Meiner im Herbst erscheinenden Autobiographie entnehme ich heute ein kleines Stück: Als junger Mann trampte Prinz Rupi im Zuge der Flower-Power-Zeit durch Europa, lebte ein Vierteljahr in London und landete schließlich mit knapp 17 im damaligen Westberlin. Dieser Ort brachte den seinerzeit unschätzbaren Vorteil mit sich, nicht zur Bundeswehr zu müssen
INSULANER IM ROTEN MEER
Bei meinem Eintreffen in Westberlin 1968/69 brannte die Luft, und es roch aus allen Ecken und Winkeln nach Straßenkampf und Revolution. Die ummauerte Stadt erlebte die aufregendste Zeit seit Kriegsende. Studenten, Schüler und Auszubildende errichteten Barrikaden und lieferten sich erbitterte Straßenschlachten mit der Staatsgewalt. Der Kurfürstendamm verwandelte sich Abend für Abend in eine spannungsgeladene Diskussionsmeile. Kraftstrotzende Demonstrationszüge zogen durch die Stadt. Lautstarke Teach-Ins und hochfliegende Büttenreden im Audimax der Universität zählten zur Tagesordnung. Rote Fahnen knatterten im Wind. »Nun ist die Luft von solchem Spuk so voll, dass niemand weiß, wie er ihn meiden soll«, lässt Goethe seinen Faust im zweiten Teil sagen, und genauso infizierte mich die Aufbruchstimmung in Berlin.
Hunderttausende rebellierten gegen den Vietnamkrieg und das bestehende gesellschaftliche System, gegen staatliche Autoritäten, gegen Reaktionäre in Politik und Verwaltung, gegen die Ewiggestrigen und den Muff von tausend Jahren unter den Talaren. Wir wollten mit der älteren Generation abrechnen, die Hitler und den Zweiten Weltkrieg ermöglicht hatten, zumal viele ehemalige Nazi-Funktionäre wieder an den Schalthebeln der Macht saßen. Wir waren die Generation der »Vatermörder«, wie Modeschöpfer Wolfgang Joop einmal spitz bemerkte. Es war die Blütezeit der als APO berühmt gewordenen außerparlamentarischen Opposition, deren Aktivisten Deutschlands überfällige Liberalisierung in Gang setzten. Wer bislang noch nicht politisiert war, wurde spätestens mit der Übersiedelung in Richtung Funkturm zum Revoluzzer. Ich hielt es bei meiner Ankunft am Bahnhof Zoologischer Garten mit Dante Alighieri, dessen »Göttliche Komödie« ich auf der Zugfahrt in meine neue Heimat gelesen hatte. Darin sprach mir Italiens bekanntester Dichter aus dem jungen Herzen: »Der eine wartet, dass die Zeit sich wandelt, der andere packt sie kräftig an und handelt«.
Ein Siebzehnjähriger, der in bewegten Zeiten mutterseelenallein und mit einem Seesack voller Träume nach Berlin kommt, sucht sozialen Schutz. WGs genannte Wohngemeinschaften boten die besten Möglichkeiten, mit Gleichaltrigen Kontakt zu bekommen und preiswert zu überleben. WGs standen außerdem als alternative Lebensformen im Mittelpunkt des Interesses junger Leute. Sie bildeten die praktische Alternative zur klassischen Familie, deren Enge verantwortlich gemacht wurde für Kleingeistigkeit und reaktionäres Denken. Sie boten eine Wohnform, die sich in den verschiedensten Formen langfristig etablieren sollte. Der Staat interpretierte sie als besonders heimtückischen Angriff auf die Familie als kleinste Zelle des Staatswesens, und Kirchenfürsten bekamen Herzinfarkte im Dauerabonnement, weil ihre Moral praktisch infrage gestellt wurde.
Die WG, in die ich durch Vermittlung von Freunden einzog, hatte sich als Untermieter in einer weitläufigen Berliner Altbauwohnung in der Heilbronner Straße 3 in Schöneberg eingenistet. In Spitzenzeiten bewohnten bis zu vierzehn Gestalten zwei große Berliner Zimmern und eine Kammer, sie teilten sich Betten, Couches und Matratzen. Unsere Schlafgelegenheiten, Mobiliar vom Sperrmüll und Trödel, waren an den Wänden aufgereiht, und es galt eine ungeschriebene, aber feste Hierarchie: diejenigen, die neu einzogen, mussten mit den schäbigsten Plätzen vorlieb nehmen. Je zwei Mann teilten sich eine Matratze oder ein Sofa. Das wurde mitunter zu einer recht knirschen Angelegenheit, aber da manche der möblierten Herren bevorzugten, tagsüber zu ruhen und nachts auszuschwärmen, war am Abend die Schlafstatt für den nächsten Kandidaten frei.
Die Fluktuation in unserer WG war erheblich. Es ging zu wie in einem überquellenden Taubenschlag. Nahezu täglich flogen neue Bewohner ein und aus. Ich arbeitete mich im Laufe der Wochen auf einen Frischluftplatz am Fenster vor und bezog schließlich als Krönung ein kleines Nebengelass, das ich nach zwei Monaten alleine bewohnte. In der Mitte des großen Berliner Zimmers stand ein ausziehbarer Holztisch, auf dem sich Zeitungen, Flugblätter, Pfeifen, Tabak, Zigarettenpapier, Gläser, Flaschen und Essensreste türmten. An den Wänden unserer Behausung hingen lebensgroße Seidenbilder von Marx, Engels, Lenin, Stalin und Mao Tse Tung, die der Propagandaversand Guozi Shudian, Postfach 399, Peking/Volksrepublik China gemeinsam mit der wöchentlich erscheinenden »Peking Rundschau« und der knallbunten Monatsillustrierten »China im Bild« in unser Heim schickte und uns von einem sozialistischen Utopia träumen ließ.
Aus heutiger Sicht frage ich mich manchmal, wieso ich Despoten wie Stalin oder Mao in mein Herz schloss, wo ich doch unabhängig, antiautoritär und frei leben wollte. Sie erwiesen sich letztlich als Tyrannen, die hunderttausende Menschen für ihre Ideen opferten. Doch es ging eine enorme Faszination von diesen Leitfiguren aus, sie waren Idole für viele. Ersetzte uns Vorsitzender Mao mit seinem patriarchalischen Gehabe vielleicht den Vater, da wir blutjung von zu Hause ausgebrochen und in die Fremde gezogen waren? Pflanzten die faschistischen Strukturen, die das Dritte Reich in die Hirne unserer Eltern implantierte, sich quasi genetisch fort, so dass wir auf die Suche nach neuen Führern gingen, um Orientierung und Halt zu finden? Oder war es lediglich ein oppositioneller Schulterschluss mit Politgrößen, die von der herrschenden politischen Kaste abgelehnt und zu Feindbildern erklärt wurden?
Es böte Soziologen und Psychologen ein weites Feld, zu ermitteln, welche Parallelen zwischen den Eltern-Kind-Generationen und ihren Idealen bestanden. Vielleicht lässt sich damit sogar ermitteln, ob es tatsächlich so etwas gibt wie den genetisch codierten deutschen Untertanengeist, den Heinrich Mann in seinem Roman »Der Untertan« am Aufstieg und Fall des Diederich Heßling anschaulich beschreibt.
Unsere Informationen über die sozialistischen Superstars jedenfalls waren dürftig und von extremer Einseitigkeit. So schwer es aus heutiger Sicht ist, selbstkritisch zu urteilen, wir irrten in der Wahl unserer Helden, und es gibt keine Entschuldigung dafür, dass wir einen Personenkult pflegten, den wir zugleich nach außen hin heftig bekämpften. »Freiheit ist die Freiheit des Andersdenkenden«, hatte die Sozialistin Rosa Luxemburg gefordert. Aber dieser Gedanke stand nicht unbedingt auf unseren Bannern geschrieben, wenngleich wir diese Freiheit auch und vor allem für uns reklamierten.
Und ich saß in der Zeit im Ruhrpott fest, Duisburg damals biedere Provinz – 2/3 Jahre zu jung um mitzumachen – als ich dann lange Haare hatte war es schon fast wieder out 😉
Super, der Frü(ie)hling ist gerettet! 😀
Ich bitte allerdings, das obige Foto zu entfernen, ich kann mir jetzt wieder endlose Schwärmereien anhören…;)
Und nun stell Dir mal vor, Du hättest damals tatsächlich schon das Medium blog zur Verfügung gehabt.
Das hätte dann in der WG vermutlich öfter Ärger gegeben, wer nun als nächster an den PC darf.
An den PC??? Wenn schon, dann an den Mac, lieber Remo. Aber der kam erstmals anno 1983 auf meinen Tisch.
Manchmal bin ich neidisch auf deine Generation. Weil es damals beinahe als Normal erschien, die festen Normen zu brechen und zu rebelieren. Heute muss man ne Mülltonne als Grill tarnen, wenn man sie anzünden will.
Vielleicht ist aber auch meine Generation nachlässiger geworden und wieder mehr wie diese, die für die Weltkriege „verantwortlich“ war.
Hast du schonmal darüber nachgedacht, dass diese Personen – egal wie grausam sie waren – auch als Befreier von der Last der Geschichte gelten konnten? Vielleicht war das auch einer der Sachen, die an ihnen faszinierten. Da kommt jemand, und beginnt einfach so eine neue Welt. Schüttelt alles alte Leid ab und beginnt von neuem. Dumm nur, dass das noch schlimmer weiterging, als das davor. (Wahrscheinlich lieg ich mit der Einschätzung falsch, aber… egal.)
Schon spannend zu lesen was alles geschah in der Zeit als ich gerade das Licht der Welt erblickte.
Die Ähnlichkeit von damals zu heute ist geblieben, wenn ich mir die Fotos betrachte. Zeitreise. Schön.
Stets zu Dienst, junger Herr.
Leider lässt sich das Foto nicht mehr entfernen, der neue Wizard verhindert das auf heimtückische Weise (vermutlich bestochen).
Eigentlich war ich damals auch noch viel zu jung, aber ich brach einfach auf – und habe das unendliche Glück gehabt, nicht in irgend einen der zahlreichen Abgründe gestürzt zu sein.
Bin ich durch den »BildBlog« drauf gekommen, die machen auch gerade »Bloggen vor 40 Jahren« und zitieren die satirische Zeitschrift »Pardon« aus jener wilden Zeit.
Eine sehr lesenswerte Darstellung, die mehreres bietet: Anspruchsvolle Unterhaltung, Zeitgeschichte sowie selbstkritische und politische Reflexion.
Ja, das ist verrückt: damals war ich fast so alt wie du es heute bist, und wir begegnen uns heute im virtuellen Raum. Tauschen würde ich ungern, die damalige Zeit war um vieles aufregender als das, was heute so läuft. Wir waren voller Ideale und Träume, das Feindbild war klar, wir setzten uns für Love and Peace ein und waren von Typen angetan, die radikale Neuanfänge wagten.
Für mich war es eine echte Herausforderung, den eigenen Lebensweg aufzuschreiben und mich mit dem eigenen Weg auseinander zu setzen. Kann ich jedem – unabhängig vom Alter – nur empfehlen.
Vielleicht wirds in der Zukunft noch mal spannender. Und irgendwie ists auch ganz angenehm, dass die Welt gerade nicht so aufregend ist. Find ich.
(Deine Autobiografie würde ich ehrlich gerne lesen. Wann ists denn soweit?)
Hoffentlich irrst du nicht mit dieser Auffassung. Ich finde, es ist höllisch gefährlich, seitdem das Gleichgewicht der Mächte zerbrochen ist. Die Amis führen Krieg, Israel metzelt die Palästinenser nieder, Deutschland spielt in Afghanistan den Weltpolizisten und versucht sich sogar als Freibeuter der Meere. Das ist alles kein Spaß sondern ein Tanz auf dem Pulverfass. Wenn ich dann noch die wirtschlaftlichen Parameter dazu rechne, dann muss ich schwer schlucken.
Muss eine spannende Zeit gewesen sein, da wäre ich gern dabei gewesen, jetzt freue ich mich halt auf deine Memoiren.
Typisch, dieser neue Wizard ist des Teufels!
Ich rechne im März damit. Ich hänge mit dem Bildmaterial.
Ich hab da auch ein Foto von 1969 gefunden, das den jungen DF darstellt. Da sind doch unübersehbare Ähnlichkeiten.
Ich muss noch einige olle Fotos suchen und digitalisieren, und ich bin bekanntlich ein fauler Hund. Wird also noch ein klein wenig dauern, bis der Chefrezensent der Literaturzeitschrift alles bekommt. Jetzt gibt es erst einmal Testhäppchen
Igittigitt – ein Langhaariger! Und dann noch ein gestreiftes Hemd – womöglich grün?
Rot und grün!
Der Weizen-König soll schon mal seine gigantische PR-Maschinerie anschmeißen!
Bravo! Dazu gehörte eine knallenge Hose mit superbreitem Gürtel.
Der Verkauf von zehn Exemplaren wäre damit gesichert!
Ach, lieber Rupi, an welche Ecken rührst Du. Damals habe ich meine Frau aus Berlin nach Köln geholt und stand und schaute, wie die Studenten gegen den Schah demonstrierten und wie die Bullen mit Pferden in die Menge ritten. Das war nicht Film, sondern Wirklichkeit. Und heute war ich mit meiner Frau und 1500 Muslimen zwei Stunden auf der Straße, um gegen das Unrecht im Nahen Osten zu demonstrieren. Aber wo blieben die Studenten heute. Unsere Landsleute konnten wir mit zwei oder drei Händen abzählen. Erschütternd der zigfache Dank von Frauen und Männern für unser Dabeisein, die um ihre Brüder und Schwestern in Gaza bangen müssen. Ach, lieber Rupi ….
Ich nehme doch an, er wird eine Lesung in der ausverkauften LTU-Arena zu Düsseldorf organisieren, mit Satelliten-Übertragung in 482 Länder, oder so…
So lange die Ösis nicht für die Übertragungstechnik zuständig sind, finde ich das okay.
Die Übertragung bekommt Medienprofi Pocemon übertragen. Die Schweizer Technik kostet zwar mehr, ist aber zuverlässig wie ein Uhrwerk. Und im Vorprogramm treten die Rolling Stones auf!
Die Zeiten haben sich gewaltig geändert in den zurück liegenden vierzig Jahren, und mir laufen kalte Schauer über den Rücken, wenn ich an die Parallelen denke, die du mit voller Berechtigung ziehst. Es ist leider so, dass sich heute USA, Israel und letztlich auch bundesdeutsche Soldaten durch fremde Länder bewegen und den Tod bringen. Damals gab es eine Weltfriedensbewegung, die dazu beitrug, die Amis in Vietnam zu besiegen. Heute sitzen die Leute vor dem Fernseher und schauen sich Volksmusikanten an.
Dann sind die alten Herren ja wieder unter sich
Sogar ich kann für dieses Foto schwärmen. Werde mir ein Poster davon machen. Das Poster mit Uschi und das
Foto mit Frieling. Ein schönes Paar!
Uschi O. kommt natürlich auch in meiner Bio vor, allerdings erst einige Kapitel später
😉
Ich freue mich schon auf das Kapitel deiner Begegnung mit Präsident Castro, das will ich ganz genau wissen! :yes:
Huch, da muss ich ja noch mehr schreiben
Mit einem Photo von 68 kann ich lleider nicht dienen, dennoch ein interessanter EInblick in Deine Vergangenheit, die ja auch irgendwie die Vergangenheit vieler ist 🙂
Frag mal deinen Daddy, wie er damals rumgelaufen ist
Dafür sitzen jede Menge junge Frauen im Publikum und werfen mit ihren Höschen!
Yep. Wie sollte es anders sein!
Ich werde mir eine Schlangenhaut schneidern lassen.
1968/1969 war ich 4/5 Jahre alt. Ich erinnere mich aber noch an meinen ersten politischen Kommentar aus dieser Zeit: Auf dem Weg zum Supermarkt mit meiner Mutter begegneten wir einer Demo. Ich fragte meine Mutter erstaunt und verängstigt, was die schreienden Leute mit den Stofftüchern denn da machen. Sie antwortete, dass das Studenten sind, die demonstrieren. Ich erklärte ihr daraufhin, dass ich dann nicht studieren möchte, wenn man dann schreiend durch die Straßen laufen muss.
Vermutlich wurde durch diese kindliche Traumatisierung meine akademische und politische Karriere bereits vor meiner Einschulung beendet. Ich habe nicht studiert – und ich habe in meinem ganzen Leben auch nicht an einer einzigen Demo teilgenommen. Ihr Alt-68er habt mir mein Leben versaut! Aber altersmilde verzeihe ich Euch. 🙂
P.S.: Die Demo-Geschichte hat sich wirklich so zugetragen.
Jau, und deinen Auftritt zelebrierst du wie der Lizard King Jim Morrison!
Vorher werde ich aber bei dir ein paar Probestunden nehmen.
Sehen wir es doch mal positiv: durch die poetischen Kostbarkeiten, die wir damals skandierten (»Bürger runter vom Balkon, unterstützt den Vietcong«, »Alle Macht den Räten, brecht dem Staat die Gräten«, »Wer zwei Mal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment« usw.) hat du eine frühe Affinität zum Werbetexten entwickelt. Dieser wundervollen Rebellenarmee verdankst du ergo deine beispiellose Karriere durch die Tiefen des Werbebusiness.
Hätte ich damals nur gelebt…_seufz_
Soooo toll war es damals auch nicht. Das verklärt sich alles ein wenig im Laufe der Jahrzehnte.
ach….;)
Sehr treffend für die Zeit der 68er finde ich Dein benutztes Zitat von Goethe, aus dem Faust. Dieser Spuk auf den Straßen zog sich tatsächlich bis in entlegenste Nischen bürgerlicher Wohnstuben, und war auf einmal Thema. Für mich war diese Zeit ein großer (gefühlter) Befreiungsschlag gegen Obrigkeit in (fast) allen Lebensbereichen, vor allem in politischer wie kultureller Hinsicht.
Meine Gene lassen es schon lange nicht mehr zu, mein Äußeres an Karl Marx zu orientieren. Das gemeinsame „Rote Rübe Ziehen“, nach Maos Schriften empfohlen, ist mir ebenso suspekt, wie die von Dir erwähnten Despoten, die ich, fein säuberlich geschichtet, stets auf meinem Nachttisch liegen hatte. Ich bin gespannt auf den gesamten Text, und freue mich, dass Du das Thema aufgreifst.
Gruß Jörg
Hmm, klingt plausibel. Ich sollte wohl langsam doch mal eine Psychoanalyse in Angriff nehmen.
1968 erschien bei rororo aktuell ein Bändchen von Günter Amendt unter dem Titel »Kinderkreuzzug«. Das trifft es aus meiner heutigen Sicht noch am besten.
PS. Du hattest also damals einen Nachttisch! Damit wärst du aber bei jedem revolutionären Rollkommando durchgefallen!
😉
Aber bitte erst, nachdem du die oben von Spieler7 angeordneten Werbemaßnahmen erfolgreich durchgeführt hast!
😉
Hier kannst du schon mal anfangen:
http://www.youtube.com/watch?v=ecX196QERf8&feature=related
Oh ja, Gremlitzer erwähnte es auch mal in der „Konkret“, ich erinnere…, ist einige Jahre her. Vielleicht finde ich es bei Gelegenheit.
Nachttisch? Es war tatsächlich eine ausgediente, hölzerne Werkzeugkiste.
Rider on the star!
Mit einer Werkzeugkiste bist du selbstredend rehabilitiert.
😉
Was hast du denn 1968/69 getrieben?
Rupi, da hatte ich noch Hemd und Hose in einem an.
Hast du die Brille noch? Die ist jetzt wieder modern!
Damit Euer Durchlaucht 10 Buchexemplare verkaufen kann? Ich habe diesen äußerst kränkenden Kommentar sehr wohl wahr genommen – und googel gerade nach Schaffarmen in Neuseeland, die zum Verkauf stehen. 🙁
Interview mal deine Eltern, was damals bei Euch abging. Da war auch einiges los. Die »Revolution« hat nicht einmal vor den Toren Wiens respektvoll Halt gemacht.
Das ist doch ein tolles Ergebnis, Hochwohlverbogen! Mehr als drei Prozent Erfolg bringen nur sehr wenige Kampagnen. Also rechne mal hoch! Du erreichst ergo immerhin wenn nicht sogar noch viel mehr!
Five to one, baby, one in five
no one here gets out alive!
Bitte zurück treten von der Bahnsteigkante!
Das bedeutet dann also, dass sich Eure prinzliche Bohei betriebswirtschaftlich im grünen Bereich befindet. Herzlichen Glückwunsch!
Dennoch sehe ich meine Zukunft eher in der Schafzucht. Denn warme Pullover aus Schafswolle werden bestimmt demnächst sehr nachgefragt sein – wenn die Russen den Gashahn zudrehen. 🙂
Denn morgen kommt vielleicht ein Zug!
Meine Aktivitäten waren auf Hamburg beschränkt: Amerikahaus, Springer, Schahdemo usw. usf., eigentlich fast täglich Demo. Ein fleißiger Werktätiger war ich vor allem. Die Theoriearbeit der Kaderschmiede der HfbK-Aktivisten (der Satz klingt wie: Der Schatten des Körpers des Kutschers) versäumte ich um keine Stunde. Abendgymnasium und Studium der Visuellen Kommunikation, Jounalistik folgten.
Ein Zug wird kommen,
und dir den einen bringen
Wir sind Deutschland!
Um Gottes Willen, das hat man aber 1970 in Berlin nicht gesungen!
…kann man das so uneingeschränkt sagen?
Mit einem Schuß schwarzen Humor gewürzt: JA.
Dann bin ich einverstanden!
Nur so meinte ich es und glaube, da sind wir auf einer Wellenlänge
…ganz und gar; gut zu wissen!
Ein interessantes Thema, spannend erzählt. Auf „unserer“ Seite der Mauer ging es allerdings nicht ganz so romantisch zu. Dafür sahen wir zig-fach den toten Benno Ohnesorg, von deutschen Polizeikugeln getroffen. Solche Bilder – und natürlich die dazugehörigen Kommentare – haben dazu beigetragen, ein Feindbild in unsere Köpfe zu projizieren; andere, z.B. aus Vietnam folgten. Dieses Feindbild wurde als Bedrohung empfunden – Stalinismus andersherum.
Nein, romantisch war das hier ganz und gar nicht. Stalins Werke lagen zu meiner Rebellenzeit übrigens schon längst nicht mehr offen herum. Offiziell wurde er wegen „Personenkults“ geächtet, während der reale Personenkult in die nächste Runde ging. Aber das nur nebenbei.
Die studentische Rebellion hat die (west-)deutsche Gesellschaft aufgemischt. Auf die ostdeutsche hatte sie eher eine fremdelnde Wirkung. Ich bin mir nicht sicher, ob das nur mit dem real existierenden Stalinismus zusammenhing. 😉
1968/69 da wurde ich grad eingeschult….
Ist irgendwie auch toll und interessant die Zeit. Meine Eltern ließen manchmal dumme Sprüche über diese Wohngemeinschaften los, aber das hat mich nicht interessiert damals, wusste mit 6/7 Jahren auch nicht wovon sie redeten. Noch heute ist mein Vater gegen Wohngemeinschaften, obwohl es ja nun heute wirklich ganz was anderes ist. Aber das sind „alles wilde langhaarige Typen“ 😉
Und als ich 17 war, war die Zeit vorbei, aber wenn ich so zurück denke auch ne schöne Zeit
Viele Erwachsene waren damals total entsetzt, wie wir lebten. Wir wurden als »Radikalinskis« abgetoffelt, und auf der Straße setzte es schnell mal Schläge für Langhaarige. Die Meinungen prallten wirklich handgreiflich aufeinander. Alles hat auch mit Bildungshintergrund und sozialem Stand zu tun. Ich vermute deshalb mal, deine Eltern besuchten damals gerade keine Universitäten?
Sicher nicht 😉 😉 😉
Danke für diesen interessanten Blickwinkel!
Stalin wurde 1956 auf dem XX. Parteitag der KPdSU vom Sockel gestoßen, die Chinesen konterten mit der Polemik über die Generallinie, und entsprechend huldigten die von China begeisterten westlichen Jungintellektuellen dem Fünfergespann Marx, Engels, Lenin, Stalin und Mao Tse tung. in diesem Sinne lebte im Maoismus auch ein gewisser Antisowjetismus, der dem Westen durchaus willkommen war.
Soweit ich es aus der DDR mitbekommen hatte, wurden die Studentenunruhen gern als Ausdruck der um Meinungsfreiheit kämpfenden unterdrückten Schichten angesehen. Publizistisch (z.B. in der »Aktuellen Kamera) gab es von den Offiziellen durchaus Unterstützung.
Zu dieser Zeit trieb – nicht nur in Augsburg – ein gewisser Roy Black sein Unwesen, der einst an dem Gymnasium, welches bald meinen Namen tragen wird, als Rock ’n Roller reüssierte, um später in den Niederungen des Schlager-Schmalzes zu ertrinken.
Mit welchen Namen besudelst du meinen ehrwürdigen Blog! Jetzt fehlen nur noch Heintje und Peter Alexander.
Na ja, mein Vater hat in dem Punkt nur Sprüche gekloppt, auf sie eingekloppt hat er nicht.
Ne, meine Eltern haben nie eine Uni besucht, sie haben, wie haben sie mal gesagt, „ihr Geld durch harte Arbeit verdient“.
Ich guck ja manchmal Alfred Tezlaff, einiges von ihm könnte von meinem Vater kommen.
aber nicht, dass du jetzt denkst, mein Vater schneidet sich die Fußnägel am Küchentisch. Und sone tolle Silvesterbowle hat er auch nie gemacht
Ich meinte meine Frage keinesfalls abwertend. Es wurde damals vor allem von der Springer-Presse ein Konflikt zwischen Hand- und Geistesarbeitern geschürt – nach der Devise: „Wir müssen arbeiten, und die Faulpelze verprassen unsere Kohle, pennen den ganzen Tag und demonstrieren nur“. Entsprechend wurden die Kinder gepolt.
Angefangen hast du mit fragwürdigen Gesangszitaten!
Das liegt daran, dass ich gerade Batman im TV sehe
Beachte bitte mal das revolutionäre Bild, das ich gerade oben eingebaut habe!
Habe ich auch nicht so gesehen…
Ne, aber so redet mein Vater heute manchmal noch über Studenten. Da kannst du auch sagen was du willst… Obwohl hätte er es auch gerne gesehen, wenn ich studiert hätte oder damals zumindestens das Gymnasium durchgehalten hätte
Vielleicht schwingt auch Neid mit? Denn letztlich ist aus den meisten Leuten, die damals auf die Barrikaden gingen, Erstaunliches geworden.
Prima! Erinnert mich an einen Text des Genossen Wader:
„… bin ich nicht mehr so dogmatisch, denn ich räume gerne ein,
dass Gott die Welt erschaffen hat, wenn auch nicht allein:
denn geführt, gelenkt, geleitet wurde er dabei
von Marx und Engels und von Lenin, und von der Partei…“ 😉
Nein, im Ernst, ich finde es schon wichtig, dass man kritisch auf sein Leben zurück blickt, leider machen die „Anderen“ das aber nicht, von der begeisterten Jung-Kommunistin Merkel zum Beispiel habe ich noch nichts dergleichen gehört…
Viele meiner ehemaligen »Genossen« haben alles unternommen, ihre Vergangenheit zu beschönigen oder ganz auszulöschen, um dadurch zu Amt und Würden zu kommen. Das ist eine der jämmerlichsten Seiten vieler Linken.
Ich bin so wie ich heute bin durch eben diese Vergangenheit, warum soll ich mich selbst verleugnen?
Mit 17 war ich das 1.Mal in Berlin und total auf Shopping programmiert. Von Revolten habe ich vor Ort nichts mitbekommen.
Kann gut sein. Zum Teil haben sie es auch in ihrer Jugend nicht anders vorgelebt bekommen.
Manche Sachen sind dann auch so tief verankert, das bekommst du im Alter auch nicht mehr raus.
Anno 1968/69, und du hast nichts bemerkt?
Ja, das ist kläglich. Allerdings spricht es auch Bände für ein System, in dem dieses Verhalten belohnt wird.
das Foto wurde 1969 gemacht
meine Erinnerung ist nur von der schrecklichen Zonendurchfahrt mit den stundenlangen Paßkontrollen
belastet.
Alles andere an Infos stammt aus Funk und Presse.
Das System wird letztlich von Menschen gemacht – das ist eine Spirale.
Diese endlosen Kontrollen haben wohl die meisten der Interzonenreisenden in trauriger Erinnerung.
Noch furchteinflößender war Checkpoint Charlie; für mich
unauslöschbare Erinnerung.
Eher ein Teufelskreis, aber das Sein bestimmt ja bekanntlich das Bewusstsein. 🙂
…wäre gern an Deiner Seite gewesen!
Das ist ja meist so, es wird eingefordert was man selbst nicht geben will oder kann…
Vor 40 Jahren… da kam ich in die Schule! War bestimmt eine aufregende und bewegte Zeit, mir reichte es schon in den 80ern als Frühzwanziger aus der Prüderie der USA nach München zu kommen *gg*
Nurel, du gehörst doch zu den Braven! Ob das wirklich etwas für dich gewesen wäre???
Im Münchener »Englischen Garten« gab es wundervolle Happenings und Love&Peace-Aktionen, an die ich mich erinnere. Der Umzug muss für dich damals ein Befreiungsschlag gewesen sein.
Ich kam mir wirklich vor wie in einer der freiesten und pulsierendsten Metropole der Welt… in München!!!
Aber man muß schon sagen, München ist eine sehr offene Stadt, wenn man das auch von Bayerns Hauptstadt gar nicht glauben möchte (und wenn man die „Eingeborenen“ zu nehmen weiß, aber gleiches gilt auch für die Ureinwohner anderer hHauptstädte, die sind meist ein Schlag für sich…)
Ich habe eigentlich nur positive Erfahrungen mit bayerischen Urviechern gemacht. Es darf eben nur nicht politisch werden
Also, ich wär‘ gern 20 Jahre früher geboren, ich wär‘ sicher mittenmang gewesen… (WGs allerdings waren noch nie was für mich, da hätte ich vermutlich auch damals kaum mitgemacht.)
Dann wär‘ ich allerdings genauso alt wie mein Vater, der mir gern mal wilde Geschichten aus dieser Zeit (und ebenfalls aus Berlin) erzählt. Er war zwar Handwerker, hing aber gern zwischen den Studenten an der Uni rum, um sich mit den ganzen neuen Ideen vollzusaugen. Das Neue und Phantasievolle der Zeit faszinierten ihn und er war bei Vielem mit dabei. Es schien ja damals wohl, als sei alles möglich…
Als sich übrigens am 11. April 1968 das Dutschke-Attentat ereignete, war meine Mutter mit mir hochschwanger bei ihren Eltern in Springe. Mein Vater wollte „uns“ dort abholen, geriet aber beim Losfahren in eine Berliner Straßensperre. Unglücklicherweise hatte er eine Funke und ein Tonbandgerät im Käfer, was ihn wohl in höchster Weise für irgendwas verdächtig machte. Ich glaube, es dauerte Stunden oder sogar bis zum nächsten Tag, bis er weiterfahren durfte. Ich muss ihn unbedingt bei meinem nächsten Berlinbesuch mal wieder danach fragen…
Sag‘ lieber Rupi, die Frisur, hast Du die denn eigentlich zwischendrin irgendwann mal geändert, oder ist die konstant? 😉
Und rieseln noch weitere Appetithäppchen Deiner Biografie ins Blog?
Ich würde die Auto(ren)biografie gern vorbestellen…
Das hat im Ernst gemeint
Der neuerlich entnetzte Dino
Kein Wunder, dass du dich so frech und aufmüpfig entwickelt hast, wenn du einer derart gefährlichen Sippe entstammst, liebe Theo! Ich war zu der Zeit ein entlaufener Schüler und Gelegenheitsarbeiter, die meisten von uns verdingten sich bei Sklavenhändlern oder anderen Menschenhändlern. Darunter gab es viele Handwerker – die Studenten blieben weitgehend unter sich. Es ist eine Irrlehre der Springer-Presse, dass damals nur Studenten für eine bessere Welt eintraten.
Tja, die Frisur ich habe immer auf langlebige Echthaartoupets geschworen. Die sind vielfach besser als die Kunsthaarprodukte aus Fernost
😉
Dein Wunsch sei mir Befehl, Graph! Herzlich begrüße ich dich als Erstbesteller. Die Versandadresse rufe ich dann ab, wenn es so weit ist.
:wave:
Wirklich interessant geschrieben!
Damals war ich noch nicht geboren und meine Eltern hatten sich gerade erst kennengelernt! 😉
Die 68er Bewegung war in Österreich eigentlich so gut wie nicht da. Das erste was bei uns damals als revolutionär galt, war die Besetzung der Arena (Schlachthof) und das fand 1976 statt. Wir sind eben ein friedvolles kaiserliches Volk. 🙂
Lies da nach: http://www.wuk.at/index.php/idee/daswuk/0/daswuk_geschichte_25jahre.html
Rupi, manchmal denke ich, du bist in USA aufgewachsen, wie wenig zu über Resteuropa Bescheid weißt. Es gibt noch andere Länder wie Deutschland! Verordne dir die Strudlhofstiege zu lesen. :>>
Liebe k.u.k. Grüße!
Frag sie mal, wie sie die damalige Zeit erinnern!
In Frankreich war damals jedenfalls viel mehr los als in deutschen Landen. Aber es stimmt schon, Österreich hatten wir, von Kreisler und anderen Ausnahmen mal abgesehen, nie auf dem Sender.
…sag mal, ich glaube Du hast da eine falsche Vorstellung, wie meine Jugend ausgesehen hat.
Vergiß nicht – stille Wasser sind tief!
und schmutzig 😉
siehst DU!!!
Wird deine Biographie auch als
Hörbuch erscheinen?
Mir wär`s quasi lieber,
gemütlich auf`m Sofa mit `nem Joint
deinen Lebenserinnerungen zu lauschen.. 😉
Apropos „Englischer Garten“.
Es gibt keinen deutschen Stadtgarten,
der dem Englischen Garten in München
das Wasser reichen könnte.
Was hab ich in den 80`ern für berauschte
Tage am Monopteros-Hügel (Kifferberg) verbracht..
Unvergesslich! 😉
Die „Nackerten“ am Eisbach, die Rauschebart-Bajuwaren
am Chinesischen Turm, die Freaks am Berg und und und..
Ein Ort voller Überraschungen. 😉
Salemaleikum! 😉
Vielleicht solltest du mal ein wenig über deine jugendliche Tiefe bloggen!
Und wie sieht es heute vor Ort aus? Ich war schon seit Jahrzehnten nicht mehr dort
PS. Für dich würde ich eine Hörbuch-CD vollquatschen. Aber da müsste auch die Musik der guten alten Zeit mit drauf, das wird dann ein Mammutprojekt.
Den Sound könnte ich dir übermitteln.. 😉
Ein Rundgang ist der Englische Garten
immer noch wert.
Man sieht aber aktuell eher Hundeköttelchen,
Jogger und Hausfrauen mit Kinderwägen..
Der Kifferberg wurde „gesäubert“.
Den Flair der 70`er/80`er findet man
nicht mehr vor.
Aber.. Alles ist im Fluss. 😉
Ha! Das wollte ich doch „hören“! Ha! „Erstbesteller“!
Um ehrlich zu sein: ich bin ja nur scharf auf diese scharfen Stellen mit den 68ern; so mehrere Mädels gleichzeitig und so; ejh, voll cool, Mann!
Hä-ähm!
Der schon entschieden besser gewesene winterschlafende
Dino
PS: Die Adresse ist die Tage auch im Impressum meines Blogs!
Das wäre gewiss sehr spannend – aber ich weigere mich über diese düstere Zeit zu schreiben!
Keine Chance!
Diese Stellen wurden auf Wunsch des Bischofs von Münster geschwärzt!
Immer wenn es spannend wird, kneifst du
Ich denke schon, dass das nicht nur mich interessieren würde.
Mal sehen, ob ich es noch mit reinnehme, es ist jetzt schn so verwirrend viel
Ach Rupi, das kannst du aber nicht unterschlagen!
oh mein gott, rupi!!! ich hatte ja (wiedermal) keine ahnung!!! ein fescher bursche biste! ;D
Du lebst doch im Tal der Ahnungslosen – wie solltest du wissen!
😉
Ich hab mal nach Erinnerungen und Fotos gegraben und einen eigenen Eintrag gemacht.
Schön, dass du in den Brunnen der Erinnerung schaust. Dann sollte aber auch der Link zu deinem Eintrag verraten werden: http://stadtpomeranze.blog.de/2009/01/07/zeitreise-5335327
Danke, ich vergesse sowas gern.
Ach ja, stimmt: der hat ja damals auch mitgemischt, kchchch…
genau so habe ich mir das auch immer vorgestellt; ein wirklich schönes Porträt dieser Zeit, die anscheinend vor latenten Widersprüchen nur so strotzte. Doch gab es wohl noch so etwas wie eine (pseudo-) kritische Haltung zur Politik, die man heutzutage möglicherweise vergeblich sucht…
1968 war ich vierzehn Jahre alt, zu jung also um als 68er durchzugehen. Nichtsdestotrotz habe ich die Ereignisse der späten 60er und frühen 70er Jahre seinerzeit mit großem Interesse verfolgt. Ich lebte zwar in der wohlig-selbstgefälligen Provinz und war als Schüler der Höheren Handelsschule von einem Umfeld umgeben welches marxistischen Ideen nicht gerade wohlwollend gegenüberstand. Dennoch nahm man den Gegner ernst und sah sich bewogen uns Schülern ausgerechnet im Fach Volkswirtschaft mit der Lehre und ganz wichtig – den Schwächen des Marxismus vertraut zu machen. Wesentliche Quelle meiner Kenntnis in diesem Bereich war (und ist bis heute) Iring Fetschers im Unterricht verwendete Buch Von Marx zur Sowjetideologie Da unser Lehrer jedoch der jüngeren Generation angehörte und dem Marxismus offensichtlich nicht ausschließlich kritisch gegenüberstand war der Unterricht nicht so einseitig wie eigentlich vorgesehen.
Mit diesem Hintergund und einigen Erfahrungen die ich in späteren Jahren im Umgang mit Marxisten gewann versuche ich eine Antwort auf die Fragen die du am Ende deines Eintrages stellst: Wieso hast du Despoten wie Stalin oder Mao in dein Herz geschlossen ? Pflanzten sich die faschistischen Strukturen die das Dritte Reich in die Hirne quasi genetisch fort so daß wir auf die Suche nach neuen Führern gingen?
Nein, das glaube ich nicht. Ich vertrete die These, das die Faszination des Marxismus darin begründet lag, das er vorgab nicht nur eine Weltanschauung, sondern in erster Linie eine Wissenschaft zu sein der es gelungen war die zukünftige Entwicklung der Gesellschaft vorab zu erkennen und dies ohne die Möglichkeit des Irrtums. Wesentliche Lehre diesbezüglich ist der überwiegend auf Friedrich Engels zurückgehende Historische Materialismus (Histomat). Er zeigt die Entwicklung von primitiven Gesellschaftsformen über Feudalismus, Industriealisierung und Sozialismus hin zum Kommunismus auf. Diese Entwicklung wurde nicht als These sondern als unwiderlegbare Wahrheit gesehen.
Wenn jedoch die Marxisten zwangsläufig auf dem richtigen Weg waren, galt das auch für ihre (An)führer. Dann konnte Zweifel nur Schwäche und/oder mangelnde Erkenntnis sein. Wir müssen etwas gegen unser Theoriedefizit tun habe ich überzeugte Marxisten in solchen Situationen sagen hören. Es war ernst gemeint. Ein Beispiel dafür erlebte ich, als ich während meiner Bundeswehr zeit mit einem Mitglied des KBW (Kommunistischer Bund Westdeutschlands) das Zimmer teilte .
Ich hatte im Spiegel einen Artikel gelesen in dem sinngemäß stand Enver Hodscha, der damalige kommunistische Herrscher in Albanien habe sich wegen der dortigen schlechten Straßen einen besonders geländetauglichen Mercedes fertigen lassen. Als ich ihn damit konfrontierte schaute er mich verständnislos an. Du wirst doch so etwas nicht glauben, das ist doch nur eine Provokationsagte er. So einfach war das.
Es geht also weniger um eine zwanghafte spezifisch deutsche Autoritätsgläubigkeit, sondern eher um einen Fall fataler weil völlig unkritischer Wissenschaftsgläubigkeit. De Bankrott des dogmatischen Marxismus erlebten wir in den 80er Jahren. Gegenwärtig erleben wir den Bankrott
kapitalistischer ebensowenig begründbarer Glaubenssätze. Gut so! Erst jetzt sind wir von der Last der Irrtümer des 20. Jahrhunderts befreit und bereit und Neues vorzustellen und in Angriff zu nehmen.
Ich bin gespannt, ob ich neugierig bin… – Wann ist übrigens verlagstechnisch Frühling, Herr Frieling?
Hä-ähm! – Sorry! Ich muss mich doch drauf einstellen, zwecks wegen gängiger Zahlungsmittel oder so ähnlich.
Und ich weiß nicht, was „schlimmer“ ist: diese Überbewertung (unter anderem von Personen) oder die totale Entheiligung, die heute so zu laufen scheint (wobei natürlich eines aus dem anderen resultieren dürfte). Man muss sich ja genieren, überhaupt noch irgendwas ohne ironischen Schlenker anzumerken usw.
Auch bin ich nach wie vor überzeugt, dass die Errungensschaften oder Ergebnisse oder wie auch immer der 68er (so die überhaupt auszumachen waren, was ja gar von etlichen dabei Gewesenen bestritten wird) gerade schleichend rückgängig gemacht werden; mehrere Leute haben schon versucht, mir das auszureden, vermochten mich aber nicht zu überzeugen.
Grüße ins winterliche Prinzenpalais vom
Destruktiv aus agierendem Dino
PS: Auf dem Bild bist Du mir ja echt sympathisch, kchchch… – Sorry! Sorry (beruhigend zu sehen, dass es solche Klopper von Brillengestellen auch im Westen gab)!!!
„Erst jetzt sind wir von der Last der Irrtümer des 20. Jahrhunderts befreit und bereit und Neues vorzustellen und in Angriff zu nehmen.“
Ha, da haben wir es! 😉
Da liegt doch schon die Basis für neue „-ismen“, die ebensowenig funktionieren wie die alten. (Es gibt ja auch Zirkel, die wieder „Das Kapital“ lesen). Die haben natürlich jetzt Konjunktur, aber der Mensch belibt der Mensch, er ändert sich nicht und lernt nichts dazu.
So glauben jetzt viele an den Segen und Nutzen eines „bedingungslosen Grundeinkommesn“, dabei ist das so absurd und wider die menschliche Natur wie nur irgendein Kommunismus es sein könnte. Und trotzdem setzen sich die menschen mit ihrem Herzblut dafür ein…
(ich will dir nicht zu nahe treten, falls du auch ein Fan des Grundeinkommens bist).
@Manulan. Damit berührst du einen zentralen Punkt! Tatsächlich haben wir den wissenschafltichen Charakter der philosophischen und ökonomischen Lehre des Marxismus gesehen und damit alles erklärt. Es ist ein geniales Welterklärungsmodell, mit dem sich wirklich alles deuten lässt. (Dabei ist die verrückte Begründung des Mercedes des Skipetaren schon schräg, wie hätten vielleicht argumentiert, man müsse den Kapitalismus mit seinen eigenen Waffen schlagen )
Geschätzter Kunde! Frühling wird es dann, wenn ich aus meinem winterlichen Phlegma erwache und die Bebilderung des Manuskriptes weiter bearbeite, ich hänge förmlich in der Zeit
Die Diskussion, ob 68 gesellschaftliche Fortschritte brachte, hat für mich einen Bart. Die Emanzipation der Frau im Westen, die Entstaubung der Universitäten, die aktive Auseiandersetzung mit den SÜnden der Väter und Vorväter sind nur drei Aspekte, die mir spontan einfallen. Leider hat sich die Gesellschaft nicht kontinuierlich in die damals eingeschlagene Richtung entwickelt, viele der damals gewonnen Freiheiten und Rechte wurde mittlerweile wieder massiv eingeschränkt buzw. schleichend abgeschafft.
Ich glaube, in dem Aspekt haben sich Ost und West nicht viel genommen
Nun bin ich kein Soziologe, aber aus meiner subjektiven Sicht ist die heutige Jugend erschreckend unpolitisch und nur noch am persönlichen Vorankommen bzw. Überleben orientiert. Das war in jenen »wilden« Tagen auf jeden Fall anders, Ideale standen hoch im Kurs, und viele junge Leute träumten nicht nur von einer besseren Welt ohne Krieg und Ausbeutung, sie traten auch aktiv dafür ein. So etwas kann ich heute nicht erkennen, Ego-Shooting ist angesagt.
… nicht nur in dem… – Aber da müsste ich jetzt weit ausholen, kchch…
Wann kann man denn eigentlich mit der Auto(ren)-Biografie rechnen (vermutlich steht das hier irgendwo, aber ich bin mit UMTS drin und die Verbindung ist forchtbar)?
Gemach, Herr Graph, ich bin ADHS-Mitglied und schon wieder in ein anderes Projekt verstrickt.
Wie ich eben schon woanders einstreute: es ist doch schön, aneinander vorbei zu reden und sich dennoch zu verstehen…
Hä-ähm! Auf der anderen Seite der Mauer konnte da für mich gar kein Bart wachsen, um im Bilde zu bleiben…
Und das meinte ich doch aber: natürlich ist schon was Progressives dabei raus gekommen, aber das scheint doch gerade, milde formuliert, rückläufig; bspw. Bildung für alle (kostentechnisch usw.!), und das sage ich nicht nur projizierlich, weil ich gerade mal wieder an Unität will und nicht wirklich komme und so.
So lange es nur Winterphlegma ist! Ich bin im Winterschlaf!
In den Staaten hätte ich längst ’n neues Syndrom kreiert und die dicke Kohle mit verdient, boah!
M. v. Z.
Der G.
Wir sollten uns zusammen tun und eine Gruppenklage inszenieren. Das bringt doppelt Kohle!
Ach, ich bin doch nicht teamfähig, mein Prinz, deswegen diese kommunizierlichen Textchen hübsch aus internetter Ferne…
Aber wie gesagt: wenn Du in Deinem Verlagsimperium mal ’n belesenen Hausmeistergehilfen brauchst… – sorry: einen facility management assistant – boah!
Muahahaha! Jetzt geht es mir besser! – Was aber nun mich betrifft (ich rede, es ist bekannt, nur ungern und selten über mich), so bin ich charakterstruktouristisch hysterisch-schizoid mit deutlich zwanghaft-depressiven Zügen und insgesamt epiphrener Schizoleptiker mit autischem Einschlag…
Oder so.
Kchch! „…mit autistischem Einschlag…“ (ich weiß, dass Du das weißt, aber ich wollte heraus arbeiten, dass ich es auch weiß)…
Gut, dass wir drüber gesprochen haben!
Du überschätzt mich
„Vielleicht lässt sich damit sogar ermitteln, ob es tatsächlich so etwas gibt wie den genetisch codierten deutschen Untertanengeist, … „
Ist die Suche nach Idealen wie Mao, Stalin etc. nicht schon die Antwort auf diese Frage? Wer sich an Leitfiguren orientiert, ordnet der sich ihnen nicht auch (automatisch?) unter?
Gewagt finde ich den Vergleich mit Goethe: “ »Nun ist die Luft von solchem Spuk so voll, dass niemand weiß, wie er ihn meiden soll«, lässt Goethe seinen Faust im zweiten Teil sagen, und genauso infizierte mich die Aufbruchstimmung in Berlin.“
Wirklich genauso?
Faust (aktiv?) infiziert vom revolutionären Geist? Versuchte er nicht eher, dem Aufruhr zu entgehen?
Trotzdestonichts ein schöner Text!
Grüße vom
Ralph alias Fugenzeichen 🙂
Faust wurde von mir (damals sechszehnjährig) durchaus revolutionär interpretiert. Aus heutiger Sicht würde ich es differenzierter sehen. Aber das war seinerzeit Schullektüre, und ich versuchte, das Beste daraus zu erspüren.
Ich weiß…
Ich brauche ein marmornes Monument… Der Untertan, das Enfant terrible usw. finden es furchtbar, wenn „da oben“ nix ist.
Usw. – Du weißt schon!
Nein, so empfindlich bin ich nicht – und in erster Linie ein Fan meiner selbst. Mit dem Grundeinkommen habe ich mich zwar auseinandergesetzt und halte die Idee grundsätzlich für sinnvoll. Ich habe allerdings auch wahrgenommen, das keiner der Protagonisten sich Gedanken darüber gemacht hat, wie die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens verwaltungstechnisch zu bewältigen wäre – und das müßte eigentlich zu Anfang geregelt sein, wenn man so etwas ernsthaft in Angriff nehmen will. Visionäre sind halt keine guten Verwalter.
Ansonsten klingen deine Äußerungen ein wenig fatalistisch. Empfehle als Gegengift „Jacques der Fatalist und sein Herr“ von Denis Diderot. Gibt es als Reclam Heft.
Die KBWler sahen das sehr eng. Wir hatten auf unserem Zimmer auch den Sohn eines Landwirtes der von Zuhause einmal selbstgemachte Wurst mitbrachte. Als ich dies erfreut mit der Bermerkung „jetzt wird die Wurst sozialisiert“ kommentierte bekam er fast einen Tobsuchtsanfall weil meine Bemerkung ein Mißbrauch des Begriffes „Sozialismus“ gewesen sei.
Der Landwirtssohn hatte die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt. Deshalb wollte er die schnöde Wurst für sich allein.
Er wollte ja teilen. Den KBWler störte mein flapsiger Umgang mit marxistischem Gedankengut. Es ist eigentümlich und ich weiß den Grund wirklich nicht: Auf dogmatische Linke übe ich eine magische Anziehungskraft aus. Sei es die KBW-Gruppe in der Bundeswehrzeit, die Erzieherin die sich als Mitglied der MLPD entpuppte und deren Hochzeit (natürlich mit einem Mann aus der Partei) ich dann mitfeierte oder die Frau die aktiv bei der LINKEN mitarbeitete und die ich im vergangenen Jahr im Zug traf – sie halten mich für einen der ihren oder zumindest für jemanden, der zu überzeugen wäre. Leider bleiben in der Regel Enttäuschungen auf beiden Seiten nicht aus (seufz).
Enttäuschungen sind das Salz in der (häufig überwürzten) Suppe des Leben
Nur kann man das leider erst aus einem gewissen Abstand heraus so sehen.
Weise Greise 😉