Mehr als einhundert »Mohren-Apotheken« im deutschsprachigen Raum müssen sich seit Monaten die Frage gefallen lassen, ob sie sich umbenennen sollen. Der Begriff »Mohr« impliziere sprachlichen Rassismus. Einige Apotheker unterwerfen sich der allgemeinen Hysterie und nennen sich nun wie zum Spott »Möhren-Apotheke«. Andere wiederum distanzieren sich von den Vorwürfen eines sprachlichen Rassismus und sammeln hunderte Unterschriften für die Beibehaltung des alten Namens. Doch wer oder was ist überhaupt ein »Mohr«?
Hat der Mohr seine Schuldigkeit getan?
Von Ruprecht Frieling
Die Debatte um das anrüchige Wort »Mohr« wird gern von selbst ernannten Sprachzensoren angeheizt. In Berlin sollte der bisherige U-Bahnhof »Mohrenstraße« in »Glinkastraße« umbenannt werden. Zu dumm, dass damit ein antisemitischer Komponist geehrt würde, was selbst die jüdische Gemeinde den Kopf schütteln ließ. Aber lieber soll ein Judenhasser geehrt als ein »Unwort« geduldet werden, das ein angeblich friedliches Miteinander der Kulturen, Völker und Rassen stört. Nun hat sich die Regionalverwaltung aufgrund öffentlichen Protestes entschieden, die Station »Anton-Wilhelm-Amo-Straße« zu nennen. Geehrt wird damit der erste schwarze Gelehrte an einer deutschen Universität.
Nürnbergs älteste Apotheke, die »Mohren-Apotheke« von 1442, muss sich auf ihrer Webseite rechtfertigen: Unser Name führt uns »weit in Mittelalter zurück als die damals hochentwickelten Heilkundler im fernen Afrika ihr Wissen um die Heilkunst nach Europa brachten. Ihnen gilt unsere Dankbarkeit und höchste Wertschätzung. Somit distanzieren wir uns ausdrücklich von den Vorwürfen des Rassismus und der Diskriminierung. Das Bestreben unseres multinationalen Teams gilt ausschließlich der Gesundheit und dem Wohlbefinden unserer KundInnen und das zu 100 Prozent«.
Dabei handelt es sich kulturgeschichtlich bei dem Mohrenkopf, den das Logo der Apotheke zeigt, um einen christlichen Märtyrer. Der abgekürzt »Mohr« genannte Mauritius lebte im Dritten Jahrhundert. Der Anführer der Thebaischen Legion Roms wurde mitsamt seiner Anhängerschaft hingerichtet. In der Legende wurde der Mann zum Heiligen. Mauritius war allerdings Afrikaner und offenbar dunkelhäutig. Das verraten zeitgenössische Abbildungen.
Sein Standbild ziert den Magdeburger Dom im Wappen des Bistums München und Freising. Er wird dort als Schutzheiliger abgebildet. Der Mohr galt als Heilkundler und wurde zum Patron der Apotheker. Auch die Mohrenapotheken erinnern an den Afrikaner, der sich gegen die Christenverfolgung stellte.
Vielleicht gilt künftig das geflügelte Wort: »Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen«. Der Satz lautet im Original bei Friedrich Schiller übrigens: »Der Mohr hat seine Arbeit getan, der Mohr kann gehen«. Der Dramatiker legte diesen Satz in den Mund des Spitzbuben Muley Hassan, des Mohren von Tunis (»Die Verschwörung des Fiesco zu Genua«). Das Stück wird vermutlich auch bald angezählt, wir haben doch des Dichters »Die Räuber« und damit schillert es genug …
In diesem Zusammenhang fällt wohl jedem das Kinderlied »Zehn kleine Negerlein« ein, das selbst die »Rolling Stones« in ihrem Song »Sweet Black Angel« zitieren, ohne rot zu werden.
Aus für Struwwelpeter & Wilhelm Busch?
Bekannt ist die schaurige Moritat »Von den schwarzen Buben« aus dem Kinderbuch «Struwwelpeter« von Heinrich Hoffmann (1845): »Es ging spazieren vor dem Tor / ein kohlpechrabenschwarzer Mohr …«, in der sich Kinder über einen Mohren wegen seiner Hautfarbe lustig machen, dann jedoch vom »großen Nikolas« in ein Tintenfass getunkt werden. Sie werden zur Strafe »viel schwärzer als das Mohrenkind« gemacht.
Die Geschichte dient der antirassistischen Erziehung, aber wer liest schon so genau?
»Selbst Mark Twain«, so schreibt mein Leser und Freund Rudolf Homann, hatte es mit seinem »Nigger Jim« erwischt. »Was er zur Neubearbeitung seines 1885 in den USA erschienenen Buchs The Adventures Of Huckleberry Finn sagen würde, fiele wohl derselben politischen Korrektheit zum Opfer, die den Korrekturstift bei seinem weltberühmten Roman ansetzt.«
Wen wundert es, dass in Berlin bereits eine Petition umhergereicht wird, den 1929 eröffneten U-Bahnhof »Onkel Toms Hütte« umzubenennen?
Dann ist da noch ein gewisser Heinrich Heine mit seinem 1844 veröffentlichten Gedicht »Der Mohrenkönig«. Soll es aus den Gedichtsammlungen getilgt werden? Im Wintermärchen nimmt Heine im vierten Kapitel sogar auf die »Heiligen Drei Könige« aus der biblischen Legende Bezug und dichtet »Es hat Herr Gaspar, der König der Mohren, / Vielleicht mit schwarzem Undank sogar / Belohnt sein Volk, die Toren!«. Damit spielt Heine auf den jüngsten der drei Könige an, der mit Myrrhe (Heilkraut!) zum Jesuskind kommt.
Übrigens stand der Name »Kaspar« schon weit vor Heines Zeiten stellvertretend für den Mohren. Joseph Alois Gleich veröffentlichte 1805 in Wien sein Schauspiel »Der Mohr von Semegonda«, dessen Protagonist Kaspar hieß.
Caspar, persisch für »Schatzmeister« war der dunkelhäutige König, der dem Jesuskind das Heilkraut (sic!) Myrrhe nach Bethlehem brachte. Sogar das Kasperlespiel geht auf diese Figur zurück.
Ganz schön schwierig wird es auch für Joseph Ratzinger, der als Papst Benedikt XVI. einen gekrönten Mohren in seinem offiziellen Wappen zeigt.
Und was um alles in der Welt, soll aus Shakespeares Tragödie vom edlen »Othello. Der Mohr von Venedig« werden? Runter vom Spielplan, weil sich vielleicht ein Theaterbesucher beleidigt fühlen könnte?
Sprachmoralisten schlagen zu
Vor kurzem stand hier noch eine andere Zwischenüberschrift. An dieser Stelle stand der Begriff »Sprachpolizei«. Doch das ist offensichtlich auch solch ein neues Unwort, das gerade frisch belegt wird. Nur dumm, ich weiß nicht, wieso und warum.
Leserin Karin Hilmer, die als Dienstleistungen Lektorat und Übersetzungen anbietet und damit Kompetenz ausstrahlt, kommentiert auf »Facebook«: »Man findet immer ein Beispiel, wo eine Veränderung zu weit geht … Fakten kann man aus diesen Ausreißern nicht konstruieren.«
Und Minuten später an den Autor dieses Beitrages gerichtet:»Und wenn ich schon Sprachpolizei darin lese, weiß ich, wo ich das für mich einzuordnen habe.«
Herr Frieling wird in ein Tintenfass gesteckt und kommt rabenschwarz wieder heraus. – Schmökert die Kommentatorin gar heimlich im »Struwwelpeter«? – Jede Strafe macht doch nur Sinn, wenn der Bestrafte erfährt, was er denn Schlimmes getan habe.
Whoops! I am confused: Wo ist mein Raumschiff gelandet?
Es gibt offensichtlich eine wie auch immer gebildete Gruppe Intellektueller, die den Begriff »Sprachpolizei« auf eine schwarze Liste setzen will und es intern bereits anwendet. Im Internet finde ich leider keine substantiierten Belege oder hilfsweise Argumentationen zum Stichwort. Und auf meine öffentliche Frage, ob der ironische Begriff »Sprachpolizei« etwa auch schon auf einer (Pardon) „schwarzen“ Liste steht, gibt es bis zum heutigen Tag keine Antwort.
Nun habe ich etwas getan, für das sich ein Autor eigentlich schämen muss: Ich neige mein Haupt vor Menschen, die für sich entschieden haben, einen bestimmten Begriff zu tilgen und dafür Freunde und Unterstützer sammeln. Ich gebe nach und tausche den Begriff.
Missionarisch war ich zuletzt 1968 unterwegs. Inzwischen hege ich erheblichen Argwohn gegen jede Art von Eiferern. Was bedeutet, dass ich unverändert aufgeschlossen bin, schlüssigen Argumenten folge und mich insofern ständig weiterentwickle.
Wartet man nun aber nicht eine Auskunft oder Aufklärung ab, sondern sieht diesen behaupteten Makel als Chance, mal wieder mit dem Material Wort zu arbeiten, dann kommt schnell ein eigener Begriff ins Spiel. So schenke ich den Jägern des unheiligen Wortes »SPRACHPOLIZIST« ein junges und unbeflecktes Ziel: den »SPRACHMORALIST«.
Reglementierung mit historischen Vorbildern
Nun ist der Reglementierungswahn gegenüber der schreibenden Zunft keine Erfindung der Neuzeit.
Berühmt ist die Prüderie des 19. Jahrhunderts. Der englische Schriftsteller Frederick Marryat (»The Phantom Ship« und andere Seefahrerromane) musste sich den Vorwurf gefallen lassen, er habe den Begriff »leg« (»Bein«) in Bezug auf eine Dame gebraucht, das sei unschicklich. Selbst ein Hühnerbein durfte im Englischen lange Zeit nicht als »leg« bezeichnet werden – bis weit ins 20. Jahrhundert hinein nannte man es »drumstick« (»Trommelschlegel«). Ein Bruststück wurde als »white meat« (»weißes Fleisch«) bezeichnet, und selbstverständlich war auch das Wort »breast« tabuisiert.
Noch strengere Sprachzensoren als die Engländer unter Königin Viktoria waren aber die Amerikaner. Warum heißt der Hahn im Amerikanischen nicht »cock« sondern »rooster«? – Weil die älteren Wörter »cock« und »stones« unter anderem auch »unanständige« Bedeutungen hatten: »cock« ist ein volkstümliches Wort für »Penis«, und »stones« steht bereits in der englischen King James Bible für »Hoden«. Ergo wurden diese gefährlichen Wörter durch weniger verfängliche ersetzt.
Im deutschen Sprachraum war es ähnlich. Von einer »Hose« durfte man lange Zeit in Bezug auf das weibliche Geschlecht nicht sprechen, höchstens von einem »Beinkleid«. Sigmund Freud berichtet in seiner »Psychopathologie des Alltagslebens« von der sexuellen Anstößigkeit des Begriffs. Tatsächlich war Marlene Dietrich eine der ersten Frauen, die öffentlich Hosen trug und sie auch als solche bezeichnete.
Auf dem Weg zur Trottelsprache?
Was ist sprachlich korrekt, was steht auf dem Index? Wer setzt die Normen, wer bestimmt, was diskriminierend ist und was nicht? Welche Lobby rührt im Wortbrei und erzwingt bisweilen abenteuerliche Wortkonstruktionen? – Der Phantasie des Autors sind angeblich keine Grenzen gesetzt. Oder vielleicht doch?
Buchautor und Soziologe Rainer Schreiber zeichnet in einer hervorragenden Zusammenfassung des Themas mögliche Risiken dieser Entwicklung: »Das führt im Extremfall tatsächlich zu einer Trottelsprache und damit zu einer Verschiebung der politischen Aufmerksamkeit von den wirklichen Verhältnissen zu den sprachlichen Repräsentationen, also zur Welt der Bezeichnungen und Einbildungen. Für eine sozialkritische Politik heißt dies: Das, worum es eigentlich geht, wird von den Beinen auf den Kopf gestellt – der Sprachidealismus erscheint wichtiger als der Kampf gegen die ökonomischen, politischen und sozialen Ursachen der Diskriminierung.«
Eine »Trottelsprache« würde zur deutschen Untertanenmentalität passen. Zum Glück gibt es immer noch einige, die sich gegen eine derartige Entwicklung stemmen.
Verbotene Worte
In einer der prächtigen Moscheen Istanbuls wurde mir vor einiger Zeit erklärt, die Angehörigen dieser Religionsgemeinschaft seien keine »Mohammedaner« und auch keine »Muselmanen«.. Das sei herabwürdigend, hieß es. Korrekt sei die Bezeichnung »Muslime«. – Kein Problem, es muss einem nur gesagt werden.
In meiner Autobiografie steht in einem Nebensatz, dass ich anno Tobak unter anderem »Eskimos« besuchte. Heute entschuldige ich mich in aller Form für diesen Begriff, es waren selbstverständlich »Inuit« und »Yupik«, denen mein Interesse galt.
Dass ich spanische Gitanos in einer Reportage leichtfüssig als »Zigeuner« eindeutschte, hat mir in einem Internet-Forum den Vorwurf eingebracht, ich sei »Antiziganist«. Es schickt sich inzwischen, exakter von Sinti und Roma zu sprechen, will man unbeschädigt durchs Sprachlabyrinth eilen und keine Ethnie beziehungsweise deren selbsternannte Vertreter beleidigen.
Meine damaligen Gesprächspartner habe ich gefragt, ob ich wegen meines sprachlichen Fauxpas auch bei ihnen zur Fahndung ausgeschrieben sei. Immerhin hatte ich das Unwort zu Papier gebracht. Sie lachten herzlich und prosteten mir zu! Gemeinsam sangen wir das Auftrittslied des Zsupán »Ja, das Schreiben und das Lesen« aus der zeitgemäß umgetauften Johann-Strauss-Operette »Der Sinti- und Roma-Baron«.
Ich hatte den Eindruck, sie verstanden nicht, warum die »Bauern« (so nennen die Reisenden ihre Umwelt abwertend) so viel Gedanken auf Nebensächlichkeiten verschwenden …
Mohren-Bier in Gefahr
Mein Freund und Kollege Elmar Bereuter macht mich auf eine Petition aufmerksam, die sich für die Rettung von Namen und Logo des »Mohren-Bräu« einsetzt.
Bei diesem seit 1834 auf dem Markt befindlichen Voralberger Traditionsbier wird das Familienwappen von Josef Mohr, dem Gründervater des Mohrenbiers, und ein Abbild des Heiligen Mauritius genutzt. 12.300 Bürger haben die Petition bereits unterschrieben.
Die Eigentümer weisen den Gedanken des Rassismus weit von sich. Unabhängig davon soll laut einer Pressemitteilung geprüft werden, »ob und wie wir unseren Markenauftritt im Rahmen unserer Möglichkeiten weiterentwickeln. Das Ergebnis dieses Prozesses ist offen.«
»Ich bin ein Mohrenkopf«
»Schauen Sie mich an«, lacht Andrew Onuegbu, »bin ich ein Mohrenkopf oder nicht?«. Der Biafraner betreibt sein Restaurant »Zum Mohrenkopf« in der Kieler Sandkuhle 4 – 6. Er findet die Diskussion um die Bezeichnung »Mohren« einfach nur lächerlich.
Der seit 1992 in Deutschland lebende Mohrenkopf meint: »Der Mohrenkopf wies im Mittelalter diejenigen Häuser aus, die als Fürstenherberge dienten. Außerdem galt er als besonderes Zeichen für eine hervorragende Küche und eine zuvorkommende Bewirtung.«
Onuegbu meint, der Mohrenkopf sei ausgesprochen positiv besetzt. »Schwarze gelten als gute Köche und gute Mediziner, als Kenner in der Heilkunst.«
In einem Zeitungsinterview bezeichnet der Gastronom die Debatte als dumm: »Meine feste Überzeugung ist: Die Sprachpolizei kann Rassismus nicht verhindern. Man kann alle Logos und alle Namensschilder in ganz Deutschland runterreißen. Echter Rassismus ist in den Köpfen und bleibt dort, auch wenn alle Logos weg sind und alle Namen geändert sind!«
mit dem seziermesserchen zwischen die wörter gehen, wildes fleisch rausschneiden, es ist ein großes feld, was uns alle demütigt und verwundet, was ausradiert werden muss, damit die welt eine bessere, eine gerechtere wird,,,,
o welche bösen bücher es gibt, die geächtet gehören…..astrid lindgren z.b. ihr wisst warum…. dass onkel toms hütte so überaus anrüchig aufgenommen wird und eine petition anwirft, drehen wir jetzt jeden stein um, um zu schauen ob ein böses wort darunter liegt,,, dass nazis nicht geehrt werden dürfen, das ist völlig richtig und ein muss, aber wie wörter inzwischen verfolgt werden und gedeutet und wie sie menschen beleidigen, da werden wir noch manche überraschungen erleben dürfen
aber der hunger auf der welt wird dadurch nicht gestillt oder kindesmißbrauch verhindert und was es alles gibt an wirklichem übel…….
monika fischer, gross wittfeitzen, wendland
merke: niemals sprachpolizei sagen, sonst kommt man in eine schublade hinein,,,in die mensch so gar nicht möchte,,,,, haben wir in zukunft ein zungenschwämmchen mit, ein mundauswasch-schwämmchen mit, wenn wir uns falsch,,,,alarmklingel,,,ding dong……ausgedrückt haben… vergesst nicht, die menschen sind in einem dauererregungszustand…. ein jeder läuft mit der waage in der hand herum und wiegt die worte des anderen…. bevor du sprichst, schau auf die liste…könnte man dieses wort negativ auslegen… wen könnte man damit beleidigt, gedemütigt haben….
alexa, sprich du für uns,,,du wirst es schon richtig machen……
Erbsenzähler und Wortpathologen sind das! Sprache wird in Ketten gelegt. Wer Buchstaben und Wörter selektiert, vergreift sich so gesehen an Volksgut. Manche Leute scheinen nichts BESSERES zu tun haben, als überall etwas zu suchen, um irgendetwas hineinzuinterpretieren. Das ruft erst recht die bösen Geister auf den Plan.
Darf man seinen Kater nicht mal mehr Mohrle oder Mohrli rufen? Kosenamen.
Naschkatzen essen gerne Amerikaner und Berliner, dazu Kakao oder Kaffee. Ich selber verspeise manchmal Wiener am liebsten mit Rührei, dazu garniert mit Spreewäldern, und scharfer Zigeunersoße. Esse Sachsenobst, Leipziger Allerlei.
Zitat: »Da wird der Hund in der Pfanne verrückt«
Ja, wie Rainer Schreiber auch sagt: „… dass Sprache nie neutral sein kann, sondern immer in gesellschaftlich-historischen Kontexten entsteht und dabei durchaus stets die ‚Wertigkeiten‘ repräsentiert, die bestimmten Dingen, Personen, Gruppen attestiert werden.“ Genau darum geht es: Um diese Wertigkeit. Ich denke, wer da bei der Sprache ansetzt, hebelt schlicht am falschen Ende – und macht dabei mehr kaputt, als es nützt. Zumal ich das Gefühl habe, das alles wird langsam inflationär. Tatsächlich denke ich in letzter Zeit bei jeder Formulierung drei- bis viermal so lange drüber nach wie vor zehn/zwanzig Jahren: Darf ich das so sagen?! Am Ende wiegt am schwersten, dass es mir absolut fernliegt, Menschen zu verletzen. Das gibt den Ausschlag. Heute.
Doch bei historisch Gewachsenem – literarisch, Bier oder Apotheke – gebe ich dir recht: Wer sind wir denn, Menschen, Namen, Texte korrigieren zu wollen, die in Zeiten entstanden sind, die wir gar nicht erlebt haben, nicht kennen?! Die ihre ganz eigenen Gesetzmäßigkeiten hatten.
Der Punkt, der bei alldem aber am schwersten wiegt, ist m.E. das, was du auch von Rainer Schreiber zitierst: „Das, worum es eigentlich geht, wird von den Beinen auf den Kopf gestellt – der Sprachidealismus erscheint wichtiger als der Kampf gegen die ökonomischen, politischen und sozialen Ursachen der Diskriminierung.“
YES!
Ich verneige mich tief vor Dir. Und werde, wenn ich darf, meinen Kollegen von der Schreibschule den Link weitergeben. Es beginnen einige doch wirklich darüber nachzudenken, korrekt zu schreiben. Ich meine nicht Orthographie und Grammatik, sondern sprachpolizeilich Erlaubtes.
Ich darf doch?
Pssssttt. Nicht den Begriff »Sprach*o*i*e*« verwenden. Sonst wirst du in ein großes Tintenfass gesteckt und kommst als kohlpechrabenschwarzer Autor wieder heraus. Und dann kommt dein Werk auf den Index. Streichholz dran, das war´s.
Danke, sehr schön! Sprachpluralist(;
Schon wieder ein neuer Begriff: „Sprachpluralist“.
Danke dafür, liebe Kiwi.
Hoffentlich steht der nicht auf schon auf dem Index.
Vielleicht möchte man nur auf Alltagsrassismus im Sprachgebrauch aufmerksam machen, damit sensibler mit Sprache umgegangen wird. Das gleiche gilt auch für frauenfeindliche sprachliche Begriffe.
Vielleicht ist es auch eine Gespensterdiskussion, die versucht, mit aller Macht, »political correctness« durchzusetzen.
Danke dafür, dass du mit Coburg deinen großartigen Artikel eröffnest! Ich habe nämlich die Sommerferien meiner Kindheit und Jugend bei meiner Großmutter in Coburg-Neuses verbracht und mich inzwischen mehrfach besorgt gefragt, was denn in Coburg nun alles geändert werden muss: nicht nur das Wappen der Stadt, sondern auch noch die „Mohrenstraße“, der „Mohrenweg“, die „Mohren Apotheke“ usw. Womöglich müssen wir Älteren überhaupt mit Kinderreimen , -liedern, -büchern usw. einen Teil unseres Lebens und unserer Erinnerungen beiseite schaffen, um überleben zu dürfen …
Also pass gut auf, wenn du wieder auf die Bühne gehst: Ein Un-Wort, und die Sprachmoralisten steinigen dich!
Doppelplusungut.
Doppelplusungut.
Doppeldenk und Facecrime sind Deldenk.
Gutdenker sind gefragt.
Die Generation, die damals Orwells „1984“ gelesen hat, glänzt durch deren Verständnis für die Macht des Wortes und für die Macht diese Macht zu brechen, indem diese Worte vaporisiert werden. Da werden Haare von solchen Menschen gespaltet, welche danach selber – welch Überraschung – ein Haartonikum gegen Spliss als Heilmittel wohlfeil anbieten. Und jeder hält jene dann für genial und so sonnen sich jene in dieser Bewunderung, bis sie braun werden. Dabei weiß doch bereits jeder aus der Werbung, dass man für Risiken und Nebenwirkungen von Heilsmedikamenten seinen Arzt oder Apotheker schlagen sollte. In dem Fall die Vertreibende des Haartonikums …
„Ich mag Philosophen nicht, die das Haar auf fremden Köpfen spalten. Noch dazu mit einem Beil.“
Stanislaw Jerzy Lec
Pass er nur mit seinem Entenquak auf, dass ihn nicht die Thinkpol kassiert!
Ich nix Quak-Ente. Ich total anders. Mein Name ist Hase, ich von nix weiß. … quak …
Ich komme aus Südafrika und wir haben die dunklen Menschen dort immer KAFFERN genannt. Es gibt ja auch Kaffernbüffel, nicht wahr? Kaffer kommt vom Arabischen KAFFIR und heisst wohl „Ungläubiger“. Ist unlogisch, da sich fast alle Schwarzen Südafrikaner zum Christentum bekennen. Dann wurde das Wort KAFFER zum Schimpfwort degradiert und es kostete 50000 Rand Strafe, wenn man bei der Anwendung erwischt wurde. Also nannte man die Kaffern kurzerhand BABOONS. Das ist Englisch und heisst verdolmetscht PAVIANE. Nun kostete der Baboon auch 50000 Rand. Also nannten wir die Menschen nunmehro HOLZKOPF. Und so weiter bis in alle Ewigkeit. Tja, Rassismus herrscht in den Köpfen.