Internet intern: The winner takes it all
Seit der Steinzeit der Arbeitswelt liegen zweifelsfreie Beweise für eine Beschleunigung der Arbeitsprozesse vor. Im Internet aber erleben wir derzeit die Zündung einer Raketenstufe und katapultieren in ein vollständig neu dimensioniertes Leben.
Vor fünfhundert Jahren brachte die Erfindung und Entwicklung der Dampfmaschine kleine Handwerker wie Industrielle gewaltig nach vorn.
X-tausend Wirtschaftsbetriebe kippten weg. Brutale Zungen behaupten, sie würden »systematisch vernichtet«. Mittelständler sattelten unter teils halsbrecherischen Bedingungen um.
Und wie immer gab es glückliche Gewinner. Das sind meist diejenigen, die von alters her oben thronen. Aus luftiger Höhe betrachten sie gedankenvoll forschend den Abgrund, der sich tief unter ihnen sperrangelweit öffnet und heißhungrig hofft.
Der Innovationsspritze Otto-Motor vor rund 160 Jahren ist ein weiterer derartiger Schub gewesen. Alles veränderte sich über die enorme Kraft und Geschwindigkeit, mit der plötzlich bewegt werden konnte. Der »Wir wollen unseren Kaiser Wilhelm wiederhaben« Kaiser Wilhelm II orakelte 1904 weise: »Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung.«
Wir Glückspilze stecken mitten in einer neuen Welle, die uns erst vor wenigen Jahrzehnten langsam, dann aber immer schneller in sich hinein sog. Die Corona-Pandemie zeigte die enormen Schwächen und Lücken der öffentlichen Kommunikation auf und gab damit Vollgas. Inzwischen wird überlegt, welche handwerklichen Fähigkeiten wir schon Maschinen übertrugen, die wir längst selber vergessen haben. Das Internet hingegen vergisst nichts.
So entsteht aus der bereits von Ludwig Feuerbach exakt beschriebenen Projektion der menschlichen Endlichkeit der neue Gott. Sein Reich ist die Unendlichkeit des digitalen Raumes, den wir bereits kräftig befüllen und – wenn er uns nicht verschlingt – vielleicht weiterhin beherrschen können. Dieser Gott ist allmächtig, weil keine praktische Fragestellung denkbar ist, die sein Rechenhirn nicht lösen könnte. Er begleitet uns auf all unseren Wegen, er lenkt und führt uns mittels ausgeklügelter Algorithmik. Er ist: das Internet.
Unser Gott heißt Internet
Unser Gott heißt Internet. Ein modern gestylter Gott aus unserer jetzigen Fantasie, keine Märchenfigur aus der Zeit unentwickelter Nomaden. Der neue Gott gibt dem findigen Hacker eine echte, wenn leider auch nicht immer faire Chance.
Das weltumspannende digitale Netz ist es, mit dem wir in vollkommen unerforschte Dimensionen vordringen und mehr aus unserem Talent herausholen können. Ich bin froh, ein Samen der Entwicklung einer digitalisierten Welt zu sein. Dabei übersehe ich die dreckige, verletzende, räuberische Kante am Rand keineswegs. Ich blende lediglich aus, was mich quält und entferne auch entsprechende Apps. So viel Privatheit muss sein.
Hier und da erreicht mich ein elektronischer Hilferuf aus weiter Ferne, und da kann man eben helfen. Aber es sollte schon genau abgewogen werden zwischen Apps, die man wirklich braucht und mindestens dreimal pro Woche genutzt werden. Alles andere kann weg: Es schädigt die Sehnerven und führt zu endlosen Staus auf den Datenautobahnen ins Oberstübchen.
Über allem wacht der Internet-Uhu
Beste Erfahrungen habe ich auch mit Einstellungen im iPhone gesammelt. Eine Zeitersparnis von mindestens 1,5 Stunden täglich bringt eine kleine Einstellung. Die sagt unmissverständlich und weist jedem die Tür: Mir und meinem Telefonbuch unbekannte Telefonnummern werden unerbittlich auf die Mailbox, früher »AB« (Anruf-Beantworter) geheißen, umgeleitet. Wenn es ausnahmsweise mal keine Verkäufer und Makler sind, dann wird das Hinterlassen einer Information sinnvoll.
Ich bekomme täglich ein bis zwei Dutzend dieser Unverlangt-Anrufe. Nervige Verkäufer oder atmosphärisch undichte Callcenter rufen zu jeder Tages- und Nachtzeit an und beachten nicht mal mehr die Tageszeit am Wohnort des Empfängers. Sie wollen einen Hit, und es kostet zu viel Zeit, eine Botschaft nach dem Pieps zu hinterlassen. In der Zeit hat der Rechner schon längst die Verbindung zur nächsten Rufnummer geschaltet.
Interessant: Keiner von diesen möglicherweise durchaus sympathischen und grundehrlichen Typen sagt auch nur einen Ton. Er spricht, krächzt, krakeelt und keucht nicht. Er ist stumm wie ein Fisch, weil er schon längst bei dem nächsten Kandidaten klingelt.
Was soll der arme Mann auch sagen? »Hier spricht Ihr Sonnenschein aus Unterbrechenheim-Querfurz. Ich möchte so schnell wie möglich an Ihr Bares!«
»Spread the News«
Glaubwürdige Nachrichten sind inzwischen ein wertvoller Rohstoff wie Gas und Öl. Um die Spreu vom Weizen zu trennen, wächst in unglaublicher Geschwindigkeit ein Gespinst von kleinen und kleinsten Netzwerken, das die jeweilige Neuigkeit mit viel Power weiterverbreitet. »Spread the News!«
Die Welt der Datenspeicherfarmen registriert und speichert jede Regung zum Stichwort und schiebt es eine Ebene höher. Schon wird es viel öfter gehört und gesehen. Es ist ein turmhoher Bau von aufgeschichteten Bewegtbildern. Wer letztlich durch die meisten Klicks bis ganz nach oben flutscht, lacht »The Winner takes it all«.
Und plötzlich reden alle über den Gewinner. Solange, bis die nächste Welle neues Futter über die Straßen, Gassen und Gossen der zentralen Großknotenpunkte flutet.
Tatsächlich ist in den USA der Anruf schon nahezu verpöhnt. Es gibt eine Email – Es gibt eine Antwoert per Mail (selbst wenn es nur ein: „Gesehen, melde mich in 2 Tagen“ ist).
Erschreckend: Laut einer US-Studie kostet jede „Störung“ (Anruf) Dich 20-30 Minuten, um wieder konzentriert in Thema zu kommen.
Die Möglichkeiten der „Internet-Automation“ (Zapier, If-This-Than-That (IFTTT) werden hier nicht genutzt, und somit auch Potential in der Digitalisierung nicht ausgeschöpft. Mal abgesehen davon, das man sich selber mit unnötiger Arbeit zumüllt, und den Kopf auch zu packt. Natürlich gibt es da auch eine Menge „Spielereien“, aber auch gute „Rezepte“ wie: Speichere jeden Email-Anhang der unter billing@ empfangen wird, automatisch in meinem Ordner „Buchhaltung“
Wie der Philosoph und Kampsportler Bruce Lee einmal sagte:
„Das Wertvollste im Leben ist die Zeit. Leben heißt, mit der Zeit richtig umgehen.“
Danke, Hans!