Partnertausch im Treppenhaus: »Cosi fan tutte« im Salzburger Festspielhaus.
© Monika Rittershaus
Treueagenturen melden Hochkonjunktur. Dabei versuchen entsprechend versierte Damen oder Herren, den Beziehungspartner des jeweiligen Auftraggebers anzubaggern und zu einem Seitensprung zu bewegen. Informationen über Gewohnheiten, Stammkneipen und Interessen erleichtern ihnen die Arbeit und den erwünschten Zugriff. Tappt der derart Angemachte in die Sex-Falle, ist sein mangelhaftes Verhältnis zur Treue bewiesen, und es darf vermutet werden, wie sich die Beziehung der beiden Liebenden wohl künftig entwickeln wird.
Dabei betrügen sie alle, behauptet Komponist Wolfgang Amadeus Mozart und gibt seiner Oper zum Thema Treuetest auch gleich einen entsprechend programmatischen Titel. »Così fan tutte« heißt sein Werk in zwei Akten, und das bedeutet wörtlich: »So machen (sie) es alle«. Unmissverständlich reduziert Mozart diese Behauptung bereits im Titel seines »Dramma giocoso« auf die Treulosigkeit der Damenwelt, weil Männer für ihn wohl mehr Ehre im Leib haben als das »schwache Geschlecht«. Ein Stoff für Feministinnen ist diese Oper daher wohl kaum.
In der im Untertitel als »Die Liebesschule« bezeichneten Geschichte geht es um zwei Freunde, denen ein gefallener Engel namens Don Alphonso beweisen will, dass ihre Geliebten ihnen schneller untreu werden könnten, als die Sonne auf- und wieder untergeht. Die beiden wollen es nicht glauben, schwören auf die Treue ihrer Freundinnen, und bestehen dann aber doch auf einem Beleg. »Was für ein verrücktes Verlangen«, meint Don Alphonso darauf, »versuchen, ein Übel zu enthüllen, das, hat man´s gefunden, uns armselig macht«. Er erklärt den beiden, die Treue der Frauen sei »wie der Phönix aus Arabien: dass es ihn gibt, sagt jeder, doch wo er ist, weiß keiner«.
Jedenfalls schließen die drei eine Wette ab und ab geht die Post. Hals über Kopf sollen Ferrando und Guglielmo als Soldaten in den Krieg ziehen und ihre Bräute verlassen. Das bricht den jungen Frauen zunächst fast das Herz, doch schon tauchen zwei neue Verehrer bei ihnen auf (im Stück sind es ihre maskierten Liebhaber) und werfen sich ihnen zu Füßen. Mit Hilfe kleiner Tricks, die Don Alphonso mit Unterstützung der Bedienerin Despina anwendet, landet die eine der beiden mit ihrem neuen Lover ratzfatz im Bett, während die andere sich erst ziert und dann ergibt. Im Finale wird die Sache aufgedeckt, die Paare kehren in ihre Ausgangsposition zurück, und alles wird gut.
Don Alphonso fasst die Moral von der Geschichte als Einsicht in die »Notwendigkeit der Herzen« zusammen: »Alle beschuldigen die Frauen, und ich entschuldige sie, wenn sie tausend mal am Tag den Liebhaber wechseln; die einen nennen es Laster, die anderen Gewohnheit, mir scheint es eine Notwendigkeit des Herzens zu sein. Der Liebhaber, der sich schließlich enttäuscht sieht, verurteile nicht die anderen, sondern seinen eigenen Irrtum: mögen sie jung, alt, schön oder hässlich sein, wiederholt mit mir: So machen es alle«.
Sorgte der Stoff in seiner Entstehungszeit noch für Empörung, wirkt die Geschichte anno 2009 eher hausbacken. Dabei mühte sich Claus Guth, der den Stoff für die diesjährigen Salzburger Festspiele aufbereitete, um ein modernes Gewand. Er inszeniert die Beziehungskiste in ein elegantes Wohnhaus mit Sitzgruppe, offener Treppe und Galerie, auf der gesoffen, getanzt und gehurt wird. Mit seiner ausgefeilten Regiearbeit müht sich Guth, die Geschichte in Richtung eines bewussten Partnertausches zu interpretieren, da es so gut wie ausgeschlossen scheint, dass die beiden Frauen ihre eigenen Verlobten nicht erkennen, die sich zudem nur zeitweise mit afrikanischen Holzmasken tarnen. Deutlich wird das dem Betrachter aber ebenso wenig wie die Beantwortung der Frage, wer denn schlussendlich zu wem findet. Ein Hin und Her der Protagonisten im Schlussbild, musikalisch von den Stimmlagen Sopran und Bariton sowie Mezzo und Tenor getragen, trägt kaum zur Sinnfindung bei und lässt bewusst offen, ob es denn überhaupt möglich ist, nach einem derartigen Desaster wieder Vertrauen zu bilden und zueinander zu kommen.
Claus Guths Salzburger »Cosi«-Adaption schließt den Zyklus der drei Mozart-Opern, die zwar sämtlich von dem Librettisten Lorenzo Da Ponte (1749-1838) stammen, allerdings weder musikalisch noch inhaltlich verbunden sind. Der Regisseur versucht hingegen, einen Zusammenhang herzustellen und verwendet dazu diverse Bildzitate aus den beiden anderen von ihm erarbeiteten Salzburger Operninszenierungen, »Don Giovanni« von 2008 und »Die Hochzeit des Figaro« von 2006.
Spielte der »Figaro« noch in einem herrschaftlichen Treppenhaus, könnte der Betrachter mit Wohlwollen bei »Cosi« mutmaßen, das Haus sei umfangreich modernisiert und in ein modernes Wohnensemble verwandelt worden. Deutlicher wird das Bildzitat, wenn im Bühnenbild der »Liebesschule« eine Hauswand in den Bühnenhimmel gezogen wird, um einen Blick in den Garten frei zu geben. Dieser entpuppt sich als jener Hochwald, in dem der Frauenheld Don Giovanni ein Jahr zuvor Frauen jeden Ranges, jeder Gestalt und jedes Alters flachlegte, um schließlich an einer Schussverletzung, die ihm der Vater einer enttäuschten Liebe beibringt, zu verenden.
Egal, ob die drei Opern des Zyklus nun ineinander greifen oder nicht: Mozarts Musik ist leicht, beschwingt und wundervoll, und die sängerische Leistung schenkt Genuss. Miah Persson, die sich noch in der Generalprobe stimmlich vertreten ließ, passte als Fiordiligi optimal zu Isabel Leonard als Dorabella, während Topi Lehtipuu als Ferrando und Florian Boesch als Guglielmo in den Rollen der Liebhaber brillierten. Deutlich fällt bei der Salzburger »Cosi«-Inszenierung die schauspielerische Leistung der Akteure ins Gewicht, die sich in glänzend aufeinander abgestimmter Choreographie bewegten. Hier steht eine neue Generation von Schauspieler-Sängern auf der Bühne, die dem Musiktheater auch für die Zukunft eine solide Basis geben.
Sämtliche drei Salzburger Inszenierungen von Claus Guth werden auf 3sat gezeigt:
Don Giovanni am 14.08.09, 20.15 Uhr
Cosi fan tutte am 15.08.2009, 20.15 Uhr
Le Nozze di Figarro am 16.08.2009, 20.15 Uhr
Interessant wäre es, „Cosi fan tutte“ ganz modern zu inszenieren, d.h. im Still all dieser unendlichen Sendungen bei Klatsch-TV wie „Frauentausch“ etc. Das wäre dann modern, kritisch und würde bei allen für eine frische Empörung sorgen 🙂
Mit Merzmensch als Regisseur könnte ich mir das abgefahren vorstellen!
Drei Anmerkungen:
Wie habe ich die „drei Mozart-Opern, die […] sämtlich von dem Librettisten Lorenzo Da Ponte stammen“ zu verstehen?
Ist die Gegenüberstellung von „schön“ mit „häuslich“ Absicht? Wenn ja, passt es in der Folge nicht zu jung und alt.
Trägt die Treppe auch, wenn man sie nicht mittig begeht?
Okay, vergiss den ersten Punkt, ich hätte zuerst „Librettist“ googlen sollen, bevor ich frage, aber wenn ich Libretto im Hinterkopf habe, denke ich in der Folge nunmal nicht unbedingt an dessen Autor (:
Sei unbesorgt: die Werkstätten des Salzburger Opernhauses arbeiten solide, und die Treppe trägt.
Den Begriff Libretto habe ich hier erklärt: http://oper.suite101.de/article.cfm/was_ist_ein_libretto
Ich bin bereit!
Wir können es auch „Dada fan tutte“ nennen 🙂
Admin-Link 😉
Der läuft da besser, falls es noch andere Interessierte geben sollte: http://oper.suite101.de/article.cfm/was_ist_ein_libretto
Ich habe wohl das Libretto mit einem Teil einer Oper verwechselt – Anfängerfehler.
Und was die Treppe angeht: Der traue ich trotzdem nicht … ich würde immer auf Mittigkeit achten, oder wenigstens darauf, dass noch einer auf der anderen Seite läuft 🙂
die story könnte auch ein gutes musical abgeben…….
🙂
Wenn du gestern ferngesehen hättest – Empfang von ORF vorausgesetzt – hättest du das Werk sehen können. Ich fand es ganz gelungen. Auch alles andere hier angesprochene lässt sich nachholen, ein Special über da Ponte, der Figaro und der Gon Giovanni.
http://tv.orf.at/program/orf2/20090730/456205001/271086/
Die guten Deutschen sind in Bayreuth und huldigen ihrer Kanzlerin!
Und du drückst dich in Salzburg herum? 😉
Sämtliche drei Salzburger Inszenierungen von Claus Guth werden auch auf 3sat gezeigt:
Don Giovanni am 14.08.09, 20.15 Uhr
Cosi fan tutte am 15.08.2009, 20.15 Uhr
Le Nozze di Figarro am 16.08.2009, 20.15 Uhr
Bei der schwachen Qualität, die derzeit in Bayreuth geboten wird, reicht die Präsenz von Frau Merkeline vollends aus.
Ich merke eben wieder einmal, dass ich konservativ-hausbacken-provinziell bin: ich sehe mich außerstande, das da oben als Opernkulisse anzuerkennen, ich würde es als Schaufenstergestaltung eines Designer-Möbelhauses akzeptieren können.
Im Übrigen habe ich null Ahnung und wollte bloss wieder einmal auf die Kacke hauen; andererseits Prinz Rupi das alles viel besser erklären kann als zum Beispiel meine Musiklehrerin mit dem leider nicht präpubertär spangentechnisch gerichtetem Nagergebiss; vielleicht solltest Du geführte Opernbesuche anbieten (mit Besichtigung der Kulissen während der Aufführung: ist das ’ne Geschäftsidee, boah)…
Da ich annehme, dass Du Dich dekadent-ästhetizistisch auf irgend welchen sagenhaften Inseln weltmännisch fläzt, wünsche ich weiterhin ein bekömmliches Sommer-Loch und verbleibe
Mit vorzüglicher Zerknirschung
Das Fossil
Meine MUsiklehrerin war absolut genial, ich wollte sogar – nur wegen ihr – mal Musiklehrer werden! Und auch als einer mit etwas mehr Ahnung schließe ich mich deiner Meinung an. Ich habe mit Rupi schon öfters darüber diskutiert was denn nun sein muß in der Oper, und was nicht. Figaro im Treppenhaus, Don Giovannis Abendmahl bei MacDonalds… muß meiner Meinung nach nicht. Darüber hinaus sind die Handlungen ja auch ein Produkt ihrer Zeit, Zeitgeist und Moralbegriffe inklusive, was eine Vermodernisierung nur sehr begrenzt verträgt.
Aber man will halt „was anderes“ bieten, schon alleine um
sich selbst ins Gespräch zu bringenden Musikfreunden Diskussionsstoff zu bieten.Das ist gut, wenn man so ’ne Lehrer(in) hat; im Übrigen kann ich überhaupt nicht meckern, denn ich hatte Wahnsinnsglück mit dem Lehrkörper; das von Dir angedeutet beschriebene Prinzip kenne ich aber auch: als ein Mathelehrer unser Klassenleiter war, bin ich zum Mathe-Freak geworden (ich habe sogar mal Unterricht gemacht, kein Witz, weil der Typ nicht nur heiser, sondern schier stimmlos war)…
Na ja: ist alles subjektiefsinnig… Ich weiß, dass manche dieser „Adaptionen“ von Klassikern rauschende Erfolge waren; ich habe auch die Verfilmung von „Romeo und Julia“ gesehen, die an einer modernen Tankstelle beginnt, und die war so großartig, dass man (nämlich wohl eben nicht nur ich) nach kurzer Zeit vergaß, dass die kariert quatschten (die haben ja trotzdem den Shakespeare im Original gesprochen, bzw. in Schlegels Übersetzung)…
Aber die Universalsprache des Menschen sind Gefühle, und die waren vor 2000 Jahren schon genauso wie heute „beschaffen“, und wenn die „rüber kommen“, dann ist das okay, und dann muss man nicht Antigone mit ’nem Mini-Cabrio auf die Bühne rauschen lassen…
So weit der heutige klug Schiss vom
G.