Kannibalenschau?
Große Kannibalenschau?
Ein derartiger Buchtitel weckt Erwartungen. Schließlich entspricht es den Tatsachen, dass noch bis 1940 exotisch aussehende Menschen von anderen Kontinenten durch deutsche Lande tourten und in Tierparks und Zoologischen Gärten ausgestellt wurden. Sie mussten teilweise sogar rohes Fleisch essen, um als Kannibalen durchzugehen.
Die in Scharen herbeiströmenden Besucher durften dann vor „artgerecht“ gestalteten Anlagen die dort gefangenen „Wilden“ bestaunen und ihrer Phantasie über die angeblichen Menschenfresser freien Lauf lassen. Als Völkerschauen bezeichnete spektakuläre Wanderausstellungen präsentierten dem Publikum wilde Amazonen aus Schwarzafrika, dick vermummte Arktisbewohner und unergründlich lächelnde Asiaten.
Es mag seltsam scheinen, was vor einem Jahrhundert in deutschen Zoos geschah und mit welch kolonialer Überheblichkeit die weiße Herrenrasse andere Völker und Kulturen öffentlich zur Schau stellte. Doch während heute bereits die Verwendung von Begriffen wie Neger, Eskimo und Zigeuner als politisch inkorrekt gegeißelt wird, war es für unsere Urgroßeltern vollkommen normal, die derartigen Begriffen zugeordneten Zweibeiner selbst öffentlich vorzuführen und zu begaffen.
Vor diesem Hintergrund beschreibt Fischer in Romanform die Expedition eines Tierhändlers nach Deutsch-Neuguinea. Im Auftrag des Tierparkbesitzers Hagenbeck soll er dort besonders exotische Lebewesen aufspüren und an die Elbe bringen. Im Wettlauf mit einem französischen Veranstalter von Völkerschauen gelingt es ihm, einen Stamm Kopfgeldjäger unter Vertrag zu nehmen und nach Hamburg zu verfrachten. Doch die vermeintlich Wilden lernen schnell die Tricks und Kniffe ihrer Vertragspartner, und bald sehen sich die Herrenmenschen mit Forderungen und Streiks konfrontiert.
Christian „CKLKH“ Fischer erzählt seine phantasievolle Geschichte mittels zweier sich konsequent abwechselnder Erzählstränge (Hamburg und Neuguinea). Er betont dabei die grotesken Seiten des zoologischen Menschenhandels und beleuchtet das wechselseitige Unverständnis der heftig aufeinander prallenden Kulturen. Leider fehlen dem Band historische Illustrationen, die es wohl gibt, wenngleich viele Zoologische Gärten in den letzten Jahren einiges daran gesetzt haben, Bilddokumente in ihren Archiven zu verstecken.
Literarischer Höhepunkt ist das Gedankenbild, das Fischer ganz am Schluss seines Buches dem Leser in den Kopf pflanzt: Wie wäre es wohl, wenn Hagenbeck „typische“ Deutsche in einer eigenen Schau in afrikanischen Kralen und Wüstenoasen gezeigt hätte? Männer in Lederhose mit Dackel oder Schäferhund und Frauen im Dirndl würden Bier trinkend und Eisbein nagend unter einem erzgebirgisch geschmückten Tannenbaum hocken, Weihnachtslieder singen und ihren Nachwuchs in adretten Matrosenanzügen mit bunten Kinkerlitzchen verwöhnen.
Ihr Erscheinen und ihre harte Sprache würden bei den einheimischen Besuchern Entsetzen wie Heiterkeit hervorrufen, man würde ihnen Datteln in den Käfig werfen und Ziegenmilch anbieten Das Ganze ergäbe eine urdeutsche Kannibalenschau, deren Exotik viel Geld in die Taschen der Veranstalter spülen und das Deutschtum in aller Welt bekannt machen könnte
CKLKH Fischer: Große Kannibalenschau. Roman
Periplaneta, Berlin 2010, 13,00
ISBN 978-3-940767-60-8
Ein lohnendes Thema. Schade, dass es nicht besser umgesetzt ist.
Oh ja, Illustrationen wären bestimmt schön gewesen (vor allem bei den angesprochenen Mängeln!), aber das hört sich trotzdem interessant an!
Das Thema ist schwer zu fassen. Fischer versucht es auf die schräg-groteske Tour. Da hätte er m.E. allerdings wesentlich mehr Gas geben müssen, um einen mitreißenden Roman hinzulegen.
Seit Jahren bin ich auf der Suche nach einem Foto, das Lippenneger in einem Gitterkäfig des (Berliner?) Zoologischen Gartens zeigt. Leider finde ich trotz intensiver Suche die Quelle nicht mehr. Das Bild wäre der Hammer zum Thema.
Ich lese gerade über einen eingefrorenen Rabbi, der nach 100 Jahren auftaut, eine originelle Idee, aber (noch) nicht ganz überzeugend.
Vielleicht ist es besser, die Kühlung für den Rabbi noch einmal aufzudrehen
Ich stelle mir übrigens vor, wie sich eine Völkerschau mit deutschen Politikern machen würde: Merkeline, Westerwilli und all die anderen Figuren spielen für andere Völker Demokratie den Rabbi könnte man locker dazu packen – die könnten sich dann jeden Abend als Höhepunkt neu versöhnen
Ja, das wäre faszinierend, und als Überraschungsgast vertilgt Kohl eine Portion Saumagen!
Klasse! Dazu eine Portion byerischer Gebirgsjäger unter Führung von Stoiber, der eine äh-äh-Grundsatzrede hält!
Und Braunbär Bruno, der blutige Rache nimmt!
Bruno tritt gemeinsam mit Schnapp-Schnapp-Schnappi, dem kleinen Krokodil auf.
http://www.youtube.com/watch?v=Zgp6mTzlQyw
Rainer Langhans reloaded???
Wie er gerade mit der Urne von Fritze Teufel jongliert!
Ich wüsste gern ob es so etwas in Hagenbecks Tierpark enefalls gegeben hat…
Ja sicher, Hagenbeck war berühmt dafür. Das untere Foto stammt von Hagenbeck.
Stiimt , jetzt hab ich erst die Schrift bemerkt , ts ts ts….
🙂
Ich kämpfe auch für kleine Buchstaben! 😉
Vielleicht gibt es ja bald wieder solche „Dörfer“ mit so komischen Figuren wie Arno Dübel , der Katzenberger und Verona Feldbusch….
🙂
damit wäre auch geklärt, wieso der Langhans ins nächste Dschungelcamp geht ;D
Beim perfekten Promi-Dinner am Sonntag ist er auch dabei. Und wahrscheinlich nächstes Jahr bei Germany’s Next Top-Trottel.