Lutz Görner ist tot
Deutschlands bekanntester Rezitator aus der Zeit, als die Menschen noch das Zuhören beherrschten, ist in den Bücherhimmel aufgestiegen. Lutz Görner ist tot.
Lutz Görner wurde durch das Fernsehen bekannt. Von 1993 bis 2010 führte er sonntagmorgens durch eine feste Sendung auf 3sat. Seine 200-teilige Serie »Lyrik für alle«, eine kleine gesprochene Literaturgeschichte der Lyrik vom Barock bis heute, scharte eine treue Hörerschaft um sich. Diese traf ihn auch auf zahlreichen Rezitationsabenden, bei denen er Werke von Heine, Brecht und anderen deutschsprachigen Dichtern vorstellte.
Görners Rezitationskunst stand in der Tradition des Vortrags epischer Gedichte, wie dem »Nibelungenlied« oder »Beowulf«, die zur Unterhaltung und Bildung an Höfen und in Klöstern von Minnesängern und Barden praktiziert wurden.
Hunderttausenden ermöglichte er mittels seiner Kunst die Entdeckung der Meisterwerke deutscher Dichtkunst. Sein Aufstieg zum führenden Rezitator deutscher Sprache war kein Zufall: In seiner Person vereinten sich schauspielerisches Talent und rhetorische Begabung mit umfassender Bühnenerfahrung und der Akribie eines Forschers, der Jahre in die Vorbereitung eines einzigen Programms investierte.
»Jeder der geht
belehrt uns ein wenig
über uns selber.
Kostbarster Unterricht
an den Sterbebetten.
Alle Spiegel so klar
wie ein See nach großem Regen,
ehe der dunstige Tag
die Bilder wieder verwischt.«
Mit seiner sonoren Stimme, die tief aus seinem Inneren kam, erreichte er resonant und klangvoll die Ohren seiner Zuhörer, die ihm jahrzehntelang dankbar die Treue hielten und sich um die umfangreichen CD-Boxen rissen, die der geschäftstüchtige Künstler in beeindruckenden Auflagen herausbrachte.
Im letzten Lebensjahrzehnt trat Lutz Görner noch im Rahmen von ihm inszenierter und begleiteter Klavierabende auf. Diese Abende waren eine Mischung aus Literatur und Musik, hauptsächlich von Komponisten des 19. Jahrhunderts. Es entstanden Programme über Franz Liszt, Frédéric Chopin, Richard Wagner, Ludwig van Beethoven, Franz Schubert, Giacomo Meyerbeer, Robert Schumann sowie italienische Musik von Rossini, Donizetti und Bellini.
Einer seiner Lieblingskünstler war Max Ernst. Als wir im April 2005 in der Berliner Nationalgalerie seine Skulptur »Capricorn« sahen, wurde mir klar, was meinen Freund Lutz Görner mit Max Ernst verband.
Der Titel der Skulptur, »Steinbock«, deutet schon auf den gemeinsamen Nenner hin: Steinböcke sind hart und diszipliniert und setzen hohe Standards, sowohl für sich selbst als auch für andere. Sie agieren zielstrebig und ambitioniert, mit einem starken Wunsch, in ihrem Beruf und anderen Lebensbereichen erfolgreich zu sein. Lutz Görner war ein Expressionist, Dadaist, Surrealist, Dichter und Denker, der gern strahlte. Für seinen handverlesenen Freundeskreis war er ein bisweilen schwieriger Typ. Nun hat sein facettenreiches, kreatives Genie sein inspirierendes Spiel beendet.
Ruhe in Frieden!
Prinz Rupi
»Nur durch die Liebe und den Tod berührt der Mensch das Unsterbliche. «
Alexandre Dumas fils
«
Lutz Görner hat meine Frau und mich vor allem während unserer Kölner Jahre sehr oft begleitet. Wir konnten diesem kreativen Menschen bei mehreren Veranstaltungen in seinem „Lutz Görners Reziteater“ (ohne „h“) erleben und bewundern. Unter anderem hörten wir ihn in den Kölner Kammerspielen (zu der Zeit angesiedelt im Rautenstrauch-Jost-Museum am Ubierring) am 16.11.1984. Wir erwarben damals sein ganz neu erschienenes Buch „Balladen für Kinder“ (Klassik zum Zuhören und Selberlesen) mit innenliegender Kassette! Die Musik darin und an dem o. g. Abend spielte Ulrich Türk und die Zeichnungen und Buchgestaltung des Buches stammten von Carlo Schellemann.
Des Weiteren erlebten wir ihn (z. T. mit unseren Kindern) in seiner Ballade vom „Rattenfänger von Hameln“, in „Goethe für alle“ und in „Die verbrannten Dichter“.
In Berlin hatten wir Lutz Görner vor ein paar Jahren wieder entdeckt. Er bot Veranstaltungen an zu denen wir uns angemeldet hatten. Leider vielen sie der Corona-Pandemie zum Opfer.
Nun ist er leider nicht mehr unter uns, der gebürtige Zwickauer konnte seinen 80. nicht mehr erleben. Wir werden ihn in sehr guter Erinnerung behalten
Lutz und Hanne Meyer
Nachfolgend noch eine paar Sätze zu Max Ernst, da er im Nachruf mit Lutz Görner erwähnt wird. Ich selbst habe einige Zeit in Brühl, der Geburtsstadt von Max Ernst, gelebt und kann mich gut an die späteren Querelen über die angebotene Ehrenbürgerschaft der Stadt Brühl (nach langjährigen Überlegungen) an seinen berühmtesten Sohn zum 75. Geburtstag 1966 erinnern. Er lehnte sie wegen übler Machenschaften der Stadt Brühl (sie hatte ein von ihm geschenktes Bild 1951 für 800 Dollar verkauft) ab.
Tipp: Sehr empfehlenswert ist das 2005 in Brühl eröffnete – weltweit einzige Max-Ernst-Museum- das die Werke dieses bedeutenden Künstlers zeigt.
Herzlichen Dank für deine ergänzenden Worte, lieber Lutz!
Lutz Görner, ein großartiger Künstler, fesselnder Rezitator, ja einer der Großen hat uns verlassen.
Karin Kulmer, ich möchte Dich in die Arme nehmen und versuchen, Dich ein wenig zu trösten.
Seit fünfzig Jahren gehöre ich zu den Anhängern Lutz Görners und bin sehr traurig. In meinen Gedanken ist Lutz Görner nicht tot, sondern nur an einem anderen Platz. Ich denke, auf dem Parnass ist ein Platz für Dich reserviert und Du wirst einem großen Zuhörerkreis um Dich versammeln. Dank meines Alters werde ich bald zu denen gehören, die Deine betörende Stimme weiter hören.
Heinz Köhler
Lutz Görner war ein wahrhaft großer Künstler. Ich habe viele seiner Vorträge besucht, ob in Bonn, Köln, Berlin, Bad Neuenahr-Ahrweiler. Ich besitze viele seiner herausgegebenen CDs und auch das sagenhafte Video über meinen Lieblingsdichter Ringelnatz aus dem Bonner Pantheon. Und natürlich die Videos seiner Gedichtvorträge auf 3SAT. Lutz Görner hat mir viel viel Freude bereitet, auch mit seinen Vorträgen in Verbindung mit der Klaviermusik der Pianistin Nadia Singer. Lutz Görner hat einen immensen Kulturbeitrag mit seinen Rezitationen für Jung und Alt geliefert. Dafür müsste ihm posthum das Bundesverdienstkreuz verliehen werden (wenn das ginge). Lange Rede, kurzer Sinn: Ich bin traurig und wünsche seiner Familie viel Kraft. Lutz Görner fehlt mir so! Ich habe den Spiegel Verlag gebeten, über Lutz Görner einen angemessenen Kulturbeitrag zu fertigen.
Mein treuer Wegbegleiter mit seinen Rezitationen, Lutz Görner ist verstorben und ich habe es erst jetzt erfahren, Ich danke ihm für 100 Gedichte, die ich auswendig kann. In großer Verehrung und Wertschätzung Franz Harlander