Man nehme den wohl berühmtesten deutschen Opernkomponisten, sein bekanntestes Werk, den talentierten Spross eines modernen Komponisten, eine beliebte Schauspielerin und verfrachte all das in den Berliner Problembezirk Neukölln – fertig ist »Rheingold Feuerland«. – Doch ob das reicht?
Als einen »Wagner-Wiedergänger« bezeichnen Komponist Simon Stockhausen und Dramaturg Bernhard Glocksin ihr gemeinsames Werk, das auf Richard Wagners ersten Teil der Tetralogie »Ring des Nibelungen«, das »Rheingold«, Bezug nimmt. Ein Wiedergänger ist bekanntlich ein Untoter, der in die Welt der Lebenden zurückkehrt, weil er sich für erlittenes Unrecht rächen will oder Erlösung für seine Seele sucht. Ob nun Richard Wagner die Rolle jenes gespenstischen Untoten zugeschrieben werden soll, bleibt nach der Uraufführung der Inszenierung der Neuköllner Oper offen.
Wagners »Ring des Nibelungen« jedenfalls dient den Machern als Parabel über Gier, Vertrag und Verrat, die heute aktueller ist denn je. Ort der Handlung ist eine Neapolitanische Müllkippe, auf der unter den Augen einer geldgierigen Mafia hochgiftige Abfälle verbrannt werden.
Fernsehstar Dennenesch Zoudé als Immigranten-Urmutter Erda erklärt schauspielerisch stark, sängerisch hingegen eher schwach, wie alles Leben begann. Ihr raubt der erst 14-jährige Christo (Janko Danailow) ein Medaillon, das das Rheingold symbolisieren soll. Der Knabe hustet sich das Leben aus der vergifteten Brust, er will aber beweisen, dass er stärker ist als Seinesgleichen und ackert für die Bosse im Müll. Aus dem Gold lässt er sich den Ring der Macht schmieden, der ihm zwar den ersehnten Karrieresprung verschafft aber letztlich nicht davor bewahren kann, seine zerfressenen Körperzellen vor dem Absterben zu retten.
Parallel dazu interviewt Mercedes (Andrea Sanchez del Solar) den Megakapitalisten George Warren (Thorsten Loeb), der sein Credo lebt: »Die Ökonomie ist die Religion unserer Zeit«. Wie Dagobert Duck in seinen legendären Geldtalern badet Warren genüsslich im Müll. Dabei lässt er sich von Dr. Anashnapuram alias »Dr. Loge« (Boidar Kocevski) beraten. Unter dem Einfluss von immer stärker werdenden Rechnerleistungen erklärt er den Menschen als letztlich ferngesteuert und abhängig von Computern: Was früher von heute auf morgen schnell entschieden wurde, wird heute in Nanosekunden erledigt. Aktien, Kauf- und Verkaufsorder werden von ausgeklügelten Algorithmen bestimmt. Der Mensch erfahre erst im Ergebnis, was für ihn getan wurde.
Warren setzt jedenfalls als Energie der Zukunft auf Methanhydrat, das »brennende Eis«. Warnungen über die Zerstörung der Atmosphäre schlägt er in den Wind. Und so endet das Stück, indem Erda eine neue Erde prophezeit – diesmal jedoch ohne Menschen.
Komponist Simon Stockhausen beschäftigt sich durchaus reizvoll mit Leitmotiven aus Wagners »Rheingold«. Er braut mittels elektronischer Klänge, zweier Bläser und Schlagwerk eine minimalistische Oper, die musikalisch interessant ist.
Das Libretto von »Rheingold Feuerland« liefert hingegen eine recht schlichte und auch nicht immer schlüssige Kapitalismuskritik. Dies bietet den fünf Mimen dennoch schauspielerischen Raum, den sie gekonnt zu füllen wissen. Stimmlich haben sie jedoch gegen den Klangteppich keine Chance.
»Rheingold Feuerland« eröffnet eine Themenreihe, die den Jubilaren des Jahres 2013, Richard Wagner und Giuseppe Verdi (beide feiern 200. Geburtstag) gewidmet ist. Mit Blick auf die weltweiten wirtschaftlichen und sozialen Turbulenzen sind entsprechend aktuelle Betrachtungsweisen geplant. Es folgen eine griechisch-deutsche »Aida« und eine interkulturelle »Götterdämmerung« von Nuran David Calis.
Der Ring der Nibelung mit Gollum auf der Vorderseite …….?
🙂