Können Männer
Romance schreiben?
Self-Publisher Marcus Wächtler packte den Stier bei den Hörnern. Er veröffentlichte 2017 »Herzen hopsen nicht« mit dem ausdrücklichen Hinweis auf dem Cover »Wenn ein Mann einen Liebesroman schreibt«. Der gebürtige Freiberger beschreibt darin die sehnsuchtsvolle Suche eines DJ nach einer Frau, die sein Herz zum Explodieren bringt. Eine Playlist begleitet durch die Nacht, von der sein Protagonist Finn erzählt. Leserinnen betonen, dass ihnen dadurch die durch Lieder gegliederte Story näherkommt.
Wächtler, der sonst lieber Krimis schreibt, ist nach einem Magisterstudium in Politikwissenschaften als selbstständiger Veranstaltungs- und Eventmanager und seit 2005 als DJ und Tontechniker tätig. Es dürfte also einiges an eigenem Erleben in das Buch geflossen sein. Er bezeichnet sein Buch als »romantisches« Werk und erklärt auf Befragen: »Ein romantisches Buch – geschrieben von einem Mann – ist schon ein ziemliches Alleinstellungsmerkmal.«
Ob das jedoch reicht? Wäre es vielleicht unter Verkaufsabsichten einfacher gewesen, sich einen weiblichen Decknamen, also ein Pseudonym, zu geben? – Marcus Wächtler: »Ich hatte nie mit dem Gedanken gespielt, mein Buch „Herzen hopsen nicht“ unter einem Pseudonym zu veröffentlichen. Gerade der Sektor der romantischen Literatur ist sehr kurzlebig und wird beständig mit 99-Cent-Werken überflutet.« – Nach dem Versuch der bewussten Markenbildung klingt das nicht.
Männer schreiben unter Pseudonym
Der Berliner Autor Christian Raabe alias Christine Corbeau ist schon länger im »Romance«-Geschäft. »Wer will schon eine Null?« fragt einer seiner Titel. Auf der BuchBerlin treffe ich ihn an seinem Verkaufsstand. »Können Männer überhaupt was mit Liebe schreiben, Christian?«
»Ich finde schon,« meint Raabe. »Es ist sicherlich kein Kinderspiel, weil man darauf achten muss, nicht einfach nur die klischeehaften Vorstellungen zu bedienen, die das männliche Geschlecht von Frauen hat. Mir persönlich hat dabei die Wahl eines weiblich klingenden Pseudonyms geholfen – und zwar nicht nur im Sinne der Markenbildung, sondern tatsächlich, weil es mir hilft, beim Schreiben die Perspektive zu wechseln.«
Der Autor schlüpft also in eine weibliche Rolle und nimmt deren Sichtweise ein? »Wenn ich Christine bin, dann mache ich mir viel mehr Gedanken darüber, wie sich Situationen anfühlen, als sie einfach nur vom logischen Standpunkt her beschreiben zu wollen. Die vielen positiven Rückmeldungen von Leserinnen lassen mich hoffen, dass meine Strategie die richtige ist.«
Dietmar Hesse lebt in Hannover. Er veröffentlicht seine Romane unter dem Namen Dinah Herbst. Ihn fragte ich auf der LoveLetterConvention, ob Männer überhaupt Romance schreiben können.
»Dass „Mann“ das kann, dafür gibt es einige Beispiele. Ich habe es versucht, und Leserinnen meinten, dass es mir gelungen ist. Natürlich war die eine oder andere dabei, die es nicht gut fand.«
Hesse denkt einen Augenblick lang nach und ergänzt: »Ich finde es spannend, die Geschichte einer Liebe mal von der anderen Seite betrachten zu können. Den Blick zu schärfen für Fehler und Schwächen des männlichen Geschlechts. Es hat mich jedes Mal aufs Neue erstaunt, wie viel Mist wir in einer Beziehung so bauen können.«
Unter dem offenen Pseudonym Dinah Herbst hat der Autor inzwischen vier Romane mit Happy End vorgelegt. »Milchreis, Zimt und Liebe« – eine Norderney Geschichte – ist in Arbeit.
Auch Michael Meisheit ist einer derjenigen deutschen Self-Publisher, die sich eine Zweit-Karriere unter weiblichem Tarnnamen aufgebaut haben. Er veröffentlicht als Vanessa Mansini und gilt als einer der produktivsten und erfolgreichsten Romance-Autoren im deutschsprachigen Raum.
Meisheit meint zur Ausgangsfrage: »Natürlich kann ein Mann Romance schreiben. Er kann ja auch Romance erleben. Dadurch können sich sogar besondere Blickwinkel auf eine Geschichte ergeben.«
Ein Blick über den deutschen Rand
Das große literarische Vorbild männlicher Romance-Autoren ist Edward Morgan Forster. Sein Roman »Zimmer mit Aussicht« (im englischen Original A Room with a View) aus dem Jahr 1908 erzählt die Geschichte einer jungen Engländerin, Lucy Honeychurch, die während eines Aufenthalts in Italien einen unkonventionellen jungen Mann kennenlernt und sich in ihn verliebt. Der bekannte Roman ist gleichzeitig eine romantische Liebesgeschichte und eine Kritik der englischen Gesellschaft am Anfang des 20. Jahrhunderts. »Zimmer mit Aussicht« wird zusammen mit anderen Romanen von E. M. Forster zu den bedeutenden englischen Romanen zu Beginn des 20. Jahrhunderts gezählt.
Zum Kanon der Verfasser bekannter Liebesromane gehört aber auch »Anna Karenina« von Leo Tolstoi, in dem er meisterhaft russische Liebesqualen schildert.
Nicholas Evans ist spätestens seit seinem »Pferdeflüsterer« einer derjenigen Erzähler, die der Liebe einen erheblichen Stellenwert in ihren Romanen einräumen. In seinem Roman »Feuerspringer« setzt Evans dem Kampf um die wahre Liebe ein literarisches Denkmal.
Last but not least sei Nicholas Sparks genannt. Er schuf mit »Wie ein einziger Tag« eine gefühlvolle Liebesgeschichte, die international beachtet wurde. »Weit wie das Meer« ist ein weiteres Epos von Liebe und Leid aus Sparks Feder.
Auch Japans Autoren haben Romance für sich entdeckt: Haruki Murakami begeisterte seine Leser aus aller Welt mit »Naokos Lächeln: Nur eine Liebesgeschichte« und Kazuo Ishiguro überzeugte international mit »Was vom Tage übrig blieb«.
Die Frage, ob Männer Romance schreiben können, scheint damit beantwortet. Einzig der Aspekt, ob ein weibliches Pseudonym im Marketing hilft, bleibt offen.
Ich kapier den Artikel nicht. Geht es jetzt um Romance oder um Liebesromane? Du wirfst hier leider die Begriffe durcheinander, bzw. scheinst irgendwie auf das schmale Brett gekommen zu sein, dass diese beiden Begriffe synonym zu verwenden sind.
Nein, sind sie nicht.
Meisheit schreibt Romance.
Sparks schreibt Liebesromane.
Und beim Rest haben sich mir jetzt bedauerlicherweise die Synapsen verknotet. Bitte um Aufklärung! Hilfääää!
Tendenziell bin ich aber der Meinung, dass Männer beides schreiben können. Mein armes Gehirn zieht es allerdings vor, wenn sie das unter weiblichem Pseudonym machen.
Liebe Grüße von der Frau, die immer nur nörgeln kann. 😉
Liebe Sarah, es geht laut Headline um »Romance«. Dabei gestehe ich sowohl Autoren wie auch Rezipienten zu, nicht immer auf dem Stand der wissenschaftlichen Forschung zu sein, um die Unterschiede der Genres sauber anzuwenden und zu beherrschen.
Es gibt viele Autoren, die Liebesromane schreiben. Nicholas Sparks oder E. M. Forster sind dafür tatsächlich gute Beispiele. Bei Romance sieht die Sache schon anders aus. Die Zahl der männlichen Autoren ist – außerhalb der Gay Romance – verschwindend gering und nicht wenige verbergen ihr Geschlecht hinter einem weiblichen Pseudonym, da sie (anders als im Liebesroman-Bereich) anderenfalls mit Gewinneinbußen rechnen müssen. Insofern halte ich die Unterscheidung in diesem Beitrag für wichtig.
PS: Gerade an falscher Stelle geschrieben (Handys und ich ), den anderen kannst du gern löschen. Sorry .
Jetzt wüsste ich gerne die Kriterien, nach denen Sarah Baines Romance von Liebesromanen abgrenzt. Ich weiß nicht, wo ich da unterscheiden soll. Aber dass ein Mann Liebesromane schreiben kann, warum nicht? Irgendwo müssen doch die Männer sein, die in Liebesromanen den passenden Partner abgeben 🙂
Nicht ich, sondern die dazu gehörende Forschung. Ich hab das Genre nämlich nicht erfunden. Das hat sich in den zurückliegenden 50 Jahren tatsächlich ganz ohne mein Zutun entwickelt. 😉
Wenn Sie den Forschungsstand erfahren wollen, empfehle ich daher auch Seiten wie jene der RWA oder Blogs wie „Smart Bitches, Trashy Books“. Es ist ein ursprünglich US-amerikanisches Genre. Entsprechend muss man sich auch dort umschauen. Die deutsche Ignoranz scheint es leider unmöglich zu machen, dass man sich hier mit dem Thema (sinnvoll) auseinandersetzt.
Nein, mich interessiert nicht die „Forschung“ zu Romance. Hatte gehofft, von einer anscheinend gut informierten Expertin einige Stichworte erhalten zu können, die den Unterschied erklären könnten. Ob es „Ignoranz“ ist, und gar eine spezifisch deutsche, wenn eine kurze Erläuterung erbeten wurde, wage ich hier in einem – allerdings nicht trumpschen – Land zu bezweifeln.
Wenn Sie bereits von einer kleinen Recherche überfordert sind, werde ich nicht diejenige sein, die Ihnen selbige abnimmt. Ich habe dazu bereits an mehreren Stellen geschrieben und bin auf die klassische deutsche Ignoranz gestoßen.
I am not at your service
Es gibt viele Autoren, die Liebesromane schreiben. Nicholas Sparks oder E. M. Forster sind dafür tatsächlich gute Beispiele. Bei Romance sieht die Sache schon anders aus. Die Zahl der männlichen Autoren ist – außerhalb der Gay Romance – verschwindend gering und nicht wenige verbergen ihr Geschlecht hinter einem weiblichen Pseudonym, da sie (anders als im Liebesroman-Bereich) anderenfalls mit Gewinneinbußen rechnen müssen. Insofern halte ich die Unterscheidung in diesem Beitrag für wichtig.
Da gebe ich dir recht, liebe Nörglerin. Ich hätte den »Blick über den deutschen Rand« besser weggelassen und mich auf diejenigen konzentrieren sollen, die mit offenen Pseudos in den »Romance«-Markt trauen.
»Gay Romance« ist ein Spezialfall. Da ist mir kein einziger männlicher Autor bekannt, der ein weibliches Pseudo nutzt und offen damit umgeht. Aber vielleicht kannst du ein paar Namen ergänzen?
In der Gay Romance wüsste ich es zumindest nicht. Da muss ich auch passen.
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