»Der Mensch« ist laut Nietzsche »ein Wesen, auf dem Rücken eines Tigers in Träumen hängend«. Mit Hilfe der richtigen Schlüssel kann er sein Bewusstseinszimmer verlassen und in Abgründe hinab steigen, um die Feuer des Unbewussten zu suchen. Unter der Oberfläche seines Wachbewusstseins kann er fündig werden und verborgene Dimensionen erschließen.
Wilhelm Ruprecht Frielings Ratgeber »Wie Autoren ihre unbewussten Kräfte aktiv nutzen können« motiviert kreative Köpfe, bewusst zu sich selbst zu finden, Ängste abzubauen und innere Schranken zu öffnen. Er hilft, unbewusste Kräfte aktiv zu nutzen und damit bessere Texte zu schreiben.
Eine Leseprobe.
Wie man ein literarisches Kunstwerk schafft
Schriftsteller sind Sprachbildner, die schriftlich erzählen können. Dies stellen sie durch ihre Texte in vielfältigster Form unter Beweis. Es ist zweitrangig, in welchen Verhältnissen ein Autor aufwuchs, welche Ausbildung er genossen hat oder welchen Brotberuf er ausübt. Seine Motivation ist die Lust am Erzählen, und er trainiert die Fähigkeit, dies schriftlich zu leisten.
Schriftsteller malen Bildfolgen in Worten auf Papier und erwecken diese zum Leben. Sie arbeiten mit Text und thematisieren Erlebnisse, Erinnerungen, Empfindungen und Erdachtes. Schriftsteller wohnen in einer Welt kunstvoll gesetzter Worte und Begriffe. Schreibend sind sie.
Indem ein Mensch sich schriftlich äußert, tritt er in die aktive Auseinandersetzung mit seiner Umwelt ein. Er beginnt sich dabei schöpferisch zu erfahren und zu verändern. Schriftsteller unterscheiden sich von ihren Mitmenschen dadurch, dass sie Gedanken, Gefühle, Einfälle und Ideen niederschreiben und verarbeiten. Persönliches, Autobiographisches, Erlebtes und Empfundenes wird dabei stets mit zu Papier gebracht und geschildert. Es gibt kein Werk der Weltliteratur, dem diese persönliche Komponente fehlt.
In der Kombination von Phantasie und der Verarbeitung des kollektiven Unbewussten können literarische Kunstwerke reifen. Es ist hohes Ziel jedes Autors, Werke zu schaffen, die über den Tag hinaus bestehen. Dabei spielt die Verarbeitung sowohl des gemeinschaftlichen wie auch des individuellen Wissens eine Hauptrolle. Auf diese Weise kann ein literarisches Werk zum Kunstwerk reifen.
Ein literarisches Kunstwerk erhält seinen besonderen Rang dadurch, dass es sich weit über das Persönlich-Private erhebt und aus dem Geist und Herzen und für den Geist und das Herz der Menschheit spricht. Kunstwerke entstehen, indem Mächte des Unbewussten bewusst freigesetzt werden.
Es ist kaum das erklärte Ziel eines kreativen Menschen, der sich der Faszination des Schreibens hingibt, gleich die Produktion unsterblicher Kunstwerke in Angriff nehmen zu wollen. Dies ergibt sich im Verlaufe eines schaffensreichen Lebens vielleicht eines Tages zwangsläufig. Zuerst einmal geht es weitaus weniger anspruchsvoll darum, sich im sprachlichen Ausdruck zu üben. Es heißt, seine Gedanken zu sammeln, diese in Worte zu kleiden und Bilder aus den Tiefen des inneren Ichs strömen zu lassen.
Im nächsten Schritt will sich der Autor dem Leser zu stellen, ein sachverständiges Publikum finden und veröffentlichen. Denn ohne Frage zielt alles Schreiben auf Kommunikation mit dem meist unbekannten Leser. Dieses Zwiegespräch findet am besten im Rahmen einer Veröffentlichung statt. Gerade deshalb ist das eigene Buch hohes Ziel eines jeden Menschen, der schreibt. Darum suchen Autoren zwangsläufig Verleger.
Auch der Genius Goethe träumte Zeit seines Lebens von Büchern. Er finanzierte deshalb auch in Ermangelung eines Verlegers seine ersten Veröffentlichungen aus eigener Tasche und betrat aus eigener Initiative die literarische Bühne. Über den berühmten Götz von Berlichingen, den Goethe wie Die Mitschuldigen selbst herausgab, notierte der Meister: Mir gefiel es gar nicht übel, meine wilde dramatische Skizze nach und nach in sauberen Aushängebogen zu sehen; sie nahm sich wirklich reinlicher aus, als ich selbst gedacht.
Tatsächlich stellt das Schreiben weitaus mehr dar als die Verwirklichung eines persönlichen Traums. Allein die Möglichkeit einer direkten persönlichen Einwirkung noch nach Jahrhunderten ergibt einen berauschenden historischen Hintergrund, schrieb Arno Schmidt, der selbst die alten vergilbten Bändchen irgendeines Lieblingsdichters entzückt gelesen und ehrfürchtig hin und her gewendet hat.
Der Autor von Zettels Traum und anderen Werken, der sich wie kaum ein anderer intensiv mit der Philosophie des Schreibens auseinandergesetzt hat, dachte konsequent. Schmidt bezeichnete das gedruckte Buch als das wohl handgreiflich-größte Stückchen „Unsterblichkeit“, das uns Menschen erreichbar ist.
Unsterblichkeit aber heißt, so sagt ein uraltes chinesisches Sprichwort, ein Mensch stirbt, und seine Worte leben. In der Unsterblichkeit des Wortes schließlich gründet das eigentliche Geheimnis der Kunst des Schreibens.
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