David Foster Wallace, einer der besten jungen US-Schriftsteller, ist tot in seinem Haus im kalifornischen Claremont aufgefunden worden. Nach Behördenangaben fand Wallaces Frau den 46-jährigen erhängt vor, als sie nach Hause kam.
Wallace, der 1987 als 24-Jähriger mit seinem Debütroman »The Broom in the System« (»Der Besen im System«) in den USA Aufsehen erregte, lehrte Kreatives Schreiben am Pomona-College. Sein bekanntestes Buch war das 1996 veröffentlichte »Infinite Jest«; es wurde vom US-Magazin »Time« zu den »besten 100 zwischen 1923 und 2005 erschienenen englischsprachigen Romanen« gezählt.
Eines meiner Lieblingsbücher von Wallace ist »Schrecklich amüsant aber in Zukunft ohne mich« (»A Supposedly Fun Thing I’ll Never Do Again«): Im Auftrag einer Edelgazette unternimmt der Autor eine Luxuskreuzfahrt in die Karibik. Mit messerscharfem Beobachtungsvermögen seziert er das Geschehen an Bord des schwimmenden Palastes. Entstanden ist eine literarische Reportage, die sich vor allem den grotesken Auswüchsen des Verwöhntourismus widmet.
Foster Wallace erkennt in dem professionell freundlichen Amüsierservice in engelhaftem Weiß, der sich ihm unter einer lapislazuliblauen Himmelskuppel bietet, eine der Hauptursachen dafür, dass er froh ist, wieder von Bord gehen zu dürfen ohne vorher zu verzweifeln. Für jeden, der plant, erstmals eine organisierte Schiffsreise zu buchen, ist die Lektüre des Essays eine genussreiche Trockenübung.
Werbung ist gut für’s Geschäft, aber ich finde, Herr Wallace ging hier einen Schritt zu weit. – Wirst Du das Buch jetzt ein zweites Mal lesen unter dem neuen, veränderten Blickwinkel?
Auch wenn ich bisher von David Foster Wallace kaum etwas gelesen habe, bin ich erschüttert, denn m.E. gehörte er zu den Schriftstellern, die um neue Positionen in der amerikanischen Literatur kämpfen. Kein Bestseller-Autor, aber ein beachtenswerter Künstler. Warum die Besten so oft scheitern?
Die Literaturzeitschrift „Schreibheft“ von Norbert Wehr hat ihn immer mal wieder vorgestellt.
L.G. B.
Der Titel macht einem schon Gänsehaut…
Dieses Buch ist es auf jeden Fall wert, mehrmals gelesen zu werden. Aber ich habe hier noch sein »Kleines Mädchen mit komischen Haaren« auf dem Friedhof der ungelesenen Bücher liegen, und das kommt zuerst dran.
Dankeschön für den Hinweis!
Der Buchtitel bekommt nun etwas absurd Prophetisches.
DFW ist mir bis dato unbekannt…
jedoch hat der titel jetzt wahrlich etwas absurd prophetisches. 😉 deine/eure ausführungen haben mich nun doch neugierig gemacht. und so werde ich den zettel, welchen ich gerade mit einer notiz versah, vor dem nächsten grossstadtbummel einzustecken wissen. ich kenne die magnete in den auslagen der buchläden gut genug.
so kann ich meine neugier bestimmt stillen, ohne vorher den friedhof liegengebliebener bücher, den wohl fast jeder auch besitzt, zu füttern.
ein angenehmes restwochenende, lieber frieling!
und vielen dank für den tipp der anderen art.
liebe grüsse, jenne
Lass dann mal hören, ob es Dir auch gefallen hat, lieber inlimbo!
Ich geb zu, dass ich den Autor nicht kenne. Aber ich merk ihn mir mal.
😉
Es macht mich immer nachdenklich, wenn sich jemand das Leben nimmt. vor allem wenn er noch so jung ist.
Wie schlimm muss es jamendem gehen das er sowas macht?
Und warum ist der Freitod vor allem unter Künstlern so weit verbreitet?
Liegen Genie und Wahnsinn wirklich SO NAH beieinander?
Diese Frage wird immer wieder aufgeworfen. Ich glaube, es hat sowohl mit dem Narzissmus vieler Künstler zu tun als mit dem Erwartungsdruck, dem sich der Kunstschaffende selbst aussetzt und der ihn in tiefe Depressionen treiben kann.
Danke für den Tipp, ich habe das Buch auf meine Liste gesetzt.
Schade natürlich, dass dieser Anlass dazu nötig war.
Das Buch wird sicherlich einen neuen Boom erleben, so traurig der Anlaß auch ist
Danke für die info
Hinterlistig nutze ich den traurigen Anlass, um auf einen tollen Autor aufmerksam zu machen.
Ich werd es mir lesen. Danke für den Hinweis. Auch wenn der Titel ambivalent ist …
Toll sind auch seine Stories, die vor kurzem bei Kiepenheuer unter dem Titel »Vergessenheit« erschienen.
So lange du ihn nicht umgebracht hast, um Stoff für einen Eintrag zu haben, geht das in Ordnung… 😉
Den Autor kannte ich auch noch nicht. Habe mir gleich mal „Schrecklich amüsant …“ bestellt.
ich habe mehr Erfahrung mit Giftmorden
Interessant, ich dachte, die werden hauptsächlich von Frauen verübt…
das sind meine weiblichen Anteile!
Wie jetzt? Unsere belesene Paulae kennt mal einen Autor nicht???
Und ich hatte dich für einen knallharten Macho gehalten!
Für den deutschen Titel kann Wallace wenig. Im Original heißt das Buch »A Supposedly Fun Thing I’ll Never Do Again«, das trifft es besser.
Schein und Sein, Señor!
Oh man, so etwas ist immer schrecklich…
Kennt Du vielleicht Bücher von Wallace?
Wie makaber das Ganze sich anmutet
Hier zeigt sich es mal wieder, dass berühmt und Reichtum nicht vor Unglück und Verzweiflung schützen
ich kenne nur edgar wallace oder george wallace (der aus alabama aber ohne bajo, dafür dann erschossen) und wallace, den netten alten erfinder aus der serie wallace and gromit von nick parks 😉
und dass man einen 46jährigen jung nennt, find ich klasse, somit kann ich mich ja dan wohl auch noch zu den jungen autorInnen zählen…
und irgendwie fand ich es schon immer bemerkenswert, dass broom fast so klingt wie groom – the groom cleans up the room with a broom…
schönen sonntag noch, hatte heute morgen die erste eisschicht dieses herbstes auf der windschutzscheibe
Ich kenne seine Motive nicht, aber sonderlich reich war er wohl kaum.
An der Bezeichnung »jung« erkennt die Fachfrau das Alter des Berichterstatters
In Börlin ist es auch bereits winterlich kalt, und die Radio-Praktikantinnen, die das Wetter vorlesen dürfen, murmeln von »Nachtfrösten«
Mir geht’s ’n bisschen wie Pittiplatsch (dem Blogger „da oben“, nicht dem Kobold aus Adlershof von vor der Wende, muahaha!): dass sie Einen erst lieben, wenn man tot ist, hat wohl Mr. Lennon angemerkt…
Jedenfalls ist mein „Friedhof der ungelesenen Bücher“ (Zitat Frieling, ich weiß nicht, ob Du den Typen kennst; illuster Kunde insgesamt) wieder um einen Autoren reicher…
Erschöpft
Der G.
illustrer, kruzilotsapperfix noch eins aber auch!
dies mache ich doch gern, lieber frieling!
morgen bin ich an der saale hellem strande in händels geburtsstadt. und was soll ich sagen: vielen magneten gibt es dort im zentrum 😉
vorher muss ich mich aber noch um peter hoegs smilla kümmern, dort stecke ich gerade mittendrin (in den malpausen)…
liebe grüsse und einen schönen abend, jenne
Schade, vieleicht war er zu sensibel, ….
🙁
Das Buch muss ich mir auch mal „reindruecken“….
Ich habe das Buch schon, und ich glaube mich zu erinnern daß du es mir sogar mal empfohlen hast, was letztendlich zum Kauf führte. Schade um den Mann, ich hoffe er hat sich diesen wahrlich letzten Schritt gut überlegt. Erhängen wäre ja nun nicht die Methode meiner Wahl…
Requiescat in pace!
Stimmt, den Buchtipp habe ich auf dem Gewissen und das Erhängen wäre auch nicht gerade mein favourite
Ich habe heute erst wieder mal übers Reisen sinniert, als ich alte Fotos eingescannt habe. Du kannst dich doch bestimmt noch erinnern wie man früher immer fotographiert wurde wenn man am Urlaubsziel aus dem Flugzeug stieg… mann, waren das noch Zeiten!
Aber sicher doch DAMALS WAR´S
Mein Prinz!
Wir hatten doch Russisch!!!
Pardon, Herr Graph!
мир праху твоему
Ich hatte vergessen, dass ich es ja mit einer allseitig gebildeten kapitalistischen Persönlichkeit zu tun habe…
Aber Latein kann ich (Latein für die Unterschicht)!
„Hick – Rotz! Hick – Selter!“
In diesem Sinne zieht sich in seine Depression zurück
Der G.
Na denn Prost, Herr G.!
Ich bin immer noch lernfähig. 😉
Lernen ist aller Laster Anfang!
Na dann nehm ich doch lieber einen PKW. 😉
Die Sprache hatten wir auch nicht…
Der „Friedhof der ungelesenen Bücher“, das ist eine gute Formulierung,
„Friedhof der Kuscheltiere“
„Friedhof der ungehörten mp3-Dateien“
„Friedhof der ungeliebt gebliebenen Frauen“ …
Lustig, viele Grüsse, thomas
Der von dir zuletzt genannte Friedhof ist wohl der umfangreichste
Hihi, mir hat das Buch auch gut gefallen. :))
Hurra, noch ein Wallace-Fan!
Kennst Du vielleicht noch mehr von dem Herrn?
Nein, leider nicht. Kannst du mir was empfehlen (ich hab grad keine Zeit die ganze Kommentarflut zu sichten)?
Reich war er nicht, aber er wird schon sein Auskommen gehabt haben, er hat zuletzt immer wieder für prominente Magazine geschrieben und ansonsten am Pomona College creative writing unterrichtet (wofür gerade dieser Autor prädestiniert war wie kaum ein anderer). Zu den „Motiven“: Sein Vater hat jetzt gesagt, dass DFW seit 20 Jahren Medikamente gegen Depressionen genommen hat (wovon in der Öffentlichkeit nichts bekannt war) und seit letztem Sommer vermehrt Probleme hatte, mehrfach im Krankenhaus war und immer schlechter zurechtkam.
Ich bin nach wie vor geschockt und fassungslos. DFW ist für mich der großartigste Autor, den ich jemals gelesen habe. An „Infinite Jest“ bin ich in der Originalversion zwar bei drei Versuchen jedes mal gescheitert und fiebere mit jedem neuen verschobenen Veröffentlichungstermin der deutschen Übersetzung (und derer gab es einige, momentan ist es für Herbst 2009 angekündigt) diesem Werk entgegen. Aber seine ersten beiden auf deutsch erschienen Storysammlungen haben mein Leben verändert. „Kleines Mädchen mit komischen Haaren“ ist vermutlich das Buch, das ich so oft verschenkt habe, wie alle anderen zusammen. Jedem, der sich auch nur ansatzweise für Literatur interessiert, lege ich diesen Autor aus- und nachdrücklich ans Herz.
Ich warte auf die Übersetzung seines hoch gelobten tausendseitigen Hauptwerkes »Infinite Jest«, die ist für 2009 angekündigt. Das Original ist mir zu schwierig, da hapert es an Sprachfertigkeiten.
Auf »Infinite Jest« warte ich auch schon gespannt. Du hast Dich immerhin getraut, das Original zu lesen, ich habe schon nach kurzem Blättern in dem Tausendseiter die Waffen gestreckt!
Mhm, wenn, dann will man ja auch alles verstehen, oder?
Dann warte ich mal ab, wies dir gefallen hat. 😉
Nein, habe bisher keine von ihm gelesen. Sein Name sagt mir ehrlich gesagt auf Anhieb auch gar nichts. Trotzdem ändert es natürlich nichts an der Tragik.
Ich finde das Schrecklich amüsant
und dann schreibt er das Leben ohne mich und macht sich vom Acker.
Schrecklich amüsant, das Leben es ist nur: leere Worte
Der Tod ist nur Zahlen
Von der einen Seite sieht man das liebe Jesulein, von der anderen Seite den blutenden Selbstmörder.
Etwas rein Ästhetisches, das sich jeder Logik entzieht; eben Dichtung.
Vielleicht doch alle umsonst gestorben?
Aber wären wir nicht soweit, wenn wir nicht alles falsch verstanden hätten?
Die Kunst zu Sterben. Der Tod ist das einzige authentische Still-Leben – wenn man hier überhaupt von „Leben“ sprechen kann. Man sollte das mal von der Seite sehen.
Ich finde, jeder der einen Roman geschrieben hat sollte sich frühzeitig davonmachen. Bei den Manns wäre uns vieles erspart geblieben.
Gilt das auch für Lyriker???
Deine Frage: Gilt das auch für Lyriker?
Natürlich gilt das auch für Lyriker, aber es gilt einzig nicht für die Lyrik.
Für den der spricht, oder redet, der schreibt…
Es ist die Rede nicht gehalten oder das Buch nicht geschrieben. Deine Emotion über das Buch oder den Autor sind alleine aus dir.
Das Buch : Schrecklich amüsant pp oder der Autor David Forster z.B. haben nicht außerhalb von dir existiert.
Wie konnte er sich da umbringen?
Gruß Manfred
Ich habe das Buch jetzt gelesen, es ist nicht schlecht, aber mit dem Wissen um das Ende des Autors liest man es zwangsläufig mit anderen Augen, ich habe mich ertappt, im Text nach Anzeichen einer aufkommenden Depression zu suchen.
Und? Hast du derartige Signale entdeckt???
Ich bewundere, wie viel du liest. Derzeit kämpfe ich mit einer abgerauchten Festplatte und tausend anderen Widrigkeiten des realen und virtuellen Seins. Ich müsste dringend mal wieder ein Buch anfassen.
Er hat einige Male anklingen lassen, dass diese Art von Kreuzfahrtvergnügen Depressionen fördert.
Ich nutze halt die Zeit in der Bahn zum intensiven Lesen, ohne Lektüre wäre das nur schwer zu ertragen.
Viel Glück mit deiner Festplatte und allen anderen Widrigkeiten!
Lieber Rupi!
Das Buch habe ich mir angeregt durch dich gekauft. Es hat mich befremdet und ich fand es absolut nicht lustig – aber es hat mir gefallen. Gefallen wie ein Haus, das man betrachtet und schön findet, aber nicht darin wohnen möchte.
Auf jeden Fall fand ich eine sehr große Traurigkeit zwischen den Zeilen.
Nun ist mir im Netz David Foster Wallaces letzte große Rede begegnet und ich möchte es nicht versäumen, an dieser Stelle
einen Hinweis darauf zu geben
http://www.welt.de/kultur/article2952066/Die-enorme-Last-des-Erwachsenwerdens.html
Liebe Grüßchen für ein ganz „prima“ Jahr
Gudschi
Eine enorm gehaltvolle Rede, vielen Dank für den Link, ich kannte sie noch nicht. Ja, bei Wallace ist eine Menge Tiefgang zwischen den Zeilen, und auch aus der Beschreibung seiner Seereise schwingt immer wieder Trauer zwischen einer angewiderten Amüsiertheit.