War das eine Freude, wenn in früher Jugendzeit der Zirkus ins Städtchen kam! Bereits Tage zuvor klebten verwegen aussehende Männer farbenfrohe Plakate an Bäume, Zäune und Masten. Aus dem Nichts kamen sie wieder und errichteten über Nacht in einem Gewirr von Stangen, Seilen und Segeltuch ein gewaltiges Zelt. Bald trafen Güterwagen mit exotischen Tieren ein: Elefanten wurden entladen und im Triumphzug vom Bahnhof zur Festwiese begleitet. Rassige Rösser, mürrische Mulis, klapprige Kamele und braune Bären trotteten durch den Staub langer Straßen.
Zirkusluft verhieß Abenteuer, das war der Stallgeruch der großen, weiten Welt. Und wurde gar ein Schild mit der Inschrift „Junger Mann zum Mitreisen gesucht“ aufgehängt, dann träumten wir, uns heimlich aus der Villa Mama zu schleichen und dem Ruf ins Ungewisse zu folgen.
Mit dem Älterwerden verflüchtigte sich die Zirkusluft, und spätestens, seitdem ich offiziell „erwachsen“ bin, also wählen gehen, den Führerschein befristet abgeben und den Zusammenbruch von Euro-Staaten mit immer mehr Schulden verzögern darf, hat der Zirkus von anno Tobak seinen Reiz verloren. Dennoch schaue ich hin, wenn ein Plakat mit einem Clownsgesicht oder einem Männchen machenden Dickhäuter meinen Weg kreuzt, und das geschieht zuverlässig alle vier Jahre. Denn dann zieht der Politzirkus durchs Land
An diesem Wochenende lacht mich ein zwei Meter hoher, giftgrüner Papagei von einer riesigen Plakatwand an. Das Plappermaul heißt Henkel, wie mir von kundigen Zirkusfreunden verraten wird. Pardon, der Vogel wirbt natürlich nur für ihn, denn Herr Henkel ist ein ehrenwerter Mann der Berliner CDU, der selbst mal an die Futternäpfe will. An jeden zweiten Baum hat er deshalb ein Plakat mit dem sinnigen Hinweis „Ich bin ein CDU-Baum“ tackern lassen, um die Leute zum Besuch der Vorstellung anzulocken. Er träumt davon, mit seinen Leuten die regierende SPD zu beerben, die auf ihren Ankündigungen behauptet, sie würde „Berlin verstehen“.
Die attackierten Berlinversteher präsentieren statt eines exotischen Tieres lieber ihren Regierungschef Wowereit. Der Chefdompteur hält eine alte Dame wie einen zerzausten Tanzbären an der Hand und will damit wohl die mütterlichen Instinkte der zahllosen Seniorinnen von Sprayathen gewinnen. Tatsächlich ist ein enges Miteinandergehen der Generationen schon deshalb sinnvoll, weil nächtens die Straßenbeleuchtung ausgeschaltet wird, auch wenn der Mond lediglich verhangen strahlt, und Schlaglöcher Tiefen haben, die an den pazifischen Marianengraben erinnern.
Mit sorgendurchfurchter Stirn und Augenringen galoppiert daneben Renate Künast für „Die Grünen“ durch das Manegenrund, dass die Sägespäne fliegen. Die Spitzenkandidatin bietet sich dem hochverehrten Publikum mit Sprüchen wie „Renate kämpft“ und „Renate arbeitet“ als spaßfreier Kraftprotz mit Wadenbeißermentalität an. Inzwischen hat die Kunstreiterin allerdings kalte Füße bekommen und in einem Meisterstück öffentlichen Ungeschicks „Renate geht“ verkündet. Manche Auftritte gehen eben mal daneben.
Wie es sich für einen großen Zirkus gehört, gibt es neben Stars und Schwergewichten auch einen Tross mit Zauberern, Jongleuren und Tanzmäusen. Das kleinste Lebewesen unter der Zirkuskuppel heißt FPD. Die Partei der Westerwillis, Wendehälse und Wackelpeter möchte an der Zwei-Prozent-Hürde abgeholt werden und lädt mit besonderem Pfiff zur großen Zirkusshow ein: Auf den Plakaten der inzwischen kaum noch wahrnehmbaren Partei prangt vor dem Kürzel ein rapsgelber Aufkleber. Die „neue“ FPD will damit andeuten, dass mit etwas Make-up alles viel besser läuft als in den Jahrzehnten zuvor. Ob das reicht, um bei der nächsten Vorstellung wenigstens die Karten abreißen zu dürfen? Sichtbares Merkmal der blassgelben Werbebotschaften ist jedenfalls, dass sie sich bereits bei leichtem Regen ablösen und entsprechend schnell vom Winde verweht werden.
Zu jedem Zirkus gehört auch ein kleiner Kitzel, der von mahlendem Trommelwirbel begleitet wird. Mal ist es der Dompteur, der seinen Kopf in den Rachen des Löwen legt und ihn dabei krault. Manchmal sind es atemberaubende Sprünge ohne Netz und doppelten Boden. Diesmal wirbt ein verbissen wirkender Grauschopf in schwarzer Ledermonitur für einen Motorradstunt im Raubtierkäfig. Es ist der Chef der braunen NPD, dessen Konterfei hoch oben und unerreichbar unter dem Kuppelzelt klebt. Lautstark will der Todesfahrer aus wolkigen Höhen heraus „Gas geben“. Offen bleibt bei dieser Losung, die auch direkt vor dem Jüdischen Museum prangt, wem er denn dieses Gas geben bzw. wen er ins Gas schicken will. Das wird sich wohl erst zeigen, wenn er freigelassen werden sollte, um mit steifem Am durch einen brennenden Reifen zu springen. In der großen Pause verteilt er derweil als Pausenclown lustige Kreuzworträtsel, deren Lösungswort „Adolf“ lautet.
Menschen, Tiere, Sensationen und ein wenig Nervenkitzel. Das Zirkusorchester setzt zum flotten Marsch „Einzug der Gladiatoren“ an und muntert mit Tusch und Fanfarenklängen auf. In die Manege drängen nun verwegene Akrobaten, die sich als Piraten verkleidet haben. Während sie mit blanken Messern zwischen den Zähnen in affenartiger Geschwindigkeit die Wanten entern, stürzen Go-go-Girls vom Team „Deutsche Angst“ in die Manege und zeigen Bilder von brennenden Autos, vermummten Männern und lodernden Fackeln. Ach, wäre es nicht furchtbar, wenn Piraten in die Parlamente zögen und dort Totenkopfflaggen hissten? Vielleicht würden sie gar Ministerin „Zensursula“ als Geisel nehmen? Nun weiß selbst der CDU-Papagei keinen Ausweg mehr und schweigt still.
Ratlos starrt das Publikum in die Zirkuskuppel
So wunderbare Kandidaten zur Auswahl mit so tollen Programmen zur Rettung Berlins – und du willst nicht in den Zirkus gehen?
Wie ich sehe, hat sich die SPD-Führung von der Spree bis zur Donau abgesprochen. Unser verehrter Oberbürgermeister Gönner lässt keine Woche aus, ohne sich in der lokalen Presse mit einer älteren Jubilarin ablichten zu lassen.
Hoppla hopp, hoppla hopp, hoppla hopp.
Und wo ist der Clown?
Hoppla hopp, hoppla hopp, hoppla hopp.
Der Clown, der Clown war immer lustig anzuschau’n
Hoppla hopp, hoppla hopp, hoppla hopp.
Viel Spass beim Wählen und denke dran: Schuld an allem ist nachher immer der Wähler. Immer. Ganz alleine. Zwischen all den Wahlsiegern …
(… ich hätte nie aus B weg „gehen“ sollen, schon deswegen nicht… aber im Alter ist das dann auch egal… hüstel…)
Das mit der Straßenbeleuchtung is‘ ’n Joke, oder?
(Häff fann!
und wenn morgen der letzte Vorhang gefallen ist, lädt mindestens eine Partei zur feierlichen Urnenbeisetzung ein…..
renate geht, udo gibt gas – da ist ja richtig was geboten inne hauptstadt.
wolln wir wetten, das die freien demagogen UNTER 2% landen?
Schönen guten Tag
Das ließt sich ja fast als ob Du den Zirkus nicht magst. Da Du schon Eintritt gezahlt hast solltest Du auch hin gehen. Ich mag die Clowns, von daher würde ich wohl „Die Partei“ wählen.
Ich würde bei der Auswahl ja zur APPD tendieren. Das sind doch die, die Freibier für alle versprechen? 😉
http://youtu.be/AtLGDsa858M
http://youtu.be/Ez6V5oFs-mo
Du meinst wohl, weil wir selbst bald in dem Alter sind, dass wir eine helfende Hand brauchen, um halbwegs sicher über die Straßen des Lebens zu kommen, sollten wir diesen Typen vertrauen?
Nur gut, dass heute eigens der Papst ins Fernsehen gekrochen ist, um das Wort zum Sonntag in die Köpfe der Wähler zu pflegen
„Deswegen“ gehe ich dieses Mal mit freudiger Erwartung!
Die Beleuchtung in unserer Strasse ist inzwischen total erloschen. In Dresden habe ich Inschriften an Laternen entdeckt, wonach jede zweite abgeschaltet wird. (Diese Schildchen sollen die Leute davon abhalten, sich bei den BeleuchtungsBehörden zu beschweren.)
Mit gelbem Trauerflor?
Wer würde dagegen wetten?
Die hatten ein hübsches Plakat mit einem schwarz bemalten Parteichef und dem Spruch „Ich bin Obama“:
Ach, war das toll, wenn der Zirkus in der Stadt war.
Ja, warum nur liebt man den Zirkus nur als Kind? Und ob die Piraten, verwegener noch als Zirkusleute, was reißen können? Wäre schön, aber schränkt die Klappe vor dem einen Auge nicht die Sicht ein?
Morgen sind wir schlauer, also:
„Send in the clowns“ – hier von der Maria Callas des Broadway (ein User) Judy Dench:
http://youtu.be/yvZex3Qf7QQ
Übrigens: lt. Komponist/Texter steht Clowns für Fools:
http://en.wikipedia.org/wiki/Send_in_the_Clowns )
Isn’t it rich?
Isn’t it queer?
Losing my timing this late
In my career?
And where are the clowns?
Quick, send in the clowns.
Don’t bother – they’re here.
PS. Ich mach dann mal mein Piratenschiff klar und segle zur Kreuzigung.
Die Damen, die mich durch die nächtlichen Straßen Ulms bei schlechter Beleuchtung sicher nach Hause geleiten, können politisch denken, wie sie wollen. Da bin ich sehr tolerant.
Was bleibt zu wünschen? Nicht „Mast- und Schotbruch“, eher schon „Immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel“.
… dass ich das noch erleben darf: von Erich lernen, heißt sparen lernen…
Ist doch toll, wie gut das Wahlvolk mit Steuergeldern unterhalten wird!
gelb ist derzeit eine echt traurige Farbe…..
Dankeschön. Nach den ersten Prognosen ist jetzt reichlich Wasser unterm Kiel!
Die Typen landen da, wo sie hingehören: ganz tief unten!
Affentheater total!
Yepp. Die Frage ist, haben sie genug Besatzung an Bord?
Davon gehe ich aus. Fragt sich nur, ob sie sich von der Arroganz der Anderen zerreiben lassen oder wirklich zur Durchsetzung ihrer Forderungen kommen.
Muss man sehen. Es mangelt wohl weitgehend an Erfahrung, aber alle haben mal angefangen.
Alllllso lasst uns lieber Vor- statt Nachplappern, den Affenfellmantel aus der alten Truhe holen, die braune Bremsspur aus der Parteiwäsche waschen und völlig zugekifft das Ende aller Tage abwarten….!!!
🙂
Das sind doch endlich mal wieder Wahlversprechen. Aber 8% für die Piraten-Partei sind doch zumindest schon mal ein Anfang.
Die Piraten haben den Einzug in die Liga geschafft. Nun müssen sie beweisen, sonst sind sie das nächste Mal nicht mehr dabei.