Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern. (Ever tried. Ever failed. No matter. Try again. Fail again. Fail better)«,lautet einer der berühmtesten Sentenzen des irischen Schriftstellers.
Er kennt die Problematik, den Begriff »Kunst« greifen und formelhaft erklären zu wollen. Er weiß, dass die Bewertung eines »guten« Kunstwerks von Regeln abhängt, die ihrerseits nur von ihrem Erfolg abhängen. Denn letztlich gerät jedes Kunstwerk, also auch Bücher, mit der Veröffentlichung in einen gnadenlosen Kreislauf.
Diese sich in den eigenen Schwanz beißende Logik geht wie folgt: Weil es gut ist, ist ein Werk erfolgreich, und weil es erfolgreich ist, ist es gut. So lautet die nicht von Vernunft, sondern von wirtschaftlichem Nutzen geprägte derzeitige Sichtweise. Doch was bedeutet das im Umkehrschluss? Ist ein Werk, das erfolglos ist, zwangsläufig auch schlecht, denn sonst wäre es wohl erfolgreich? Neben der »öffentlichen Meinung«, die von den ebenfalls im Rad rennenden Kunstkritikern gemacht wird, gibt es nichts, was die Benotung erklärt.
Das nach dieser Formel aussortiert Schlechte, letztlich also des Gescheiterten, verwehrt eine Archivierung des Gescheiterten. »Die Außerbetrachtnahme des sogenannt Schlechten also«,schreibt Manuela Branz in ihrem lesenswerten Aufsatz »Gelungenes Scheitern«, führt »zur Stabilisierung des Realitätszirkels: Nur im Notierten lässt sich jene Erschöpfung einer Idee erkennen, das für uns das Gute herstellt; im Vergessenen aber scheint nichts Wahres gelegen zu haben, im Verlorenen scheint kein Verlust auszumachen zu sein.«
Brunopolik weiß genau: Wenn er seine Kunst aufgibt, gibt er sich selbst auf. Solange es geht, will er daran festhalten. Manchmal ist er ziemlich weit unten. Doch dann hilft ihm die Kunst, wieder aufzustehen.
Ruprecht Frieling
Zur Homepage von Brunopolik: https://brunopolik.de
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