Der Karajan vom Schillerplatz – eine persönliche Leseempfehlung
Von Prinz Rupi
Als ich mit der Arbeit an meinem Buch Der Karajan vom Schillerplatz begann, dachte ich an eine Sammlung skurriler Anekdoten. Doch sehr schnell wurde mir klar: Ich war auf der Spur von Menschen, deren Leben weit mehr erzählt – über unsere Gesellschaft, unsere Geschichte und unsere Art, mit Eigenwilligkeit umzugehen. Deutschland steckt voller vergessener Biografien. Sie stehen in keinem Schulbuch, hängen in keinem Museum – und doch prägen sie das, was wir heute kulturelles Gedächtnis nennen.
Warum ein Buch über scheinbar kleine Leute?
Vielleicht fragen Sie sich: Warum schreibt jemand über einen Verkehrspolizisten, der mit eleganten Gesten den Verkehr dirigierte? Oder über einen Kupferschmied, dessen Furz ihn vor Gericht brachte? Ganz einfach: Weil sich in solchen Geschichten oft mehr Wahrheit, mehr Zeitgeist und mehr Menschlichkeit zeigt als in manch großer Biografie.

Günther Jacob war der berühmteste Polizist der DDR. Der Volksmund taufte ihn zum »Karajan vom Schillerplatz« Foto: © Peter Mirring
Der Karajan vom Schillerplatz – Stil im grauen Alltag
Günther Jacob war Verkehrspolizist in Dresden. Jahrzehnte lang stand er auf dem Schillerplatz – nicht einfach als Ordnungshüter, sondern als lebendige Skulptur, als Bewegungsperformer mit Taktstockcharme. Die Menschen nannten ihn bald „Karajan“. Seine Geschichte erzählt von Haltung, Eleganz und einem Stück DDR-Alltag, in dem sich Individualität ihren Weg bahnte – trotz Uniform.
Der Hauptmann von Köpenick – ein Schelmenstück mit Tiefgang
Wilhelm Voigt, der Schuster, der in einer Uniform das preußische System narrte, steht sinnbildlich für eine Kritik, die bis heute wirkt: gegen blinden Gehorsam, gegen Autoritätsgläubigkeit. Seine Geschichte ist nicht bloß ein kurioser Streich – sie ist ein satirischer Spiegel für die Mechanismen von Macht.

Victor Niklas, König von Schloss Lilllliput, hat eine der schillerndsten Sehenswürdigkeiten Brandenburgs geschaffen
Das Leben der Unangepassten – berührend nah
Was mich besonders berührt hat, war die Nähe dieser Figuren. Kurt Mühlenhaupt, das letzte Kreuzberger Original, oder Conny Brock, die „Lady im Büchermeer“ – sie alle lebten konsequent anders. Sie wollten nicht auffallen, und doch taten sie es. Nicht durch Lautstärke, sondern durch Authentizität.

Jim Avignon, der »Tizian des Techno«, revolutionierte den Markt, indem er Kunst für jedermann erschwinglich machte
Ich wollte keine Heldenporträts schreiben. Es ging mir um das, was in den Rissen der Biografien liegt: Brüche, Träume, Widersprüche. Wie bei Karl Drais, dem Erfinder des Fahrrads, der zu Lebzeiten verlacht wurde. Und doch: Was wäre unser Alltag heute ohne seine Vision?
Die Kraft des Unangepassten
Was all diese Menschen verbindet: Sie sind ihrer Zeit nicht hinterhergelaufen. Sie haben ihren eigenen Weg gesucht, bewusst oder aus Not. Ferdinand Grimm, der „sündige Bruder“ der Märchensammler, ebenso wie Gustav Nagel, der „Jesus vom Arendsee“, der mit seiner radikal friedlichen Lebensweise gleich zwei Diktaturen ein Dorn im Auge war.
Diese Figuren erinnern uns daran, dass Fortschritt oft von den Außenseitern kommt – von jenen, die nicht ins Raster passen und gerade dadurch neue Sichtweisen ermöglichen.
Kein Historiker – aber ein Suchender
Ich bin kein Historiker. Mich interessieren keine Jahreszahlen, sondern Lebensspuren. Ich habe mich auf den Weg gemacht – durch Archive, Städte, Dörfer, Gespräche. Und überall fand ich Menschen, die sich erinnern: an den Kupferschmied von Oelde, dessen teurer Furz auf Notgeld verewigt wurde, oder an Gustav Nagel, den barfüßigen Wanderprediger, dessen Geist in Arendsee bis heute spürbar ist.
Diese Geschichten gehören zu unserem kulturellen Erbe – auch wenn sie keine Denkmäler bekommen.

Die Traber-Familie brachen als älteste deutsche Artistenfamilie alle Rekorde als sie auf dem Drahtseil über die Zugspitze liefen
Warum dieses Buch gerade jetzt wichtig ist
Wir leben in Zeiten harter Fronten, lauter Meinungen, großer Vereinfachungen. Umso wichtiger sind Stimmen, die Vielfalt zeigen. Lebenswege, die uns nicht belehren, sondern berühren. Der Karajan vom Schillerplatz ist genau das: ein Plädoyer für den Eigensinn, für Menschlichkeit und Humor im Alltäglichen.
Vielleicht entdecken Sie beim Lesen, dass Ihnen einer dieser Menschen näher ist, als Sie zunächst dachten. Vielleicht sogar, dass in jedem von uns ein bisschen Karajan, ein bisschen Hauptmann und ein Hauch Gustav Nagel steckt.

Gustaf Nagel war als Jesus von Arendsee einer der Vorväter der Hippies und machte seinen Heimatort weltberühmt
Einladung zum Lesen
Ich lade Sie ein: Kommen Sie mit auf diese Reise durch ein anderes Deutschland – eines voller Originale, voller leiser Helden, voller Überraschungen. Dieses Buch ist mein persönlicher Versuch, den scheinbar kleinen Biografien den Platz zu geben, den sie verdienen: mitten unter uns.
»Der Karajan vom Schillerplatz« ist als hochwertig gebundenes Hardcover zum Preis von € 20,- direkt beim Verlag oder über jeden lokalen Buchhändler (ISBN 978-3-96887-030-4) bestellen. Und natürlich ist es auch bei allen Online-Händlern verfügbar.
© Text und Bild Prinz Rupi 2025