Am 18.07.2014 kündigte Amazon mit einer offiziellen Pressemeldung die seit langem erwartete Flatrate für E-Books für den amerikanischen Markt an und bereits zur Frankfurter Buchmesse im Oktober 2014 wurde Amazons Flatrate auch für Deutschland eingeführt. Zum Abopreis von € 9,99 (der erste Monat ist kostenlos) können Abonnenten beliebig viele E-Books aus einer Sammlung von rund 700.000 Titeln auswählen. Darunter sind auch ca. 40.000 deutschsprachige Titel. Leser werden dies zu schätzen wissen, in Folge können sehr viel mehr Bücher geladen und gelesen werden als bisher. Am 04.11.2014 wurde Amazons Flatrate zusätzlich in Spanien und Italien, am 11.12.2014 in Frankreich und Brasilien und am 12.02.2015 in Kanada und Mexiko gestartet.
Lese-Flatrate ist unausweichlich
Amazons Flatrate ist die konsequente Fortsetzung dessen, was wir vom Musik- (Simfy, Spotify) sowie dem DVD-Markt (Lovefilm, Amazon Instant Video) bereits kennen. Aus diesen Märkten ist bekannt, dass die unter dem berühmten Strich stehenden Tantiemen nur Bruchpfennige sind, es sei denn, man gehört zu den ganz Großen. Da die überwiegende Mehrheit der Self-Publisher wohl kaum in dieser Liga spielt, könnte die Flatrate für E-Books zu einem realen Tantiemen-Verlust führen und ist insofern negativ konnotiert. Hinzu kommt, dass der Abonnent mindestens zehn Prozent des Inhaltes des ersten E-Books gelesen haben muss, damit der Autor von einer Tantiemen-Ausschüttung profitiert. Wie Amazon dies genau kontrollieren will, bleibt offen. In den USA bieten derzeit bereits Scribd den Zugang zu rund 400.000 Titeln für 8,99 Dollar im Monat sowie Oyster für monatlich 9,95 Dollar Zugang zu 500.000 E-Books an.
Lohnt sich Amazons Flatrate für E-Books?
Bücher sind nicht so schnell konsumierbar wie Musiktitel. Insofern dürften auch die Einzeltantiemen für Bücher höher sein. Bislang hat sich Amazon jedenfalls als Segen für Self-Publisher erwiesen. Die Zukunft wird zeigen, ob dies auch für Flatrates gilt. Wer regelmäßig E-Books von Self-Publishern im 0,99-Cent-Bereich liest, würde mit einer Flatrate dann etwas anfangen können, wenn er mindestens zehn Bücher pro Monat liest. Lohnenswert wird es für diejenigen, die höherpreisige Titel aus dem Sortiment der Großverlage lesen möchten. In diesem Segment kostet ein Bestseller wie beispielsweise „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg …“ aktuell € 8,99, der Folgetitel „Die Analphabetin …“ sogar (unverschämte) € 15,99. Eine Flatrate würde also geradezu einladen, diese hochpreisigen Titel zu konsumieren.
Amazons Flatrate und Preisbindungsgesetz
Ob eine Flatrate für Bücher unter den Bedingungen des Preisbindungsgesetzes für Deutschland langfristig machbar ist, bleibt abzuwarten. Flatrate-Plattformen wie Skoobe (rückwärts gelesen von: „ebooks“) bieten zwar bereits einen derartigen – offensichtlich legalen – Service. Sie umfassen aber erst einen Bruchteil der lieferbaren Titel, zu denen die Plattform Verträge mit den jeweiligen Rechteinhabern (Verlagen) abgeschlossen hat. Laut eigenen Aussagen ist Skoobe seit dem Launch im Februar 2012 deutlich gewachsen: „Mehr als 45.000 hochwertige eBooks von mehr als 1.000 Verlagen und Imprints stehen Kunden zur Verfügung“ heißt es in einer Pressemeldung.
Reaktionen von Autoren zu Amazons Flatrate
Autor Béla Bolton weist darauf hin, dass in Amazons neuem Unlimited-Angebot keinesfalls alle Kindle-E-Books enthalten sind, sondern nur die KDP-Select-Titel. Und bei denen hat der jeweilige Autor zugestimmt, dass sie ausgeliehen werden können. Mit dem Start von Unlimited bot Amazon den Select-Anbietern sogar ein außerordentliches Kündigungsrecht an.
Die überaus erfolgreiche Self-Publisherin Marah Woolf sieht die Flatrate kritisch: „Amazon kalkuliert mit dem Monatsbeitrag und weiß genau, dass es viele Leser gibt, die das nicht ausschöpfen und trotzdem drin bleiben. Man hat uns drei Jahre angefüttert und möchte jetzt den Einsatz wieder raus – ganz normales Verhalten. Viele Autoren können es sich schlichtweg nicht leisten, aus KU rauszugehen und das weiß amazon. Es dauert nicht mehr lange, und ich mache in den anderen Shops mehr Umsatz als bei Amazon, weil es da eben (noch) keine Flatrate gibt. Kommt aber bestimmt bald. Bin gespannt wie sich das entwickelt. Irgendwann wird es heißen: Es gab da mal Jahre, da konnte man vom Schreiben leben.“
Die Romance-Königin Holly Ward, die seit 2011 über sechs Millionen Bücher verkauft hat und bei Amazon zu den absatzstärksten Autorinnen zählt, hat nach eigenen Angaben seit der Einführung von Kindle Unlimited 75 Prozent ihrer Umsätze eingebüßt. Ihr Fazit: „Dieses Modell muss geändert werden. Autoren sollten nicht in einem Lotterie-Verfahren bezahlt werden.“ Stattdessen sollten alle Autoren einen fixen Betrag pro Ausleihe bekommen – unabhängig davon, ob tatsächlich zehn Prozent des Buches gelesen wurden.
Reaktionen von Verlegern zu Amazons Flatrate
Jürgen Schulze, Inhaber des Null-Papier-Verlags, meint: „Der Mensch kann nur x Bücher/Seiten/Wörter im Jahr lesen. Egal, ob er die alle geschenkt bekommt oder ob er dafür bezahlt, ob digital oder real. Und je weniger er pro Buch bezahlt, desto weniger kommt beim Verlag/Autor insgesamt an. Da könnt ihr euch noch so sehr die Zahlen schönreden. Jedes Flatrate-Modell (egal, wie es finanziert wird) ist nur ein Gewinn für den Anbieter. Ob es ein Gewinn für den Leser ist, muss jeder selbst ausrechnen (Ich selbst komme privat kaum noch zum Lesen, würde also draufzahlen). Aber für den Autor/Verleger sind solche All-You-Can-Read-Modelle ein Verlustgeschäft.“
Arnaud Nourry, Chef der französischen Verlagsgruppe Hachette, hält Flatrates für „den Tod des Buchhandels“. Die Zahl derjenigen, die monatlich mehr als ein, zwei Bücher läsen, sei äusserst gering. „Glauben Sie mir, ich werde sehr hart gegen diese Tendenz kämpfen“.
John Sargent, Chef der US-Verlagsgruppe Macmillan, will sich hingegen dem Flatrate-Abo stellen. „Unser Job bestand immer darin, den Autoren den breitestmöglichen Vertrieb zu gewährleisten, und angesichts der aktuellen finanziellen und strategischen Incentives (im Abobereich) glauben wir, dass die Zeit gekommen ist, diesen Test vorzunehmen.“