Theater Taptoe setzt die Segel zu »De vliegende Hollander« Fotos: Neuköllner Oper
Im Rahmen des Europäischen Festival für anderes Musiktheater »Open Op« gastierten auf Einladung der Neuköllner Oper das flämische Theater Taptoe und das Bläserensemble »I Solisti del Vento« in Berlin. Gespielt wurde »Der fliegende Holländer« nach Richard Wagner als symphonische Erzählung mit Chor und Marionetten.
Die Truppe aus Belgien hat Wagners im Stil einer Nummernoper geschriebene zweieinhalbstündige »Romantische Oper in drei Aufzügen« aus dem Jahre 1843 auf die Hälfte zusammengestrichen. In einem 75minütigen Mix aus Figuren- und Objekttheater spielen drei Puppenspieler, ein vierköpfiger Männerchor und ein gutes Dutzend Musiker die dramatische Geschichte vom verfluchten holländischen Kapitän, der alle sieben Jahre mit seinem Geisterschiff aus der Tiefe des Meeres auftaucht und nach Erfüllung sucht. Denn der Holländer kann nur sterben, wenn er eine Frau findet, die ihm bis in den Tod hinein treu bleibt. Nur dann wird er vom Fluch der Götter erlöst und kann in Frieden sterben.
Der Verfluchte trifft auf Daland, einen anderen Kapitän, den er mit Gold und Edelsteinen in den Bann schlägt. Daland verkauft dem Geisterfahrer seine Tochter Senta. Die wiederum hat schon viel vom Mythos des fliegenden Holländers gehört und möchte seine Seele aus der Verdammnis erlösen. Sie gibt dafür ihren Verehrer, den Jäger Erik, auf, der sie jedoch an ihren Treuschwur erinnert. Dies hört der Holländer und glaubt, dass auch Senta nicht die Frau sein kann, die ihn retten wird. Es weist sie von sich. Sie setzt dem davon eilenden Gespensterkapitän nach, verkündet nochmals, ihm treu bis zum Tod sein zu wollen, und stürzt sich vom Felsen ins brausende Meer. Durch dieses Opfer wird der fliegende Holländer schließlich erlöst und findet Frieden.
Dramaturg Luk de Bruyker inszeniert den »Holländer« als Bühnenspiel mit Puppen. Dabei interpretiert er die Figur des Geisterfahrers als nebulöse, unwirkliche Figur, die lediglich als Schattenriss auftritt. So ist der Holländer selbst nie zu sehen, es bleibt beim Schattenspiel zwischen der Takelage eines Segelschiffes, das als Bühnenbild dient und einigen wenigen Akteuren. Senta, die weibliche Hauptfigur, wird doppelt dargestellt: von einer Puppe sowie einer Schauspielerin, die sie trägt und mit ihr interagiert. Dazwischen bewegt sich der als Matrosenmannschaft gekleidete Minichor. Eine Gliederung der Handlung in zehn Szenen ermöglicht demjenigen, der Wagners Original nicht kennt, ein inhaltliches Folgen, das auch durch eine ausgefeilte Lichtregie und Projektionen erleichtert wird.
Am ungewöhnlichsten an der Interpretation der Oper ist der vollständige Verzicht auf stimmgewaltige Solosänger. Dadurch kommt dem einzelnen Musiker und seinem Instrument solistische Bedeutung zu, und das kleine Ensemble hat enorm zu tun, um wenigstens den Hauch eines Eindrucks der gewaltigen Musik Wagners zu vermitteln. Windmaschine, Donnerblech und Regentrommel unterstützen die Illusion von Wetter, Wellen und Wind.
Wer bei »De vliegende Hollander« einen Orignal-Wagner erwartet, der wird enttäuscht. Wer sich darauf einlässt, den Holländer-Stoff und einen Teil des musikalischen Materials in einer eigenständigen Inszenierung aufbereitet zu sehen, der wird von der flämischen Wanderbühne»Theater Taptoe« gekonnt und eigenwillig bedient.
Klingt verlockend, Maestro.
Für mich als eingefleischter Wagnerianer ein spannendes Eperiment.
Natürlich glaubt er nicht, dass sie’s ist! Sie würde ihn zu dem machen, der er ist und er müsste in Frieden sterben… 😉
Im Ernst: liest sich, als hätte Dir diese Interpretation ganz gut gefallen. Ich hab‘ ja noch nie eine Oper besucht, hätte aber schon mal Lust dazu. Dann aber vielleicht doch lieber erstmal klassisch.
Oper kann auch jung, modern und fluffig sein. Solltest du unbedingt testen!
Um im Blogjargon zu bleiben:
also ein ‚Flying Dutchman-in-the Box‘?
Für alle, die erkennen/wissen, was ausgelasen wurde und auf dem Hemweg überlegen können/wollen: Warum?
Oder was ist der Sinn dieses ‚fluffigen‘ (Wiki sagt ‚fluffig‘ sei sowas -ähnliches- wie weich, flauschig) Experiments?
wäre auch für mich mal interessant…
Du könntest den fliegenden Holländer spielen, Sir. Passt gut zu deinem Leben
😉
In der Kunst ist das Spenden von Freude oft schon Sinn genug.
Claro – Spenden an sich ist schon Freude genug, höre ich immer.
Und: Wenn im Krieg und in der Liebe alles erlaubt ist,
Warum sollte es in der Kunst anders sein, lieber Freund.
Da liegt der Sinn der Freude wahrscheinlich doch immer im ‚Auge‘ des Betrachters.
(und also in denen der Zuschauer..)
ist er auch so ein armes würstchen ?
🙂
Viel schlimmer: er kann keinen Frieden finden und sterben
Frieden hätte ich auch gern , aber wie du vielleicht grad mitbekommen hast , habe ich es mit dem Sterben (noch) nicht so …
🙂
Sehr geehrter Herr Frieling,
kaum aus dem Urlaub zurück musste ich erschreckend feststellen, dass Sie seit nun bald vier Monaten keine neuen Einträge geschrieben haben.
Sind Sie auch im Urlaub, machen Sie gerade eine Pause? Ich hoffe es geht bald weiter!
Viele Grüße
Stimmt, es ist eine Schande ich bin mit meinen vielen digitalen Baustellen überfrachtet und zudem stinkend faul – außerdem in den Urlaub geflohen, um den Berg der unerledigten Arbeiten nicht länger mit ansehen zu müssen
😉
Lieben Dank für Ihr Interesse.
Ich war von der Inszenierung auch ganz begeistert – wie so oft in der Neuköllner Oper! Die Kritik trifft den Nagel auf den Kopf – Danke dfür und für die anderen, spannenden und anregenden Posts!
Freue mich sehr über die Blumen zum Sonntag! Merci bien.