Wolf Kahlen, der am 7. Januar 2020 seinen 80. Geburtstag feierte, gilt als einer der Pioniere der Foto- und Videokunst. In Berlin lädt seine legendäre »Ruine der Künste« zum Besuch ein, und in Bernau gibt es ein Kahlen-Museum, das einen Abstecher lohnt.
Wolf Kahlen, Pionier der Videokunst
Von Ruprecht Frieling
Im Bereich der Videokunst wird Wolf Kahlen in einer Reihe mit Nam June Paik und Wolf Vostell genannt. Diese Medienkünstler setzten sich schon in den Sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts künstlerisch mit dem aufkommenden Massenmedium Fernsehen auseinander. Paik verzerrte Fernsehbilder mit Magneten bis zur Unkenntlichkeit. Vostell vergrub Geräte, die zerstört oder mit Stacheldraht umwickelt wurden. Kahlen verspiegelte die Bildröhre und machte damit den Raum des Betrachters zum Inhalt des Fernsehers. Das Aufkommen des neuen Massenmediums bot reichlich Projektionsflächen für Auseinandersetzungen und kritische Betrachtungen.
Installationen von Kahlen waren in aller Welt zu sehen. Auf der Kasseler Documenta 6 stellte er 1977 Werke vor, mit denen er sich mit dem mittlerweile als Videorekorder tragbar gewordenen bewegten Bild auseinandersetzte.
1981 handelte er dem Berliner Senat eine von Einschüssen und Bomben zerfetzte ehemalige Fabrikantenvilla in der Dahlemer Hittorfstraße 5 ab, die er »Ruine der Künste« taufte. Hier errichtete er gemeinsam mit seinem Sohn Timo einen privaten Ort »für materielle und immaterielle Künste«, wie das Schild am Gartentor verkündet. Die piekfeine Dahlemer Nachbarschaft betrachtet seine Ruine bis heute als Stachel im Fleisch gepflegter Bürgerlichkeit.
Kahlen betont hingegen den Status der Ruine als architektonische Skulptur. Der Krieg hat das Äußere des Hauses gestaltet, das unangetastet blieb. Der Künstler sanierte den Innenraum und schuf Ausstellungsräume für internationale avantgardistische Künstler aller Genres, die installativ, performativ, musikalisch, textlich und skulptural arbeiten. Er verband das morbide Gemäuer mit moderner Kunst, Holz, Eisen, Granitstein, Pflanzen und Klanginstallationen. Auch der verwilderte Garten ist Teil des Gesamtkunstwerks und offenbart kleine Installationen und andere Überraschungen.
Seit 35 Jahren werden in diesem versteckten Kleinod Ausstellungen gezeigt, die Interessierte am Wochenende kostenfrei ansehen können. Finanziert wird alles von Kahlen selbst, der viele Jahre als Professor im Fachbereich Architektur an der TU Berlin Geld verdiente, das er anschließend investierte.
Wolf Kahlen auch in Bernau aktiv
In Bernau betreibt Wolf Kahlen seit 2005 mit dem Wolf- Kahlen-Museum in der Grünstraße 16 einen weiteren privaten Kunstort. An jedem ersten Sonntag im Monat werden ausgewählte Filme aus dem Gesamtwerk von inzwischen 160 Videos des Künstlers gezeigt. Dort sind auch Videodokumentationen aus dem Himalaya zu sehen, die der Medienpionier auf Reisen durch Bhutan, Sikkim, Nepal, Indien, Mongolei und Tibet gedreht hat. Und wer Glück hat, erlebt den kauzigen alten Herrn persönlich und kann sich mit ihm formidabel über Kunsttheorie unterhalten.