Ahoj-Brausepulver gegen Hitzekoller
Bei bis zu vierzig Schattengraden haben die Radiosender in ihrer gähnend langweiligen Gleichförmigkeit unisono das Thema GLUTHITZE auf dem Schirm. Wie viele Leute schalten wohl davon genervt ab und folgen lieber ihrer eigenen Melodie? Prinz Rupi stürzte sich für alle Zuhausgebliebenen ins Inferno.
236 Sender – 1 Thema: die Hitze
Ein selbsternannter Sheriff informiert über Stillstand auf fünf verschiedenen Autobahnen und ihren Zubringern. Der erschöpfte Feuerwehrsprecher aus dem Brandenburger Umland berichtet von Brandstiftern, die zwei Supermärkte, mehrere Waldgebiete und ein Auto in einer einzigen mondhellen Nacht abgefackelt haben. Annelie aus Zschopau, 64, beklagt am Telefon plötzlichen Kopfschmerz und Herzrasen. Dr. med. Flickenschnitzel empfiehlt sogleich, was denn gegen die Malaise Klimawandel geraten sei. Rinderzüchter Wolf aus der Uckermark beobachtet Unruhe unter seinen Tieren. Elektronikhändler klagen, keine Ventilatoren mehr zu bekommen. Alle kennen aktuell nur ein Thema: die fürchterliche Hitze.
Was tut die kluge Hausfrau in einer derartigen Situation, um Schränke und Truhen zu füllen, ohne das Heim verlassen zu müssen? – Sie schickt ihren Mann.
Ausgestattet mit einem Einkaufszettel, dem aktuellen Prospekt mit fetten Kreuzen und Farbangaben, drei verschiedenen Frauensachen, die nicht passen und umgetauscht werden müssen sowie zahlreichen Ermahnungen und Beschreibungen des Inneren des Planeten Supermarkt, geht der Pilot auf die Reise. Ächzend begibt er sich in die feuchtkühle Tiefgarage. Dort besteigt er sein klimatisiertes Fahrzeug, das ihn schon erwartet.
Er findet es verrückt, bei einer derartigen Hitze überhaupt das Haus verlassen zu müssen. Es sind doch mehr als ausreichend Lebensmittel da. Keiner wird Hunger leiden müssen. Allerdings hat er diese Diskussion schon vor langer Zeit erschöpft aufgegeben.
Unterwegs im rollenden Kühlschrank
Auf der anderen Seite liebt er es, unbegleitet in seinem rollenden Kühlschrank zu sitzen und arrogant auf die durch den Straßenstaub schlürfenden Tütenschlepperbrigaden herabzusehen. Ganz gegen sein Temperament rollt er sogar langsamer die Gassen entlang als die Polizei erlaubt. Er schaut interessiert umher und hört wie immer Autoradio. Genauer gesagt: Info-Radio. Denn so kann er wenigstens bei den wichtigsten Themen der Zeit mitreden.
Auf dem Sender fordert gerade ein Schmalspur-Heinz wichtigtuerisch, Arbeiter in Deutschland sollten wie die Spanier ein Anrecht auf eine zweistündige Siesta haben. Der Vogel war wohl schon lange nicht mehr in Spanien. Denn dort wurde die Siesta abgeschafft und als eines modernen Spaniers unwürdig bezeichnet. Für wie dämlich halten die Sender ihre Zuhörer eigentlich?
Mit etwas Glück findet der motorisierte Kühlschrank in der Nähe des Supermarkt-Eingangs einen Schattenplatz und spuckt seinen Fahrer aus, als brauche es nur noch eine kleine Weile, bis künstliche Intelligenz ihn vollständig ersetzt hat. Den trifft der Hammerschlag von Frau Dr. Sonne deutlich härter als erwartet. Doch das Raumschiff Körper reagiert perfekt: Hunderte kleiner Schweißperlen werden ausgeschüttet, die dem Körper kurzfristig Kühlung verschaffen sollen.
Erst, als sich die Supermarkt-Türen hinter ihm schließen, atmet er auf. Der Markt ist voll klimatisiert und spendet eine erfrischende Kühle. So schnell wird er den nicht verlassen, meint er und beobachtet einige ältere Herren.
Kühle spendet der Supermarkt
Diese Kunden tasten sich durch die Regalschluchten, um dieses oder jenes Produkt zu finden und triumphierend heimzutragen. Einige haben ständig das Handy am Ohr und werden aus einer fernen Galaxie gesteuert. „Links, links oben, wo die Angebote stehen“, schallt die Stimme der Kommandantin aus dem Lautsprecher. „Du stehst doch direkt davor, du Depp. Die Packung ist rot, roooot!“
Er selbst tigert wie eine hospitalisierende Raubkatze im Gehege die Gänge rauf und runter. Wo sind diese blöden Klappdeckelboxen, die er bringen soll? Sie müssten doch ins Auge springen und irgendwo im Warenüberfluss sichtbar leuchten! Wo stehen die Waschtücher, die versprechen, die Wäsche wieder strahlend weiß zu machen? Da wäre doch der Platz bei den Waschmitteln sinnvoll.
Ein blonde Verkaufskraft gibt ihm einen schnellen Überblick. „Die Körbe mit der Aktionsware stehen hinter dem Mittelgang. Wenn der Artikel da ist, dann ist er dort hinten.“
Mit geringer Hoffnung bewegt er sich wieder in die Richtung, aus der er schon mehrmals gekommen war. Und bevor er völlig verzweifelt, findet er die Körbe! Sie sind zwar kleiner als erwartet, aber es ist der gewünschte Artikel. Bingo! Schnell geladen und weiter … so kann die Einkaufsliste abgearbeitet werden. Die Chefin wird zufrieden sein.
Achtung: WERBUNG für Ungesundes!
Ist er schon mal bei Aktionsflächen, dann schaut er auch, was sich dem neugierigen Auge alles bietet. Und da naht sein Verhängnis.
Eine poppig bunte Tüte flasht ihm blitzlichtartig ins Auge. Schon als Kind hat er das Markenzeichen immer als erstes im Auge gehabt, wenn er einen Laden betrat: Ein Junge im Matrosenanzug im roten Ring lässt einen Wimpel im Wind flattern lässt. Auf dem Banner steht in leuchtenden Serifen „Ahoj-Brause“!
Wie hatte er schon als Kind den prickelnd sauren Geschmack des Brausepulvers geliebt. In Wasser gelöst entfalteten sich Geschmacksrichtungen wie Waldmeister, Himbeere, Orange, Cola oder Zitrone. Diese Geschmacksexplosion aus Glukosesirup, Säuren und Emulgatoren pflanzte der Zuckerteufel früh in seinen Gen-Code.
Jeder Widerstand scheint zwecklos. Mit den prickelnd sauren Fritten der AHOJ-BRAUSE wird der Einkauf in brütender Mittagshitze plötzlich sinnhaft. Der seit Monden im Raum stehende Vorsatz, abzunehmen, wird einstimmig vertagt und zurückverwiesen.
Ohne die Hitze der Mittagssonne zu spüren, rollt der Kunde begeistert heim und leckt sich in Vorfreude die Lippen. Er schlägt ein neues Kapitel im Buch der Süchte auf …
dies ist mein lieblingssatz
„Was tut die kluge Hausfrau in einer derartigen Situation, um Schränke und Truhen zu füllen, ohne das Heim verlassen zu müssen? – Sie schickt ihren Mann.“
fühl dich umarmt dafür
in ermangelung eines mannes, kann man schlauerweise auch den eigen nachwuchs zum shoppen vor die türe setzen (wofür hat man die schließlich rangezüchtet)
wobei mein nachwuchs würde sich an den rechner setzen und online bestellen!
sehr geil
beim bestellen hätte er natürlich nicht das highlight der shoppingtour an land ziehen können, von den orgastischen gefühlen an der kühltheke, die jedes klimatisierte fahrzeug schlagen, mal abgesehen
also sei bedankt für dieses highlight meines schwitzenden tages!
Du kennst doch unsere Bestimmung: Fahren und Bezahlen.
auch das, wobei es manchmal sinnvoll ist: kein auto zu haben. spart einem zumindest das nächtliche abholen von der sbahn (was ich allerdings schon zu fuß erledigt habe)
“Was tut die kluge Hausfrau in einer derartigen Situation, um Schränke und Truhen zu füllen, ohne das Heim verlassen zu müssen? – Sie schickt ihren Mann.”
Das hab ich meiner Scheffin gesagt. Sie meinte darauf, die kluge Hausfrau würde derweilen putzen zuhause.
Das war aber arschkalt gelogen!
So sind sie, die Damen unserer Herzen!
Waschtücher sind ökologisch betrachtet bestimmt gaaanz schlecht! Aber für die Ahoj Brause hat sich der Einkauf doch gelohnt, oder? Aber lass bloß die Finger von den Brauseflummies (hitschler-ufos) . Die sind noch viel besser und machen süchtig.
Uiiiih, die Biester kenne ich noch nicht. Darf ich mich für den Tip bedanken?
Hat da jemand Hitschler O
Ufos gesagt? Lecki lecki lecki!
Ahoj Brause ist aber auch genial. Da kann ich auch nicht dran vorbei. Aber bloss nicht in Wasser kippen! Wird heute genossen wie früher: Tütchen aufreissen, Zeigefinger anlecken, in die Brause stecken, ablecken. Wiederholen, bis das Tütchen leer ist.
Jetzt muss ich wohl tatsächlich diese Ufos probieren …
Gott, warum hat der Teufel den Zucker erfunden???
Schon bei dem Gedanken läuft mir das Wasser im Mund zusammen.
Brausepulver, wie das herrlich schäumte. Ganz früher gab es bei uns Wasser, Natron und Essigwasser. Es war erfrischend und nicht süß. Ich musste es in einer kleinen Milchkanne aufs Feld bringen.
Herrliche Kindheitserinnerungen!
Prinz Rupi, mein Held – man muss die ganze Zeit nur blöde grinsen beim Lesen deines kleinen Artikels über diese wahnsinnige Hitze – ja, und so ist es – der Teufel hat den Zucker erfunden und ihn direkt auf meine Hüften gelegt – ;-)) …….
Ach Auguste, federleichte Fee, dich erinnere ich nur als schlanke Gerte
Früher mit Brause oder pur. Und dann mit 18/20 Jahren wurde das gesunde Wasser durch weniger gesunden Vodka ersetzt, um dem Zucker im Tütchen Paroli zu bieten. Der Vodka ging direkt ins offene Tütchen und dann ex-en. Das nannte sich dann nur noch „Pornobrause“. Ahoj. Und dann ging uns der rote Ring auf: das Kerlchen auf dem Tütchen war auch blau und dessen Übergewicht durch die vielen Ahoj-Sessions hatte er mit dem Hemd kaschiert.
Den Wodka-Shot kenne ich in einer kleinen Variante: Pulver auf die Zunge schütten, Wodka drauf, Mund schließen, kräftig schütteln, bis es schäumt und in der Nase brutzelt – dann schlucken.
Nach der Arbeit ohne Klimaanlage im Wohnheim ist es Erholung pur zum Abkühlen in den klimatisierten Supermarkt zu gehen.Vielleicht sollte man die Bewohner dorthin mitnehmen.
Meine Lieblingssorte war als Kind Ahoi Brause Waldmeister. Ein Tütchen wurde mit Freunden geteilt.
Waldmeister war der Super-Hit!
Ahoi-Brause als saure Pommes ..?
Ich muß unbedingt wieder eine Exkursion in einen größeren, üblicherweise gut sortierten Supermarkt unternehmen, wie mir scheint.
Bei der eigentlichen Brause fällt mir zum einen ein, das insbesondere Waldmeister immer zu wenig drinnen war und ich mich an Cola gar nicht erinnern kann
Nichtsdestotrotz: herrliche Kindheitserinnerungen, die da wortgewandt heraufbeschworen werden; danke dafür. lieber Rupi 🙂
Lieber (R)Einhard, Waldmeister war immer rar gesät, wahrscheinlich, weil die Elfen im Wald damit ihre Zaubertränke gemacht haben. Und Cola? – Das muss wohl ein gut gehütetes Geheimrezept gewesen sein!