Im Facebook-Datenwald. Ein Selbstversuch
Zehn Jahren lang war ich nahezu täglich auf Facebook aktiv und bin es auch weiterhin. Zu dutzenden Menschen, die ich persönlich kenne, pflege ich dort sehr nette Kontakte. Ich lerne neue Zeitgenossen kennen, die gelegentlich sogar zu echten Freunden werden. Nachrichten, die mich interessieren, lese und kommentiere ich hier und da. In unregelmäßiger Folge veröffentliche ich Beiträge, die meistens meiner Feder entsprungen sind. Dabei ist mir vollkommen klar, dass ich Facebook durch mein Klick- und Kommentarverhalten täglich neue Daten zur Verfügung stelle. Wie viele das in zehn Jahren tatsächlich sind, habe ich in einem Selbstversuch ermittelt. Wo meine Daten jedoch überall kursieren, kann ich nur vermuten. Es gibt keinerlei Kontrolle oder Nachweise darüber.
Facebook sammelt persönliche Daten
Facebook ist eine perfekt arbeitende Datensammelbank. Davon kann sich jeder Nutzer überzeugen, der über den Menüpunkt »Einstellungen« zum Punkt »Lade eine Kopie deiner Facebook-Daten herunter« scrollt und klickt. In meinem Fall dauerte es exakt 50 Minuten, dann trudelte per Mail ein Link ein, den ich mit meinem Passwort öffnen konnte, um eine ZIP-Datei zu laden.
Nach dem Öffnen präsentierten sich mir 469.577.847 Byte Datenmaterial mit 3.983 Objekten. Diesen gewaltigen Datenberg, ausgedruckt wären es mehr als 5.000 Seiten, hat Facebook über mich gespeichert. Hier erfahre ich beispielsweise, dass ich mich am Mittwoch, 3. September 2008, um 22:21 Uhr bei Facebook registrieren ließ. Für Historiker mag dies eine wichtige Information sein, mir zeigt es nur, wie rasend schnell die Zeit vergeht.
Interessanter sind für mich die Daten meiner derzeit 3.111 »Freunde«. Alle sind akribisch mit Geburtsdatum und sämtlichen Telefonnummern aufgelistet. Würde ich täglich einen von ihnen anrufen, hätte ich die Liste in achteinhalb Jahren abgearbeitet. Viele dieser Namen kann ich überhaupt nicht erinnern, es gab wohl nie Interaktionen, und ich habe auch keinen Schimmer, warum wir eigentlich »befreundet« sind. Sie haben irgendwann angefragt, sind dann hängen geblieben und auch bei gelegentlichen Säuberungswellen (ich hasse Nazis, Denunzianten, Wendehälse, Verschwörungstheoretiker und Dummschwätzer) durchgeschlüpft.
Facebook erschafft den gläsernen Menschen
Auf hunderten von Seiten aufgelistet sind auch die endlos vielen Chats, an denen ich teilgenommen habe. Da entschuldigt sich am 16. Januar 2009 um 23:32 Uhr Freundin Kim O’Hara dafür, dass sie mich in dem Spiel MafiaWars angegriffen hatte, weil sie nur 20 Punkte vom nächsten Level entfernt war und keine andere Person fand, die sie attackieren konnte. Ich erfahre, mich am Donnerstag, 2. Juni 2011, um 15:53 Uhr mit dem Kabarettisten und Buchautor Horst Evers ausgetauscht zu haben, mit dem ich zuvor ein Interview geführt hatte. Nikki von Universal Music fand am Donnerstag, 4. Juni 2015 um 12:07 meinen Opern(ver)führer »Der Fliegende Holländer« »cool«. Munter könnte ich jetzt zehntausende persönlicher Nachrichten zitieren, deren Sinn und Zweck sich mir heute nur noch teilweise erschließen, die aber gespeichert sind. Eine Fundgrube für Kriminalisten!
Ich finde Werbeanzeigen, auf die ich geklickt habe; zum Glück sind es nur wenige. Dafür habe ich jede Menge Werbung als störend weggeklickt, und auch hier ist jeder einzelne Klick pedantisch vermerkt. Zum Beispiel störte mich eine Anzeige mit dem Titel »Ein Telefonat kann Dein Leben verändern!«, der ich danach auch nie wieder begegnen musste.
Einige Unternehmen haben mit meiner Zustimmung gleich meine kompletten Daten gespeichert, darunter Zalando, Tchibo, Airbnb und Uber. Gleich hüpfe ich in die entsprechende Rubrik und widerrufe meine Genehmigung, diese Daten über mich weiterhin zu speichern. Doch was sie in ihren Klauen halten, werden sie wohl kaum löschen, nur weil ich es heute so will.
Sämtliche Veranstaltungen, an denen ich teilgenommen habe bzw. teilnehmen wollte, werden mir genannt. Aber auch all die, für die ich mich lediglich interessiert habe, sind feinsäuberlich in meiner Facebook-Personalakte gelistet.
In meinem Profil lässt sich sehr genau ablesen, welche Musik ich mag, welche Bands ich liebe, welche Bücher ich gelesen und welche Filme ich gesehen habe. Für mich ist zwar nachvollziehbar, warum ich das Picasso-Museum in Münster, die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters und die Osiandersche Buchhandlung empfehle. Warum ich aber Solf Sauna, Filze Fatz Vasendesign, Schiller40 Coworking Space, Akparti Isviçre Switzerland und hunderte anderer mir nichtssagender Seiten mit einem freundlichen Haken versehen habe, liegt tief im Brunnen der Vergangenheit und ist aus meiner Erinnerung getilgt. War es mehr als blinde Gefälligkeit?
Facebook verkauft persönliche Daten
Die schiere Datenmenge, die sich mir darbietet, ist erschreckend in ihrer Komplexität und Genauigkeit. Aus unendlich vielen Puzzleteilen lässt sich mein Leben des letzten Jahrzehnts zusammensetzen und protokollieren. Über die entsprechenden IP-Adressen lässt sich sogar ein Bewegungsprotokoll erstellen. Aber kann ich Facebook deshalb Vorwürfe machen?
Nein!
Der Vorwurf trifft mich selbst.
Die Datenspeicher haben keinerlei Adresse, Kontakt, Nachricht oder Bewegung von mir gespeichert, die ich nicht selbst freiwillig zur Verfügung gestellt und selbst eingegeben hätte. Es wurde lediglich protokolliert, wie leichtsinnig und unbesonnen ich in den zurückliegenden zehn Jahren auf Facebooks digitaler Datenautobahn unterwegs war.
All das wäre wohl auch halb so schlimm, wenn die Daten nach einer gewissen Zeit unwiderruflich gelöscht und bis dahin sicher in den Server-Tresoren des Facebook-Imperiums gelagert würden. Doch das ist leider nicht der Fall. Facebook sammelt Daten keinesfalls aus Spaß, die Truppe um Mark Zuckerberg verdient Milliarden damit und ist zudem eng mit Geheimdiensten verbandelt. Konsequenterweise ist Facebooks Geschichte eine Abfolge von Skandalen.
Facebook kooperiert mit Geheimdiensten
Bereits vor zehn Jahren kamen die Verbindungen mehrerer Facebook-Investoren zur CIA ans Licht. Der amerikanische Whistleblower Edward Snowden belegte 2008 den Kontakt der Plattform zum US-Auslandsgeheimdienst NSA. Snowden nannte Facebook eine »Überwachungsfirma, die ihre Nutzer ausbeutet«.
2010 stellte sich heraus, dass beim Adressbuch-Abgleich der Handys von Facebookern gleichzeitig die Namen von Nicht-Mitgliedern abgesaugt und gespeichert wurden. Facebooks ehemaliger Sicherheitschef, Max Kelly, arbeitet inzwischen hauptamtlich für den Geheimdienst NSA.
Seit 2012 verknüpft das Programm »Facebook-Connect« Daten für personalisierte Werbung und registriert die Häufigkeit von App-Nutzungen. Dieser Dienst ermöglicht Nutzern, sich mit ihrem Facebook-Profil auf anderen Websites einzuloggen, ohne dort gesonderte Accounts erstellen zu müssen. 2016 wurde ruchbar, dass Facebook auch die Daten aus den Adressbüchern von WhatsApp-Nutzern einsaugte und speicherte. WhatsApp gehört ebenso wie Instagram zu Zuckerbergs Imperium.
Cambridge Analytica, eine britische Beratungsfirma, hat Profildaten von mehr als 87 Millionen Facebook-Mitgliedern gesammelt und damit den Wahlkampf von Donald Trump unterstützt, indem beispielsweise zielgerichtet Fake-News wie »Der Papst unterstützt Trump« gezeigt wurden. Ob es Zufall ist, dass der Hauptinvestor des Unternehmens US-Milliardär Robert Mercer heißt, der Trumps Wahlkampf mit 15 Millionen Dollar unterstützte?
Facebook liefert Daten für den Wahlkampf
Meine persönlichen Daten werden nun kaum genutzt haben, um Trump auf den Präsidentensessel zu hieven. Aber wer weiß schon sicher, ob nicht auch deutsche Unternehmen entsprechend tätig sind und Unternehmen, Parteien oder Nachrichtendienste mit den Daten von 23 Millionen deutschen Facebook-Usern füttern und beraten? Nicht zu vergessen die Daten von 15 Millionen deutschen Instagram- und 40 Millionen deutschen WhatsApp-Nutzer, die ebenfalls Facebook gehören.
Cambridge Analytica brüstet sich mit der Behauptung, weltweit mehr als 100 Wahlkämpfe erfolgreich unterstützt zu haben. Ein Schelm, der glaubt, deutsche Wahlkämpfe seien dabei außen vor. Das Gerücht, die AFD habe sich entsprechender Daten im Wahlkampf bedient, hält sich standhaft.
»Vielleicht ist es die perfideste Vermarktungsmaschine in der Geschichte der Kommunikation, getrieben von Daten«, schreibt der FOCUS über Facebook.
Was tun?
Ich nutze Facebook, weil es mir eine komfortable Kommunikation ermöglicht. Gleichzeitig hasse ich die Plattform, weil sie mir jeden Tag wahnsinnig viel Zeit raubt, die ich produktiv nutzen könnte. Die aktuelle Diskussion über Big Data beweist mir aber, dass ich zukünftig sehr viel umsichtiger mit der Preisgabe von Meinungsäußerungen und Likes auf der Plattform sein und mich nach alternativen Netzwerken umsehen werde. Denn wenn Politik und gesellschaftliche Kontrolle versagen, dann liegt es letztlich an jedem Einzelnen, Schlüsse zu ziehen und sein Verhalten zu überprüfen.
Treffende Einschätzungen … Wer sich der trügerischen Illusion hingibt, dass das, was jeder von uns freiwillig!! postet, als Geheimnis behandelt wird, zieht sich seine Hosen mit der Kneifzange an. Für den der das nicht will, gibt es nur eine Konsequenz … nicht Mitglied im Verein werden. Jetzt wieder austreten, bedeutet nicht, dass die Daten mit austreten … die findet ihr noch im System, wenn sich die Würmer an euch laben.
Sicher, der Vorwurf trifft einen selbst. Aber mein Vater z.B. hat nichts falsch gemacht, er hat noch nicht mal Facebook und auch kein Handy. Trotzdem hat Facebook seine Daten abgesaugt, und mit ihm zusammen die von vielen Freunden. Facebook weiß sogar, wann und wie oft wir telefoniert haben. WAS GEHT DAS ZUCKERBERG AN?
Vielleicht haben die deinen WhatsApp-Account abgesaugt. Da sind dann alle dabei, die du gespeichert hast.
Ja.
N.B. In den letzten Tagen mehren sich Stimmen, die sagen, Facebook sei ein Chorjunge gegenüber dem, was Gooogle an Daten sammelt und absaugt.
Abgesehen davon: Es ginge ja noch, wenn nur deine Daten gesammelt würden, aber auch deine Beziehungen zu ‚Freunden‘ werden ausgespäht – und deren Daten auch geschlabbert. In meinen Augen ist das die wahre Sauerei.
Sie dazu auch https://nzzas.nzz.ch/notizen/medienkritik-unser-kleines-problem-mit-facebook-ld.147723
Das Einbeziehen Unbeteiligter in den Kreis der Ausgespähten ist wohl die größte Sauerei. Egal. wenn du auf deinem Smartphone hast und ob und wo er Mitglied ist, die Daten landen gleich mit in den Datenbanken Facebook, Google & Co.
Seit gefühlten Tagen bin ich dabei, mich dabei zu stören, wie mein Namen bei Youtube und google + auf dem Silberteller liegt. Anonymisieren, ändern, sind die Gedanken, g+ schon gelöscht, gmail los werden, ggf. google selbst, windows auch? Bei yt können einem doch brisante Äußerungen entfahren, nun auch auf 9/11 bezogen und neue Lügen-Artistik. Dass sie – und die Islamübermenschen – da Listen machen, wer ein wenig unangenehm ist? Opera und andere bieten einige Lösungen.
Ich finde deinen Schlusssatz unter „Was tun?“ sehr gut als Zusammenfassung. Wir haben wohl alle das gleiche Problem – Hassliebe zu Facebook.
Definitiv. Da sehnt man sich zu seligen Blog.de-Tagen zurück.
Besser kann man es nicht beschreiben, was Prinz Rupi gründlich erarbeitet hat und uns hier dankenderweise erläutert.
Wir sind alles GLÄSERNE MENSCHEN geworden, egal wo wir uns bewegen und das schon seit Jahren … Jahrzehnten.
Unsere Daten von jedem Einzelnen passen garantiert um den Erdball oder zusammengereiht bis zum Mond.
Sie werden für kommerzielle Zwecke genutzt, für Kriminelle und vielleicht sogar für Sekten.
Schuld sind wir selbst und unser guter Glaube. Manchmal jedoch unbewusst.
Das betrifft nicht nur die Plattformen hier.
Schon wenn wir einkaufen, mit der Karte bezahlen, tanken, eine Payback-Karte wegen der Punkte benutzen. Es wird gewusst, was wir einkaufen, wann, wieviel und wo, was es gekostet hat.
Gerade auch in Einkaufszentren werden wir abgefragt. Die verkaufen unsere Adressen weiter, wenn wir an Gewinnspielen teilnehmen. Sie locken mit Autos und Preisen, die es nie gibt.
Dafür donnern sie uns mit Telefonanfragen, Werbe-Belästigungen, angeblichen Gewinnen und Zeitungs-Abos zu. Gerade auch abends. (Sofort auflegen!) Schwache Menschen, besonders Ältere und psychisch Kranke fallen darauf rein und schließen für alles Mögliche Verträge ab.
Bald schlagen dubiose Inkasso-Unternehmen und unseriöse Anwälte zu.
Menschen werden in die Armut, Alkoholismus und den Wahnsinn getrieben, ja bis hin zum Selbstmord. Ich kenne viele Fälle.
Zum Glück gibt es Verbraucherschützer und Hilfen. Manche Menschen wissen das bloß nicht.
Allerdings offenbaren sich Betreffende oft nicht, weil sie nicht in der Lage sind.
Das ist eine Schraube ohne Ende. Ich wollte das bei dieser Gelegenheit nur mal loswerden
Die Krankenkarte ist auch ein Versuch, den Menschen auf einen Chip zu pressen, um ihn besser kontrollieren und auswerten zu können. Alles natürlich im Sinne der »Ökonomie«! Dann wird das Bargeld verboten und damit sind wir Spielbälle in den Händen derjenigen, die den Datenstrom lenken, verwalten und auswerten.
Warum kann ich mit der Krankenkassenkarte keine Zigaretten am Automaten ziehen? Oder Alkohol einkaufen? Wäre das nicht eine sinnige Verbindung, statt nur den Führerschein oder PA nutzen zu können? Wer raucht, zahlt dann abhängig von der Frequenz des Zigarettenkaufs abgestufte höhere Beiträge. Wer viel raucht und säuft, zahlt höhere Beiträge. Das fordern doch so viele, die den Menschen mehr in der Eigenverantwortung bekommen wollen. Gewissermaßen als Risikoabsicherung auf die Zukunft? Horror oder Wohltat? Machbar auf alle Fälle. Und zeigt dann den Status der Risiko-Kapitalisierung der Vollkasko-Desperadogesellschaft, in der nur das Geld zählt und dann erst der Mensch, weil Geld an der Börse gemacht wird. Der Mensch aber nur auf jene altmodische Risiko-unabschätzbare Methode …
Lieber Franz, Habe bereits einen Beitrag am 01.04. 2018 um 18:07 geschrieben.
(Christine aus Leipzig)
Ich will niemand zu nahe treten. Das fände ich nicht gut, was DU vorschlägst.
Ich bin Nichtraucher, schon immer. Bechern tue ich auch mal gerne, im noch erträglichem Rahmen. Das will sicher niemand wissen. Will auf was anderes hinaus …
Ich bin der Meinung, dass die, die rauchen und auch trinken, schon genug blechen müssen. Die Tabakwarenindustrie reichert die Zigaretten mit Suchtstoffen an. Es kostet zwar sehr viel, was wieder aus einem anderen Fond bezahlt wird um Kranke zu heilen, usw., Kuren, medizinische Versorgung.
Viele sterben leider eher. So wie sich die Rentenversicherung sehr oft verhält, scheint das sogar recht zu sein. Was müssen Angehörige, Kranke, Behinderte, Erwerbsgeminderte kämpfen, ehe sie in den Genuss einer Rente oder Erwerbsminderungsrente kommen, obwohl sie zig Jahre gearbeitet, sich zu Tode gearbeitet oder auch mit falschen Diagnosen behandelt wurden. Leider ist vieles ungerecht.
Man sollte lieber auf der Krankenkarte oder Bankkarte speichern, wie man sterben will und was man nicht will. Auch das mit der Organspende. Das wäre besser und eine sinnvolle Erfindung dazu.
Hallo Christine,
mein Vorschlag war ironisch gemeint. Denn all jene, die auf Raucher als Belastung für die eigene Kasse sehen, wären wahrscheinlich einer Diskussion in dieser Richtung nie abgeneigt. Und das wäre die Mehrheit der Bevölkerung. Man muss nur hinreichend motivieren, dass Raucher nur fremdes Geld der Allgemeinheit kosten, und schon interessiert niemand mehr, was die Rechte an den eigenen Informationen angeht. Rechte an den eigenen Informationen zum vermeintlichen Wohle der Allgemeinheit einzuschränken, funktioniert nebenbei wunderbar: Hartz-4-Empfänger, Bankkunden, Anti-Terror-Gesetzgebung, die letzten Polizei-Rechtsverordnungen und noch viele andere bereits durchgesetzte Beispiele lassen sich hier finden. Denn der Anteil derjenigen, die anführen, dass sie nichts zu verbergen hätten und somit auch nichts gegen so etwas einzuwenden hätten, ist immens. Es geht ja immer nur um das eigene Wohl, welches dann als erstrebenswert für die Allgemeinheit verallgemeinert wird. Frei dem Motto „Bringt es mir keinen entscheidenden Schaden, dann ist es für alle gut“ und „ein bisschen Dreck hat noch niemanden geschadet“. Und somit werden auch nicht viele aus Facebook sich abmelden, denn den Schaden, den sie bereits im Verborgenen erhalten haben, erachten sie als gering und als überschaubar.
Nein, ich will mit meiner Krankenkassekarte keine Freischaltung zum Zigarette- oder Alkoholkauf. Ich fände das auch nicht blo0 „nicht gut“, nein, ich bin entschiedener Gegner davon. Das obige Post hatte ich in Ironie geschrieben und nur so will ich mein Post auch verstanden wissen. Und eine Sterbenserklärung auf der Krankenkasse will ich auch nicht. Und erst recht keine Organspendebereitschaftserklärung. Gerade beim letzteren sollten doch die per mitgeführten Dokument erklären, dass sie keine Bereitschaft zur Organspende in deren Todesfall haben. Denn eben weil kaum jemand ein Organspendeausweis und somit die Bereitschaft zur Organspende mit sich führt, sterben viele, die mit Hilfe der Organe von gerade Verstorbenen weiter leben könnten.
Und wir kratzen nur am Lack des Skandals!
„Facebook z B hat diese permanente Bestätigungs-Feedbackschleife absichtlich eingebaut. Weil sie wissen, dass man damit eine Schwäche in der menschlichen Psyche ausnutzen kann.“
Sagte wer? Sean Parker. Wer ist Sean Parker? Ehemals Vorstandsmitglied von Facebook:
„Diese Bestätigungs-Gefälltmir-Feedbackschleife wurde absichtlich eingebaut, um ganz bewusst eine Schwäche in der menschlichen Psyche auszunutzen. Weil durch diese Daumen hoch und Herzchen-Symbole kleine Glückshormonausschüttungen stattfinden, die Suchtmechanismen auslösen.“
Und Sean Parker, ehemals Vorstandsmitglied von Facebook, sagt noch etwas:
„Ich habe geholfen, ein Monster zu schaffen. Weiß Gott, was es den Gehirnen unserer Kinder antut.“
„Deswegen ist das Handy nichts anderes als ein Glücksspielautomat in der Hosentasche.“ Sage auch nicht ich. Sagt wer? Tristan Harris. Wer ist jetzt Tristan Harris? Ehemaliger Designer bei Google. Und der sagt noch mehr: „Ständig holen wir das Handy heraus, in der Hoffnung auf eine Belohnung. Das Tückische: Weil wir nicht wissen, wann die Belohnung kommt, schauen wir ständig nach. „Variable Belohnung“ heißt das Prinzip, das uns süchtig macht. Nicht wir kontrollieren die Technik, sondern die Technik kontrolliert uns.“
Sean Parker von facebook: „Die Motivation bei der Entwicklung der Facebook-App war: Wie können wir so viel Zeit und Aufmerksamkeit der Nutzer wie möglich bekommen.“
„Facebook und Co zerreißen die Grundlagen unserer Gesellschaft.“ sagt Chamath Palihapitiya, ehemaliger Manager von Facebook.
Tristan Harris:
„Nicht wir tragen die Schuld am Verführt werden, sondern die Unternehmen, die uns mit ihrer Software und ihren Apps verführen. Diese Unternehmen haben ganze Abteilungen mit Designern, die nur damit beschäftigt sind, Apps zu entwerfen, die uns möglichst lange binden, selbst wenn wir uns längst überfressen haben. Die wollen, dass wir möglichst viel Zeit mit ihnen verbringen, weil mehr Zeit mehr Daten bringen, und mehr Daten bringen höhere Werbeeinahmen.“
Tristan Harris:
„Eine Handvoll Menschen, die bei einer Handvoll Konzernen arbeiten, können mit ihren Entscheidungen Milliarden Menschen beeinflussen. Diese Erosion des menschlichen Denkens ist das drängendste Problem der Gegenwart. Wir verlieren unseren freien Willen und werden massenhaft manipuliert.“
Der obige Text ist nicht der meinige, sondern die Quelle dieser Zitate ist H.G. Butzko (http://www.butzkonline.de/blog/artikel/article/am-aschermittwoch-ist-alles-vorbei-febr-18.html).
Dieser Text fasst gut zusammen, was mir selber bereits auffiel.
Ich habe im Januar letzten Jahres Facebook verlassen, nachdem ich bemerkte, dass FB mir meine Zeit stahl und nicht produktives mit den FB-Freunden passierte, und dass rechtsradikale Kommentare unter meinen Posts rechtsradikale Werbung anzog. Da konnte ich nicht mehr so schnell wegklicken, wie neue kam.
Das Belohnungssystem mit diesen endlosen Likes ist die eine Seite des Problems. Auf der anderen Seite steht der verlogene Anpassungsdruck nach dem Motto: Wenn ich XY like, liked der/die mich vielleicht zurück und erhöht so meinen sozialen Status.
Meisterhaft umgesetzt wurde dieses Thema übrigens in dem Netflix-Film »Abgestürzt« von Charlie Brooker (Reihe »Black Mirror«, Staffel 3, Film 1).
Hallo Franz,
ich finde das einfach nur genial, überraschend (und gleichzeitig doch nicht), vor allem jedoch spitzenmäßig auf den Punkt gebracht.
Der Artikel war genau das, was ich gebraucht habe, um meinen Account zu deaktivieren – danke!
Respekt vor deiner Entscheidung, lieber Markus!
Brillant. Mokant. Frappant. Und süffisant.
Hallo Rupi, ich wusste zu DDR – Zeiten, dass mich das Ministerium für Staatssicherheit in besonderer Beobachtung hat. Entsprechend habe ich mich verhalten. Ich habe unsinnige Informationen geliefert und mich später beim Lesen meiner Akte über die seltsamen Erkenntnisse dieser „Geheimdienstspezialisten“ erfreut. Ein wenig davon ist ein kleines Buch geworden „Die rhebs Schmuckstory“
(https://rheb.wordpress.com/2011/03/31/die-rhebs-schmuckstory/)
die Buchstabenkette „rhebs“, die ich per Patentamt als Warenzeichen eintragen lies, war eine harte Nuss für meine Geheimagenten. Ein Jahr haben sie gebraucht, rhebs zu entschlüsseln. Jetzt ist es wohl eine Schokofirma in den USA.
Das ging damals soweit, dass ich meine Überwacher regelmäßig gegrüßt habe, indem ich an sie meine Grüße mit viel Spaß versendete: (https://rheb.files.wordpress.com/2011/03/dscf5076-1.jpg?w=474
„Trotz meiner „DDR herabwürdigten“ Schreiben an Freunde in Westberlin und Westdeutschland, in dem ich mir einmal den Spaß machte, einen kleinen in Alufolie eingeklebten Zettel bei zu legen mit folgender Inschrift “ Die Folie ist wegen der Arschlöcher vom Stasi. Die finden zwar trotzdem einen Weg, alles zu lesen — es ist aber halt ein bissel schwerer! Handschriftlicher Kommentar des Ministeriums für Staatssicherheit, „Inhalt war in Alu – Folie eingewickelt.“ „Toll!“ dachte ich, als ich das erste mal meine Stasiakte las. „Welch reife Leistung!“ Wo sich immerhin ein Oberstleutnant Sommer am 12.07.1989 zwei DIN A4 Seiten lang mit mir beschäftigt und so Sachen von mir zitierte wie “ …es entwickelt sich schon, aber in einer „Super-Zeitlupe“; Genau so, wie die alten Zellen der alten Herren absterben — langsam, langsam, langsam.“ Am 9. November war für ihn Schluss mit lustig. Im Januar 1990 wurde er entlassen.“ (Jetzt hat er mit seiner Frau eine Massagepraxis und ist immer schön braun im Gesicht, weil sich kaum noch jemand unter seine Sonnenbank legt…..
Heute ist das nicht mehr so mühselig, da niemand mehr mühselig meine in Alufolie verschweißten Briefe manuell knacken muss.
Es ist aber relativ einfach die Programmsysteme von FB, twxxxer, kuckel und Konsorten zu vergackarschen. Wie? Na mal ein Beispiel “ Ich suche bei Kuckel regelmäßig nach mittleren Geschäftsflugzeugen, Segeljachten über 20 Meter, gehe in Luxushotels einen Kaffee trinken und poste dort meine Briefchen an Unternehmen, die komplette. Gummifabriken in Südamerika verscherbeln wollen. Neulich war ich in Panama und Costarica zum Faulenzen – heute Morgen hatte ich ein Mail, ob ich nicht eine halbe Fabrik (joawa.com) in China kaufen will. Was hab ich gemacht? Hier eine Stück Kopie aus der Mail veröffentlicht:“ g ﻭﺵﺝfれゼえのバぉor ヶまゲるソペゾヂヒlo236893297w 읪퇕쨒셃튯굗띾pwfjri4002c콷줊쿕틑꾬앁뒩훶esкйлюг otidECn M“
Da haben diese Leutchen damit echt eine Aufgabe, sie werden das Zitat in Millisekunden finden. Was sie dann daraus lesen werden kann ich nur ahnen? Ich habe keine Kohle für joawa 😉
PS. Wenn ihr auf meiner Website herum stromert, nicht wundern – Fotograf bin ich auch nicht.
Lieber Richard, ich habe seinerzeit sowohl meine Akte beim Verfassungsschutz (West) als auch nach der »Wende« meine Akte von der Stasi (Ost) eingesehen und war gleichermaßen empört über die Schlampigkeit der Dienste (da wurden aufrührerische Sentenzen und Zuckungen schlicht übersehen!) wie über die Unaufmerksamkeit der einzelnen Mitarbeiter.
Da lobe ich mir doch Facebook und die Genauigkeit der elektronischen Datenerfassung: Da geht auch nicht der kleinste Pups verloren.
Ehrlich gesagt, es ist mir schietegal, ob facebook weiß, wann ich in welchem Hotel wo auf der Welt geschlafen habe (booking.com weiß das sowieso), mit wem ich telefoniere oder was ich like. Die ganze Aufregung verstehe ich nicht, denn diese Daten habe ich freiwillig überlassen und genauso nutze ich facebook als Werbemedium, um „gezielt“ meine Leser anzusprechen. Alle regen sich über facebook auf – die Post handelt seit Jahrzehnten mit unseren Adressen, Creditreform und Schufa wissen Dinge von mir, die ich wirklich nicht gern in facebook lesen möchte. Verlage handeln mit von mir freiwillig gegebenen Informationen. Ganz zu schweigen von meinen Banken und Kreditkartenfirmen, die genau wissen, was ich wo für wieviel gekauft habe. Nicht zu vergessen die Deutschland Card, die wissen sogar, was ich esse und trinke. Ach ja. Und dann gibt es ja da auch noch das Finanzamt. Die wissen ALLES!
Bleibt nur noch die Frage, wann all diese Daten auf einem Server zusammengefaßt und insgesamt abrufbar sind. Spätestens dann wird es ernst …
Tausend Dank für diese beste aller FB-Auf- und Erklärungen!
Was mich dann auch noch interessieren würde: Fragt sich eigentlich außer mir sonst noch jemand, wie das mit den Daten bei amazon ist? Ich hatte da nämlich immer schon ein extrem mulmiges Gefühl … und jetzt sagt bitte nicht, dass Gefühl und Technik sich gegenseitig ausschließen. Glaub ich nämlich nicht.
Zum Beispiel sind wir ja alle, die wir irgendwie mit Büchern zu tun haben, von amazon tausendfach abhängiger als von Facebook … Und da tendieren viele – ich auch – dazu, sich mögliche Gefahren klein zu reden. Oder gleich ganz auszublenden. Täusche ich mich? Sehe/höre/fühle ich Gespenster? Bin für alle Hinweise dankbar!
Herzlichen Gruß
Maria, die Texthandwerkerin
Liebe Maria, letzlich geht es um die ungeheure Macht von Internetriesen wie Facebook, Google, Amazon & Co, deren Datenbanken letztlich ihr Kapital ausmachen. Zumindest in Europa gibt es Bestrebungen, mit Gesetzen und Datenschutzverordnungen das Problem anzugehen. So lange allerdings Leute in den Regierungen und Ämtern das Sagen haben, die überhaupt nicht raffen, was diese Datenkraken eigentlich machen, so lange wird die Macht und damit auch die Möglichkeit des Missbrauchs ungebrochen bleiben.
Die Anhörung von Zuckerberg vor dem US-Senat (kann man bei YouTube sehen) zeigt deutlich, dass die meisten dieser Polit-Opas überhaupt nicht verstehen, worum es geht. Deshalb wird nicht nachgefragt, deshalb läuft alles so einvernehmlich und freundlich ab. Es ist immer noch »Neuland«, in dem die Regierenden umherirren – und das ist für mich das wirklich Gefährliche.
Danke, Rupi!
Ein hervorragender Artikel. Zudem untermauert er meine Haltung, mein Konto nur zur Verwaltung meiner Seite zu betreiben und ansonsten dieses „soziale Netzwerk“ weitestgehend zu ignorieren. Sicher, nutzen tue ich es auch, allein dem Informationsgewinn wegen, aber aktiv Informationen preisgeben erspare ich mir dann doch.
Dank Dir weiß ich jetzt auch, warum.
Viele Grüße
Martin
Du lieferst mir noch ein wichtiges Stichwort, lieber Martin: Mir ist vollkommen unbegreiflich, wieso wir Netzwerke wie Facebook »sozial« nennen. Der Begriff wird zumindest im deutschen Sprachraum mit der Bereitschaft konnotiert, anderen zu helfen, eigene Interessen zurückzustellen und ein wertvolles Mitglied einer Gemeinschaft zu sein.
All das kann ich bei Facebook nicht erkennen. Da regieren Eigensucht, Neid, Missgunst und andere »Todsünden«. So gesehen, ist das Netzwerke eher asozial.
Hey Rupi,
super Analyse!
Aber ist ja lustig, das du „ich hasse…Verschwörungstheoretiker.. “ schreibst und dann in den Kommentaren: Die Krankenkarte ist auch ein Versuch, den Menschen auf einen Chip zu pressen, um ihn besser kontrollieren und auswerten zu können. Alles natürlich im Sinne der »Ökonomie«! Dann wird das Bargeld verboten und damit sind wir Spielbälle in den Händen derjenigen, die den Datenstrom lenken, verwalten und auswerten.
Das sind doch nur Verschwörungstheorien!
Oder?
Diese Name wurde übrigens vom CIA schon 1964 fabuliert (damals noch wegen dem Roosevelt UFO Absturzes) und erschaffen!
Liebe Grüße
Micha
Der Versuch, den Menschen zu durchleuchten, besteht seit langem und nimmt im elektronischen Zeitalter immer durchtriebenere Formen an, mein Micha. Eine Verschwörungstheorie hingegen ist, zu glauben, dies sei ein Komplott der Rothschilds, die sich heimlich mit den Nazis, die auf der dunklen Seite des Mondes leben, absprechen, um die endgültige Weltherrschaft zu übernehmen.
Auch hier noch einmal danke für den sehr informativen Beitrag. Ich habe ihn auch gleich mal geteilt. Hoffe, das ist in Deinem Sinne.
Aber natürlich ist das in meinem Sinne, liebe Susan. Danke fürs Teilen ❣️
Lieber Rupi,
ich glaube, dein Post trifft absolut den Nerv der Zeit. Meinen zumindest voll und ganz.
Obwohl ich „eigentlich“ seit Jahren immer wieder „professionell“ Werbung schalten (und damit das Datenmonster nutzen) möchte, habe ich es oft entnervt (und um einige Euronen leichter) „erst mal wieder“ ruhen lassen.
Dank deinem Artikel kann ich mein ständiges Genervtsein, wenn ich mal wieder (zum Glück recht selten) auf FB unterwegs bin, gewissermaßen zelebrieren bzw. angemessen wertschätzen.
Da ich selbstverständlich nicht (oder doch? ;-)) auf „Werbetricks“ reinfalle (zumindest diese süffissant halbherzig am Leben gehaltene Illusion dient, wie ich finde), bin ich nach wie vor (selten) auf FB unterwegs, bis mein „Genervtsein-Warnmelder“ zu stark im roten Bereich anschlägt.
Für einige Tage kuriert trainiere ich den Mechanismus dann mit meinem nächsten Besuch aufs Neue.
Bisher hatte ich übrigens keine Vorstellung davon, welche (Bruchteile?!!) der gesammelten Daten FB tatsächlich dem Betroffenen gegenüber kommuniziert. Sehr viel spannender wäre jedoch sicherlich zu erfahren, wie in etwa FB das nutzt bzw. wie das „wahre“ FB-Profil der eigenen Person ist. (Womöglich würde das jedes Profiling der Kripo in den Schatten stellen).
Ein super-toller Blog-Post, lieber Rupi. Vielen Dank! 🙂
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