Voll Tatendrang stürmt der dichtende Opa Eberhard die Literaturbühnen in Kneipen, Kaschemmen und Cafés und präsentiert mit Elan seine Texte. Nun veröffentlicht der Berliner Periplaneta Verlag unter dem programmatischen Titel »Der Wandernde Dichter« ausgewählte Texte aus der Feder des Bühnenpoeten. Mit 80 Lenzen zählt Eberhard Kleinschmidt zu den ältesten deutschen Slammern.
Eberhard Kleinschmidt, der wandernde Dichter
Von Ruprecht Frieling
Eberhard Kleinschmidt mag klangbetonte Endreime, die mal männlich stumpf, mal weiblich klingend, mal dreisilbrig reich auftreten. Als promovierter Literaturwissenschaftler kennt er die verschiedenen Versilbungsprinzipien. Er beherrscht die Kunst des klassisch gearbeiteten Sonetts mit seinen 14 metrisch gesetzten Zeilen, jambische Pentameter mit weiblicher oder männlicher Kadenz und hat das in mehreren Gedichtbänden unter Beweis gestellt.
Der Dichter aus Braunschweig bevorzugt die gebundene Rede und die klanglichen und rhythmischen Möglichkeiten der deutschen Alltagssprache im Gegensatz zur postmodernen Lyrik. Seine Lieblingsidee ist ein Gedichttext, umgeben von Bildern und Musik, vorgetragen und dargeboten unter Einsatz von Mimik, Gestik und Körper.
Diesen Gedanken hat er bereits 2013 in seinem Buch »Der andere Frühling« umgesetzt. Dem Band lag eine CD bei, auf der er, musikalisch begleitet von Sohn Peer, eigene Gedichttexte vorträgt und sich in der Vater-Sohn-Präsentation auch als Rezitator profiliert.
Eberhard Kleinschmidt: Slam-Poetry als Brücke zum Publikum
Eigentlich lag der Gedanke nah, es mal mit Slammen zu versuchen. Also besuchte Kleinschmidt Slammer-Wettstreite und lauschte den Vortragenden, um ein Gefühl dafür zu bekommen, was dort ablief.
Poetry-Slams sind literarische Wettbewerbe, bei dem geladene und spontan auftretende Interpreten mit eigener Lyrik gegeneinander antreten. Das Publikum entscheidet dabei durch Applaus über den jeweiligen Sieger des Abends. Die deutschsprachige Poetry-Slam-Szene gilt inzwischen als eine der größten der Welt.
Erst einmal schüchtern, dann zunehmend selbstbewusst, enterte Kleinschmidt die Slammer-Bühnen des Landes. Anfangs gelegentlich ausgelacht, dann ernst genommen, bald eingeladen, schließlich enthusiastisch gefeiert wurde der inzwischen achtzigjährige Dichter wegen seines Mutes und seiner Texte. Mittlerweile hat er mehr als 400 Live-Veranstaltungen als Alleinunterhalter im Wettstreit mit anderen Dichtern absolviert. Seine Frau Eva begleitet ihn häufig dabei und unterstützt ihn.
Der Slam-Opa sieht sich in der Tradition fahrender Sänger des Mittelalters und der zwölf alten Meister. Gelegentlich fühlt Eberhard Kleinschmidt sich bei seinen maximal zehn Minuten dauernden Auftritten wie Walther von der Vogelweide oder Wolfram von Eschenbach.
Eberhard Kleinschmidt: In der Tradition der Minnesänger
Slammen hat eine in Deutschland eine historische Tradition: Der Sängerkrieg auf der Wartburg war im 13. Jahrhundert das berühmteste Festival für diese Kunstform. Es spiegelte die Kunstsinnigkeit jener Zeit und ihr großes Interesse für Minnespiel und rätselhafte Verse.
Richard Wagner verdichtete das Thema 1843 in seinen Opern »Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg« und »Meistersinger von Nürnberg« und holte das Thema damit wieder aus der Versenkung hervor.
Poetry Slam ist ein Format, bei dem die verschiedensten Themen auf höchst unterschiedliche Art und Weise angesprochen werden können. Häufig aus der eigenen Perspektive, mal ernst oder heiter, mal persönlich oder distanziert-allgemein geht es bei den Texten vor allem um eins: Text und Performance sollen das Publikum ansprechen, es mitnehmen und seine Zuneigung gewinnen.
Beispiele für die Vielfalt der Themen, Formen und Betrachtungswinkel liefert Eberhard Kleinschmidt in seinem Büchlein »Der wandernde Dichter«. Seine persönliche Einstellung zum Slam beschreibt er einleitend ähnlich dem Liedermacher Hannes Wader, der jedes seiner Konzerte mit dem Lied der Vagabunden »Heute hier, morgen dort« begann:
Poet ich möchte sein, ein fahr´nder Sänger
von Burg zu Burg einst, heut von Stadt zu Stadt
hin ziehend, weil´s an einem Ort nicht länger
ihn hält, zu sag´n, was er zu sagen hat.
Er sucht die Menge, die bereit zu hören
all das, was ihn im Innersten bewegt.
Er sagt´s mit Vers und Klang, um zu betören,
damit nicht Geist nur, auch das Herz erregt.
Er sucht die Bühne, wagt das Abenteuer.
Denn ob Applaus er kriegt, das weiß er nicht.
Er stellt sich dem, weil der Begeist´rung Feuer
ihn trägt und seiner Botschaft Zuversicht.
Poet ich möchte sein, ein fahr´nder Sänger
von Ort zu Ort, es hält mich ja nicht länger …
Die älteste Slammerin Deutschlands ist marlene stamerjohanns. Aktiv ist sie immernoch. Bitte korrigieren. 🙂
Danke für die Information.
Sie ist nicht mehr aktiv, da es ihr gesundheitlich nicht mehr so gut geht.
Ulla Klomp, Autorin, Lyrikerin, Kinder- und Jugendbücher und selber Slammerin, wohl jetzt die älteste noch aktive. *01
.06.1945.