Patricia Strunk zeigt aus dem Fenster ihres Hauses in Berlin-Wilmersdorf und fragt: »Siehst du Reineke?« Von hier aus beobachtet die Autorin das bunte Treiben der Stadtnatur, darunter Eichhörnchen, Vögel und einen Fuchs, der durch den Grüngürtel streift und auf Mäuse und Ratten lauert. Auf dem Tisch liegt ihr jüngstes Buch »Geschichten aus dem Garten: Erlebnisse mit Eichhörnchen, Füchsen und Co.«
Die Welt der Patricia Strunk
Patricia Strunk wurde 1971 im Zeichen des Steinbocks geboren und wuchs als Einzelkind einer kunstfernen Beamtenfamilie auf. Ihr Vater hatte den Wunsch, Architekt zu werden, studierte jedoch letztendlich Betriebswirtschaft und arbeitete in der Verwaltung. Lediglich die älteste Schwester ihrer Oma soll beinahe auf einer Kunsthochschule gelandet sein, wenn sie denn nicht einen Bauern hätte heiraten müssen.
Trizi wie sie von ihren Schulkameradinnen genannt wird, lernt Blockflöte spielen – eine Strafe, die vielen Mädchen auferlegt wird. Obwohl sie das Spielen an sich mag, hasst sie es, jedes Weihnachtsfest vor Publikum vorspielen zu müssen. Eines Abends im Alter von 15 Jahren wirft sie die Flöte mit voller Wucht die Kellertreppe hinunter und beschließt, nie wieder zu spielen. »Da musste ich nicht mehr spielen«, lacht sie heute.
In ihrem Elternhaus wird das Lesen großgeschrieben. Der Vater nimmt sich immer Zeit, um Geschichten vorzulesen. Besonders gerne mag er tschechische Schelmengeschichten, die sie aus der DDR bekommen. Werke wie »Münchhausen«, »Till Eulenspiegel« und »Gullivers Reisen« gehören zu den Büchern, an die sich Patricia lebhaft erinnert. Ihr absolutes Lieblingsbuch wird jedoch »Alice im Wunderland« von Lewis Carroll, das sie beinahe auswendig kennt.
Aus der DDR kommen auch Märchen aus aller Welt, wodurch ihr Horizont schnell über die Gebrüder Grimm hinauswächst. Sie liebt Abenteuergeschichten von Enid Blyton wie die Geschichten um die Zwillinge Tina und Tini, die zusammen mit ihren Freunden viele spannende Fälle lösen. Doch auch Karl May und James Fenimore Cooper, eigentlich typische Jungenliteratur, werden von ihr verschlungen – außerdem dieJugendbuchreihe »Die Söhne der großen Bärin« von Liselotte Welskopf-Henrich. Die Abenteuer des jungen Indianers Tokei-ihto und seiner Freunde im späten 19. Jahrhundert faszinieren sie. Die Klassiker der Jugendliteratur wurden mehrfach verfilmt und begeistern auch international eine große Leserschaft. Welskopf-Henrich selbst war eine engagierte Antifaschistin und Naturschützerin, die sich zeitlebens für den Schutz und die Würde der Indianer einsetzte. Das passt zu der zurückhaltend streng wirkenden Patricia Strunk, die gerne durch den Berliner Grunewald streift.
Das Mädchen ist begeistert von Streifzügen durch die Natur und klettert lieber auf Bäume als mit Puppen zu spielen. Ihre Liebe zur Fantasyliteratur entdeckt sie dann bei David Eddings und seinem fünfbändigen Roman » Belgariad«,., in dem sich eine Gruppe von jungen Helden auf eine epische Reise begibt, um die Welt vor dem drohenden Untergang zu retten..
Patricia Strunk: Begeistert von High Fantasy
Patricia Strunk beginnt selbst zu schreiben, aber während sie nie einen Plot bis zum Ende durchdenkt und dadurch mit dem Erzählfluss ins Straucheln kommt, begeistern sie komplexe mythologische Hintergründe, geheimnisvolle Orte, fiktive Kreaturen und vielschichtige Charaktere der High Fantasy. Ihr erstes Werk, ein Abenteuerspielbuch nach den Vorbildern von Steve Jackson und Ian Livingstone, schreibt sie während ihrer Abiturzeit. Dabei muss sich der Leser selbst den Weg erspielen und am Ende jedes Abschnitts entscheiden, wie es weitergeht. Dazu ersinnt sie verschiedene Varianten, von denen aber nur eine zum Ziel führt.
Zunächst schreibt sie mit einem Füllfederhalter, dann mit einer Schreibmaschine und lässt schließlich mit Hilfe eines Studenten alles in den Computer einlesen. Das Manuskript bearbeitet sie immer wieder und hält daran fest, es zu veröffentlichen. Sie besucht die Buchmessen in Leipzig und Frankfurt und erfährt sogar Interesse von einem Verlag, jedoch verlassen die Lektoren den Verlag und das Projekt scheitert. Am Ende veröffentlicht sie im Selfpublishing.
Ohne große Partys, Ablenkungen durch Drogen oder Depressionen konzentriert sich Patricia auf ihr Studium. Eigentlich hat sie den Wunsch, Kunst zu studieren, aber sie hält sich nicht für gut genug. Stattdessen bewirbt sie sich für Jura und beginnt mit dem Studium von Latein und Religion, bevor sie schließlich eine Zulassung für Rechtswissenschaften erhält.
Ein Professor für bürgerliches Recht begeistert sie für das Fachgebiet und sie bleibt hängen. Obwohl sie es später bereut, hält sie durch und besteht beide juristische Staatsexamen. Doch nach neun Monaten als Anwältin findet sie keine Erfüllung in diesem Beruf.
Nebenher studiert sie Webdesign und belegt Kurse bei Deutschlands größter Autoren-Akademie, der »Schule des Schreibens«. Obwohl das Fernstudium hohe Kosten verursacht, schließt sie es erfolgreich ab. Bei der „Stiftung Preußische Schlösser und Gärten« entdeckt sie ihre Leidenschaft für Führungen und arbeitet 20 Jahre lang in diesem Bereich, während sie sich gleichzeitig um ihre Eltern kümmert.
Inagi: High-Fantasy-Saga in drei Bänden
Nebenher findet Patricia Strunk endlich wieder Zeit und Lust zum Schreiben. Sie schafft es, einen Plot bis zum Ende durchzuhalten und hält plötzlich ihren ersten Roman in Händen. Es ist eine epische High-Fantasy-Saga in einem asiatischen Setting, in der eine junge Frau namens Ishira alles aufs Spiel setzt, um die Zukunft ihrer Heimat zu retten. Im Jahr 2011 erscheint »Inagi« als E-Book. Schon während des Schreibens wird der Autorin klar, dass die komplexe Geschichte mehr als einen Band benötigt. Letztendlich entstehen drei Bände, die die Leser*innen in eine faszinierende Welt voller Konflikte und Gefahren entführen. Das zentrale Thema des Romans ist die Ausbeutung von Mensch und Umwelt. Die Drachen stehen dabei für die unkontrollierbaren Naturgewalten.
Patricia kauft sich einen Kindle, um ihr Buch selbst auf einem Reader lesen zu können. Aus Marketingüberlegungen bietet sie den Titel für zwei Wochen kostenlos an, und schnell tauchen die ersten Rezensionen auf Amazon von ihr unbekannten Lesern auf. Diese Bestätigung motiviert sie und inspiriert sie zum Weiterschreiben. »Ich hatte das Gefühl, dass ich richtig angefangen hatte und es auch zu Ende bringen wollte«, erinnert sie.
Der zweite und dritte Band fallen ihr leichter, da sie bereits mit den Charakteren und dem Handlungsort vertraut ist. Sie schreibt munter weiter, die Worte fließen fast von alleine. Eine Grafikstudentin bietet an, ein Cover für den zweiten Band zu gestalten und Patricia ist von den Entwürfen begeistert. Die Umschläge aller drei Bände werden auf der Basis des Gesichts eines japanischen Mädchens neugestaltet. Obwohl sie nur mit Word arbeitet, gestaltet sie die Innenteile selbst und inzwischen sind die Bände auch als ansprechende Paperbacks erhältlich.
Patricia Strunk erzielt 90 Prozent ihres Umsatzes mit E-Books, während die restlichen zehn Prozent auf Papierbücher entfallen. Insgesamt hat sie fast zehntausend Bücher an ihre Leser verkauft. Anschließend veröffentlichte sie zwei Bände der Fantasy-Reihe »Nixenherz«. Die Geschichte dreht sich um Yrssa, eine Flussnixe, die ihrer Magie beraubt wird und im Körper eines Menschenmädchens strandet. Entschlossen, ihr Herz von dem verräterischen König zurückzuholen, der es ihr vor einem Vierteljahrhundert aus der Brust geschnitten hat, begibt sie sich auf eine gefährliche Mission.
Nachdem sie das Spielebuch umgeschrieben hat, fügt Patricia Strunk weitere Rätsel und Illustrationen hinzu, um es noch interessanter zu machen. Inzwischen ist es auch als Papierbuch erhältlich. Alle Strunk-Titel werden mit dem Versalbuchstaben »Q«, das ist das »Qindie«-Logo, auf dem Titel gekennzeichnet. Qindie ist eine Autorenvereinigung und zugleich eine Wort- und Bildmarke, die für Qualität und Indie-Autoren, also für Selfpublisher, steht. Die Initiative entstand mit dem Ziel, eine Schneise in den kaum zu durchdringenden Dschungel aus oft lieblos und schlecht gemachten Indie-Publikationen zu schlagen und dem Leser den Weg zu professionell erstellten Büchern zu weisen.
Mit Qindie beteiligt sich Patricia auch an Buchmessen und Anthologien düsterer Fantasy-Geschichten. Sie ist Mitglied des des Selfpublisher-Verbands. Trotz der Vielzahl ihrer Veröffentlichungen kann die Autorin nicht allein vom Schreiben leben. Ihr Haupterwerb liegt inzwischen in ihrer Tätigkeit als Dozentin für Recht und Arbeitsorganisation, wofür ihr abgeschlossenes Jurastudium von großem Vorteil ist.
In der Zeit der Corona-Pandemie und nach dem Tod ihrer Eltern verbringt Patricia unverhofft viel Zeit in ihrem Garten und bemerkt all die tierischen Besucher, die sich dort tummeln. Von leuchtend roten Eichhörnchen über Füchse und Waschbären bis hin zu Amseln und Insekten – sie alle bieten ein buntes Treiben, das Patricia dazu inspiriert, ihre Erlebnisse in Worte zu fassen. So entsteht ihr Buch »Geschichten aus dem Garten«, das kurzweilige Anekdoten von Wildtieren zusammenfasst und als kleine Auszeit für die Seele dient. Dabei greift sie auf Bildkompositionen zurück, die von einer Künstlichen Intelligenz generiert wurden, mit der sie in kurzer Zeit gute Erfahrungen sammelt.
Patricia ist inzwischen wieder in der Fantasy-Szene aktiv und widmet sich nun den japanischen Dämonen und Gestaltwandlern, den sogenannten Yokai, die in der japanischen Mythologie und Folklore eine wichtige Rolle spielen. Diese übernatürlichen Wesen können verschiedene Formen und Größen annehmen und werden in der Regel als unheimlich oder böse empfunden. Bekannte Beispiele sind das Kappa, ein wasserliebendes Wesen mit einem Schildkrötenpanzer und Schnabel, der Oni, ein roter oder blauer Dämon mit Hörnern und Reißzähnen, und der Kitsune, ein Fuchsgeist oder Gestaltwandler.
Um sich in das Thema einzuarbeiten, liest Patricia japanische Märchen und Legenden und schaut Animes. Auch Samurai-Filme, in denen es ordentlich zur Sache geht, begeistern sie. Obwohl sie eher kühl und reserviert wirkt, blitzt die Autorin auf und lässt ihrer lebhaften Fantasie freien Lauf, wenn es um die Schilderung von Kämpfen und Konflikten in ihren Geschichten geht.
Patricia Strunk hat die Idee für ihr neues Werk bereits festgelegt, ebenso wie Charaktere und Setting. Doch im Prozess des Schreibens kann sich noch manches ändern. Sie veranschlagt etwa zwei Jahre für die Fertigstellung des Buches. Bis zum Frühjahr 2025 dürfen wir also gespannt warten, was uns die Autorin mit der ungewöhnlichen Karriere Neues zu berichten hat.