Zeit der Glaubenskriege. Die »Ungläubigen« werden mit dem Schwert missioniert. Dabei verliebt sich der christliche Kreuzfahrer Rinaldo in Armida, die Tochter eines stolzen muslimischen Königs. Dieser verspricht dem Ritter Tochter und Königreich, wenn er dem bedrohten Volk gegen die christlichen Aggressoren hilft. Doch der verliebte Kreuzritter schwankt zwischen Liebe, Glaube, Tugend und Pflichterfüllung. Er entscheidet sich letztlich für die Seinen und seine Heldenrolle. Das »Dramma eroico« in drei Akten von Joseph Haydn behandelt die Endphase der Beziehung des ungleichen Paars.
Christof Loy inszeniert die Oper »Armida« als Beziehungsdrama. Ausdrücklich vermeidet er die Herstellung von aktuellen Bezügen. Der Regisseur enthält sich einer platt aktualisierenden Regietheatermoral und entpolitisiert die Oper. Ob das in heutiger Zeit möglich und machbar ist, darf bezweifelt werden. Denn das Stück könnte aufgrund seiner Thematik brisant und aktuell angelegt sein: die Furcht der westeuropäischen Öffentlichkeit vor einer »Islamisierung« der Gesellschaft, die Neiddebatte über Höhe, Größe und Ausstattung von Moscheen im deutschsprachigen Raum, die Reglementierung der Einbürgerung, oder auch die Frage der Gleichberechtigung der Geschlechter bieten endlos viele spannende Ansätze, das nahezu handlungslose Stück dem Publikum nahe zu bringen. Ob Intendant Jürgen Flimm mit Loy den falschen Regisseur für das richtige Stück ausgewählt hat?
Es bleibt eine in musikalischer Hinsicht opulente Aufführung des Mozarteum Orchesters unter Ivor Bolton mit ausgefeilt choreographierter (Jochen Heckmann) Statisterie, bei der vierzig als Krieger stilisierte Mitwirkende über die Bühne zischen und immer wieder durch heidnischen Zauber in ihrer Bewegung erstarren.
Unter den Stimmen ragt Mojca Erdmann als Zauberin Zelmira hervor. Armida (Annette Dasch) ist stimmlich stark, überzeugt aber letztlich nicht in ihrer verletzten Liebe. Rinaldo (Michael Schade), der Hauptheld, ist aufgrund seiner maulwurfsartigen Physiognomie optisch eher ungeeignet als feuriger Liebhaber. Wälzt er sich auf Armida, dann lässt sich um die Unversehrtheit der Protagonisten fürchten. Letztlich aber ist die Oper um ihn angeordnet, Rinaldo spiegelt den Konflikt, in dem sich Armida konsequent verhält, allein wider und unterliegt.
Nach der Fülle der Mozart-Inszenierungen des Jahres 2006 wirkt die Entscheidung für die selten gespielte Haydn-Oper als Auftakt der Salzburger Festspiele wie ein Vortasten auf das Haydn-Jahr 2009. Mit dem 100. Todestag des bekannten österreichischen Komponisten wird es in Salzburg sicher zu einer Haydn-Renaissance kommen.
Lieber Rupi, ein guter Artikel. Scheinbar hast du dich gut amüsiert (?). Ich mag Haydn sehr, ein großer Komponist, leider meist in punkto Aufführung unterrepräsentiert, vielleicht sogar unterschätzt.
Aus Armida habe ich in Radio und TV Auszüge gesehen und gehört, es war wohl eine stimmlich gut besetzte und musikalisch wunderbar dargebotene Aufführung in angemessener Inszenierung. Machte richtig Freude aufs Haydn-Jahr. Vielleicht kramt man ja irgendwann auch mal ein paar Salieri-Opern heraus, das wärs doch (sein Falstaff war gar nicht schlecht!)
Ja, die Aufführung hat mir wirklich gut gefallen. Da ich aber der alten Schule anhänge und das Regietheater favorisiere, habe ich Schwierigkeiten mit der Entpolitisierung eines Stoffes, der brandaktuell ist.
Vielleicht wollte man keine neuen Kontroversen entfachen. Und schließlich ist es ja „nur“ Musik, Hauptsache Du hast es genossen.
Ich bin nicht die große Opernliebhaberin,
aber ich bewundere Menschen, die die Fähigkeit haben,
Musik zum Brennen zu bringen, egel in welchem Musikstil.
Rupi, du schaffst es auch, mich wieder intensiver mit
der Opernwelt zu beschäftigen.
Das würde mich wirklich freuen, denn es gibt wirklich spannende Inszenierungen. Am morgigen Sonntag sendet beispielsweise 3sat den gesamten Stuttgarter »Ring des Nibelungen« ab 09.05 Uhr bis in die tiefe Nacht. Videorecorder anschalten und später in vier Häppchen genießen!
Über den Begriff „Häppchen“ kann man sich beim Ring nun streiten. 😉
Rupi,
ich habe es in der Programmzeitung schon angestrichen.
Danke für den Tipp
Ruhe dahinten auf Deinem Stehplatz, Micha!
Ich werde es natürlich in einem einzigen vierzehnstündigen Happen zu mir nehmen.
Vierzehn Stunden am Stück….. großer Gott, tut dir da nicht der Hintern weh ? ? ?
Es gibt ja Pinkelpausen
Irgendwie erinnert mich diese Aussage an Obelix und Wildschweine…
Jafoool! Die Sache ist nur mit Zaubertrank zu überstehen, aber es lohnt sich (Vier Regisseure: Schlömer, Nel, Wieler und Konwitschny)
Ich denke ich hab noch Platz auf der Festplatte…
Gab es bisher in dieser TV-Konzentration noch nicht!
Aus Mangel an opernsüchtigen TV-Masochisten, nehme ich an.
Durchaus denkbar!
Allerdings gab es in der letzten Zeit viele Bonbons für Opernfreunde im TV. »TOSCA« wurde aus Bregenz live übertragen. Aus Salzburg sendete das ORF »EUGEN ONEGIN. Der Sender 3sat übernimmt hier eine führende Rolle.
Und ich dachte als Jugendlicher, ich sei verrückt, wenn ich mir im Programmkino bei Filmnächten drei Filme am Stück angetan habe.
Onegin war gut, habe ich mir angesehen (ganz dekadent, auf der Couch mit einer Flasche Veuve Clicquot und einer Packung Leysieffer Trüffelpralinen).
Wer keine »Paten«-Nacht erlebt hat, dem fehlt doch einiges und eine »Herr der Ringe«-Nacht in der langen Fassung gehört ebenso dazu. Von diversen SF-Serien mal ganz zu schweigen
Da machen wir es mit Selbstverständlichkeit, und bei der Oper brennt uns der Arsch. Irgendwie seltsam, oder?
Regie: Andrea Breth. Das war die zweite Premiere in Salzburgo.
Geschmäcker sind halt verschieden. Und zum Thema „Herr der Ringe Nacht“: Ich bin bereits beim ersten Teil (damals als er rauskam – nicht als Komplettpaket) in der Pause abgehauen, da ich mich unsäglich gelangweilt habe und eh nur in meinem Sitz dahindämmerte.
Ich habe es inzwischen einfach akzeptiert, dass ich wohl weder zu Tolkien noch zu Wagner einen Zugang finden werde. Vielleicht leide ich ja auch einfach nur unter einer „Ring-Allergie“. 🙂
In dem speziellen Fall sollte man keinesfalls Nickelringe tragen
Ich bin auch so schon nickelig. Meine zarten Hände bleiben unbereift.
Haha, falls es ein Trost ist: ich bin beim HdR Videoabend dauernd rausgegangen, was trinken, eine rauchen etc. weil ich den Film viiieele zu lang fand (war noch dazu die Extended DVD)
Der Berichterstatter wundert sich und schweigt
😉
Herrlich. Ich will auch nach Salzburg… :'(
Auf geht´s!
Für mich ist es eine Reise, für Dich ein Katzensprung!
Das stimmt schon, bloß ohne Tickets is‘ es witzlos…
…und die Preise sind ein „Mount Everest“. 😳
Es gibt derzeit sogar noch Restkarten für diverse Veranstaltungen. Die Preise beginnen moderat und liegen weit unter den Eintrittspreisen von Popkonzerten oder Fußballspielen.
Aber ich stimme Dir zu: grundsätzlich ist es für Normalos kaum möglich, preiswerte Karten zu bekommen, da ist die Kulturmafia vor.
Das ist doch gerade die Krux.
Seien wir ehrlich, jene die wirklich Fans sind, können es sich oftmals einfach nicht leisten und es auf gut Glück zu probieren ist mir auf die Dauer auch zu doof. Dann kann schon mal ein ganzes WOE futsch sein…
…und manch günstige Karten sind schlicht eine Frechheit. Dann sitzt man hinter ’ner Säule. :no:
Fraglos, es gibt in dieser Frage nichts zu beschönigen,
und Sitzriesen hocken sogar auf den teuren Plätzen
😉
P.S. Immerhin bietet das Fernsehen in letzter Zeit eine erstaunliche Auswahl an ausgezeichneten Premieren und Aufzeichnungen, das ersetzt zwar kein Erlebnis vor Ort, ist aber gleichwohl oft ein Augenschmaus.
Ich war auch ganz erstaunt am Freitag im ZDF zur besten Sendezeit Anna Netrebko & Co. zu erblicken. Momentan läuft auf 3sat „Der Ring der Nibelungen“ und „arte“ hat auch immer mal wieder was im Programm…
Vergangenes Jahr übertrug die ARD sogar „Le nozze di Figaro“ LIVE von den Salzburger Festspielen:
http://plumpaquatsch.blog.de/2006/07/27/bugel_tv~992215
Das sind ausgezeichnete Beispiele, die für das öffentlich-rechtliche Fernsehen sprechen. Was 3sat heute aus Stuttgart bietet, ist das Beste, was es derzeit zum »Ring« gibt. Mit rund 20 GB benötigtem Speicherplatz ist/war Deine Festplatte hoffentlich dabei
@MisterPocket: Beruhigend, dass ich anscheinend doch nicht der einzige Mensch auf dieser Welt bin, der mit „Herr der Ringe“ wenig anfangen kann. Die Ralph Bakshi Zeichentrickversion habe ich mir ja noch gefallen lassen. Wäre der zweite Teil erschienen, hätte man den kompletten Epos in knapp 3 Stunden gehabt – was meiner Ansicht nach bei der mageren Story mehr als ausreichend gewesen wäre.
Herr der Ringe ist ja optisch ganz schön, aber irgendwie verstehe ich den Hype darum Nicht. Und es ist ein genereller Trend zur Überlänge bei neuen Filmen festzustellen, mir fehlt da dann doch das SItzfleisch. Es gibt zumindest nur wenige, die die ganze Länge hindurch fesseln können, meist gibt es gehörige Längen dazwischen.
Ich glotz‘ TV… :yes:
Ist außerdem viel besser, vor dem Fernseher mitzusingen als im Opernhaus (habe ich allerdings auch schon erlebt!).
Siegfried schaut jedes Mal ganz irritiert aus dem TV, wenn er sein geliebtes Schwert Nothung poliert und mich dazu grölen hört
Ich gebe Dir vollkommen Recht: Mir ist ein spannender Handlungsbogen weitaus wichtiger, als optisch schöne Szenen, die aneinandergereiht werden und manche Filme in Schönheit sterben lassen.
Im Kino läuft es anscheinend ähnlich, wie in der Belletristik. Romane unter 500 Seiten findet man immer seltener in den Bestsellerlisten – und Filme unter zwei Stunden werden selten (mit Ausnahme von Animationsfilmen).
Stimmt, bei Büchern ist es mir auch schon aufgefallen. Alles aufgebläht, ohne viel Substanz. EIn Zeichen der Zeit?
Ich denke schon – nach dem Motto „umso dicker, umso besser“. Das Doublewhopper-Superduper-Menue setzt sich seit Stephen King und spätestens seit Harry Potter auch als „Qualitätskriterium“ beim Buchkauf durch. Ich frage mich, wie Sartres Meisterwerk „Das Spiel ist aus“ mit seinen schlappen 122 Seiten heute als Neuveröffentlichung ankommen würde. Vermutlich ein Misserfolg, da es nicht genug Worthülsen für drei Wochen Canaren hat. Wer heutzutage Manuskripte unter 500 Seiten an Verlage einreichen möchte, sollte sich vermutlich auf das Gebiet „Lebensratgeber“ konzentrieren (Diät, wie werde ich reich in 14 Tagen und wie kann ich meine ganzen unsinnigen Ratgeber möglichst lukrativ bei eBay verscherbeln). *seufz*
Wahrlich, wahrlich…
*doppelseufz*
Masse geht eben über Klasse, spricht nicht gerade für die Gesellschaft. Aber klug daherreden tun sie alle… ein frustrierendes Thema!
Was belieben euer Hochwohldings denn zu gröhlen? „Dir Unweisen ruf‘ ich ins Ohr“, oder „Eisgekühlter Bommerlunder“? Ich wär ja zu gern dabei…
Beenden wir es einfach, ändern können wir es leider eh nicht.
Die Arie vom Nothung, dem neidlichen Stahl, Ihro Tütteligkeit!
Lest den Blog der Literaturzeitschrift, da gibt es gelegentlich noch Tipps für Bücher unter 500 Seiten
Danke Rupi – für diesen Hoffnungsschimmer.
Ich habe heute bei der Walküre schon „Du bist der Lenz“ mitkrakeelt!
Notfalls gibt es Lore-Romane und Jerry-Cotton-Hefte.
Ich glaube, die haben jeweils nur 64 Seiten!
😉
So ist es recht! Die Walküre als Badewannentango.
Vielleicht sollten wir mal gemeinsam inszenieren?
A****lo**! 😉 Bei Deiner Aufzählung vermisse ich aber die Perry Rhodan Heftchen, die gerade 45. Geburtstag mit 2400 Heften feiern.
Ich gebe offen zu, dass ich als Schüler in der Straßenbahn auf dem Weg zur und von der Schule gerne Jerry-Cotton-Hefte gelesen habe. Auf der Hin- und Rückfahrt hatte man ein Heft durch. Perfekt!
Zurück zur Literatur: Warum gelang es früher Literaten („Krieg und Frieden“ mal außen vor) Meisterwerke auf 100, 200, vielleicht 300 Seiten anzulegen, während heute unter 500 Seiten wohl kaum was geht. Haben die Autoren mehr zu sagen? Ich denke, eher im Gegenteil. Das literarische Nichtkönnen wird durch eine Aufplusterung des „Werks“ in der Masse versteckt.
Hallo Prinz,
bin Deinem Rat gefolgt und habe am WE kurz eingeschaltet und sah einen Hagen? mit Sonnenbrille und überhaupt lümmelten sich die Darsteller wie Bankangestellte in der Gegend rum. Später hab ich dann noch eine kleine, dicke Walküre gesehen von der sicher kein Krieger wünscht, daß die ihn in Walhalla abholt.
Aber ich bleib‘ dran, irgendwann wird mir das Kunstverständnis wie Schuppen aus den Haaren fallen… wär ja gelacht…
Beste Grüße vom Rhein,
Pat
Hallo Pat,
immer dran bleiben, und mit den dicken Walküren hast Du fraglos Recht, die sind keine Augenweide
Anette Dasch,
habe ich vor zwei Jahren mal gehört.
Zusammen mit ihrer Schwester, einer hervorragenden Pianistin hat sie ein Konzert gegeben.
Noch besser allerdings fand ich sie als Pamina in der Zaubeflöte. Auch als Gänsemagd in den Königskindern hatte sie es mir angetan.
Sie singt einen erstklassigen Sopran. Großes Kompliment und meine Bewunderung.
Ich hätte sie gerne selbst in Salzburg gesehen um mir ein Bild von ihr als Armida zu machen. Doch so muss ich eben auf dein Urteil vertrauen.
Lieben Gruß und danke fürs mitbringen
Juleika
Die Inszenierung wird bestimmt noch aufgezeichnet und kommt dann zum Haydn-Jahr 2009 in die Flimmerkisten.
Dann vertraue ich lieber blind auf dein Urteil.
Denn in der Flimmerkiste werde ich es mir nicht ansehen.
Streif Deine Siebenmeilenstiefel über
und zissssssssssch bis Du in Salzburg
und hörst es Dir selbst an!
Einspruch, euer Ehren! Als Kunde der Deutschen Bahn kann das Buch gar nicht dick genug sein…