Mit Thomas R. P. Mielke ging am 31. August 2020 ein großartiger Erzähler und Autor in den Bücherhimmel ein. Mehr als 70 Heftchenromane und ein gutes Dutzend hochkarätiger historischer Romane wie »Gilgamesch« und »Attila« bleiben als Vermächtnis seiner Karriere zum Bestsellerautor zurück.
Thomas Mielke wurde am 12. März 1940 in Detmold geboren. Er ging zur Bundeswehr und war in einer Hannoveraner Kaserne an der massenhaften Öffnung von privater Briefpost aus der DDR beteiligt. Die »Feindbeobachtung« setzte er dann fort in der »Truppe für Psychologische Kriegsführung«, deren Auftrag in der Beobachtung des anderen deutschen Staates sowie linker Gruppen in der BRD bestand.
Nach seiner Zeit bei der Bundeswehr, die er stets kritisch sah, arbeitete er ab Mitte der 1960er Jahre als Jung-Texter in der Werbeagentur Lintas in Hamburg. Dann ging er als Creative Director zu Ferrero nach Oberitalien. Gern bezeichnete er sich als Erfinder der beliebten »Kinder-Überraschungseier«.
Zurück in Deutschland folgte eine kurze Zeit bei der Werbeagentur Bollman in Blomberg (Lippe). Dort arbeitete er unter anderem für meinen Vater und modernisierte die Wort-Bild-Marke »Frieling«-Eule. Über dieses Markenzeichen, das ich zwanzig Jahre lang für meinen Verlag verwendete, lernten wir uns später in Berlin kennen.
Thomas war damals Kreativ-Direktor der Werbeagentur »Uniconsult« und buchte mich zur Vorbereitung der Ausschreibung des Berlin-Etats. Zusammen mit Bernd Vrubilauskaite wurde ich eine Nacht in die Residenz der Agentur in der Lassenstraße »eingesperrt«, um das Konzept für die Präsentation zu erarbeiten.
Am nächsten Morgen hatten wir den Slogan »Berlin tut gut« ersonnen. Ich bekam einen fetten Scheck über DM 10.000,00 – und die Agentur siegte über ihre Mitbewerber. Die Kampagne »Berlin tut gut« lief so gut, dass die Stadtverwaltung weit über die ursprünglich geplante Laufzeit von vier Jahren daran festhielt.
Später wurde Thomas R.P. Mielke Mitgeschäftsführer der Agentur »RTGM«, und auch hier arbeiteten wir bei verschiedenen Projekten miteinander. Dabei begeisterte mich Thomas immer wieder mit Schilderungen, wie er seine Heftromane verfasste. Als Ausgleich zu dem enormen Stress, den die Werbebranche mit sich bringt, schrieb er sich die Seele aus dem Leib und in jeweils nur einer Nacht einen kompletten Roman.
Mielke setzte sich nachts in seine Küche an eine Reiseschreibmaschine und tippte in Rekordgeschwindigkeit. Ein Blatt nach dem anderen flatterte auf den Fußboden, und am frühen Morgen war der Roman fertig. Der Autor sammelte die Blätter auf, steckte sie in einen Umschlag und schickte sie seinem Verlag. Er warf keinen weiteren Blick auf sein Opus, achtete nicht einmal auf die richtige Sortierung der Seiten. – Korrekturlesen? »Das können die im Verlag machen«, meinte er dazu. Ich war baff.
Auf diese Weise entstanden mindestens 70 Romane für die Reihe »Zauberkreis Science Fiction« und die Serie »Rex Corda«. Thomas Mielke verfasste Science-Fiction, Spionageromane, Agenten-Thriller, Krimis und okkulte Stories. Er veröffentlichte unter verschiedenen Pseudonymen: Mal nannte er sich Mike Parnell, Michael C. Chester, Bert Floorman, Henry Ghost, Roy Marcus, Marc McMan, Marcus T. Orban oder John Taylor. Seiner Phantasie waren keine Grenzen gesetzt, und es dauerte nicht lange, da erweiterte er seinen Klarnamen zu »Thomas R. P. Mielke«. »R.P.« stand dabei für »Reine Phantasie«.
Zusammen mit dem früheren »MAD«–Herausgeber Rolf W. Liersch mit dem Mielke bei »Uniconsult« zusammenarbeitete, hatte er Mitte der 1970er Jahre auch das Konzept der alternativen Science-Fiction-Serie »Die Terranauten« entwickelt. Dabei handelte es sich um eine wöchentliche erscheinende Reihe, die sich bewusst gegen Perry-Rhodan-Hefte positionierte und sozial- und gesellschaftskritisch angelegt war. 99 Romane erschienen.
Ab 1988 widmete sich Thomas Mielke ganz dem historischen Roman. »Gilgamesch. König von Uruk«, »Karl der Große« und »Attila, der Hunnenkönig« erschienen bei Schneekluth. Eine Avignon-Trilogie wurde von Fischer herausgegeben. »Colonia, Roman einer Stadt« fand über Emons begeisterte Leser.
Thomas Mielke war auch in seiner Zeit als Heftchen-Autor stets kritisch engagiert und alles andere als ein Trash-Schreiber. Seine Bücher sind lesenswert, seine historischen Romane finden sich in jeder besseren Buchhandlung. Er ist ein leuchtendes Beispiel für die Entwicklung eines anspruchsvollen Autors vom Heftchenschreiber zum Verfasser dickleibiger Bestseller auf hohem Niveau.
Ich habe Thomas Mielke stets bewundert aufgrund seiner Konzentrationsfähigkeit und seiner Willenskraft, Projekte durchzuziehen. Ein aktuelles Interview für ein Lebensporträt, das wir vor der Corona-Pandemie verabredet hatten, kam leider nicht mehr zustande.
R.I.P. lieber Freund und Kollege!
Eine Karriere wie sie wohl nur wenige Menschen vorzuweisen haben. Hat der Autor auch mal seine Erlebnisse als Informationsbeschaffer für die westdeutschen Geheimdienste in irgendeiner Form literarisch verarbeitet?
Ja, das hat er mit dem Roman „Der Tag, an dem die Mauer brach“ gemacht.
Lieber Herr Frieling. Vielen Dank für die Erinnerung. Ein schöner Bericht. Doch die Villa der Uniconsult befand sich in Berlin Grunewald in der Lassenstraße. In Berlin-Wansee war der private Wohnsitz. Auch war unser Vater nicht Lehrling im Münsterland. Seine ersten Sporen verdiente er sich ab Mitte der 1960er Jahre als Jung-Texter in der Werbeagentur Lintas in Hamburg. Dann ging er als Creative Director zu Ferrero nach Oberitalien und dann erst folgte ein kurze Zeit bei einer Werbeagentur in der Nähe von Detmold. Dort muss das Frieling-Logo entstanden sein. Ich erinnere mich dunkel 😉 – Liebe Grüße.
Toll! Danke für die Ergänzungen, ich werde es korrigieren. Da sieht man, das Gedächtnis ist mitunter ein schlechter Zeuge.
Vielen, vielen Dank❣️
Danke, Mac.
Bei dem Standort von Uniconsult hatte mich meine Erinnerung getrübt. Residenz ist wohl die angemessenere Bezeichnung für die Villa. Allein der Treppenaufgang war eine gern genutzte Filmkulisse.
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