Auf einer Buchmesse treffe ich neben Kollegen und Freunden eine stahlgraue Schreibmaschine. Es handelt sich um einen betagten Apparat mit mechanisch beweglichen Lettern, die mittels eines Farbbandes Buchstaben auf Papier bannen kann. Ein Gerät, wie ich es vor Dezennien mit mir umherschleppte und täglich stundenlang im Zweifinger-Suchsystem traktierte. Lang, lang ist es her.
Wie gebannt lacht mich das ehrwürdige Schreibgerät an und lädt mich in eine Messekoje, in der ein freundlich lächelnder Herr thront: Verleger Georg H. Holländer. Stolz präsentiert er den Kasten aus der Urzeit der Schreibtechnik. Wir unterhalten uns wie alte Bekannte über den Saurier: Wir bewundern die Eleganz der Maschine, ihr Schriftbild, ihren Klang, den warnenden Glockenton am Zeilenende, den geschmeidig laufenden Schlitten, den Tastaturhebel und vieles mehr.
Mein Gesprächspartner hält entschieden daran fest, dass er mit dieser mechanischen Schreibmaschine effektiver arbeiten könne als mit jedem Computer. Insbesondere werde er nicht durch das ständige Eintreffen von E-Mails abgelenkt. Ich wende dies und jenes ein, das für die zeitgenössische Art des Schreibens steht: die sofortige Speichermöglichkeit, die unendlichen Chancen, Texte zu verändern, umzustellen und zu korrigieren … Er bleibt eisern.
Während unseres Gespräches bemerke ich, dass die Maschine wie ein mächtiger Magnet auf viele Besucher wirkt. Verwundert bleiben sie stehen, deuten mit Fingern auf das Gerät und unterhalten sich angeregt darüber. Ist ihnen ein Engel aus vergangenen Zeiten erschienen?
Wie schnell hat sich doch im Markt der Schreibgeräte die Technik entwickelt. Ich erinnere mich gut, wie ich meine Manuskripte in eine Reiseschreibmaschine hämmerte und mit schwarz-blauem Kohlepapier kämpfte, um Kopien herzustellen. Auf die mechanischen Schreibmaschine folgten die ersten elektrischen Maschinen. IBM-Kugelkopf-Maschinen waren sündhaft teure Kisten, bei der durch wechselnde Köpfe verschiedene Schrifttypen ausgedruckt werden konnten. Dann kam die Elektronik.
Die ersten elektronischen Maschinen verfügten über einen kleinen Speicher und erlaubten in bescheidenem Maße Korrekturen und den mehrfachen Ausdruck desselben Schreibens. Meinen ersten Schreibcomputer kaufte ich 1981, er verfügte über ein 20 MB großes Winchester-Laufwerk, benannt nach der Stadt in Südengland, in der diese seinerzeit hergestellt wurden.
Es war damals unvorstellbar, diesen gewaltigen Speicherplatz jemals füllen zu können. Kollegen aus anderen Betrieben kamen, um das Wunderding, es kostete schlappe 20.000 DM, zu bestaunen. Schon aus diesem Grund kann ich mich an den Saurier lebhaft erinnern.
Gefüttert wurde das Monster mit labbrigen Floppy Disks. Floppy Disk, das ist heute ein altertümlicher Name wie »Bratenrock«, die Bezeichnung für einen Gegenstand, der lange aus der Mode ist, und nach dem bald in »Wer wird Millionär« gefragt werden wird.
Feste Disketten lösten die schwarzen Schlabberfolien ab, sie fassten anfangs 512 Byte. Bald beherbergten sie schon mehr als ein Megabyte, und es dauerte nicht lange, da wurden auch sie ins Computer-Altenheim entsorgt. Neuartige Speichermedien gaben sich gegenseitig die Tür in die Hand.
Mit dem Aufkommen der ersten lesbaren, später beschreibbaren Silberlinge schien das Ende der Fahnenstange erreicht. Doch die CDs wurde schnell durch einen durch einen neuen Standard abgelöst, die DVD. USB-Sticks, Flash-Speicher und Miniplatten mit ungeheurem Speicherplatz folgten. Doch es wird zeitgeschichtlich betrachtet nur eine Frage von Bruchsekunden sein, bis die nächste Generation von Geräten einladend lacht.
Wir leben in einer Zeit, in der die technische Entwicklung mit einer derartigen Rasanz unmittelbar vor unseren Augen vorwärts marschiert, dass es inzwischen ausgebuffte Profis sind, die noch halbwegs den Durchblick behalten. Aus einem friedlichen Schreibgerät, das – an sich schon revolutionär –, die Schiefertafel beerbte, ist inzwischen eine miniaturisierte Hochleistungsmaschine geworden, mit der viel mehr gemacht werden kann als lediglich Texte zu konservieren.
So ist es vielleicht kein Wunder, dass die Besucher der Buchmesse, die an allen Ecken und Enden digital blitzt und blinkt, irritiert, überrascht und zugleich fasziniert auf alte Schreibmaschinen reagieren.