Heribert Odelshausen, Mitarbeiter im Rat der Stadt Dresden, wird mit einer geheimnisvollen Erbschaft gesegnet. Aus erheblichem Anlagevermögen stehen ihm jährlich eine Million Westmark Zinserträge zu, und dieser Devisensegen verändert den braven DDR-Bürger gründlich und schnell. Es zieht ihn aufs Land, in die Welt seiner Kindheit. Dort errichtet er eine Prachtvilla, mietet Dienstboten an und lässt die begehrte Westkohle auf seine Familie und Umgebung regnen.
Der Arbeiter- und Bauernstaat hegt und pflegt den frisch gebackenen Multimillionär, denn der Geldsegen kommt letztlich dem sozialistischen Staat zugute und belebt dessen Wirtschaftskreislauf. Entscheidungen werden mit Hilfe von Farbfernsehern und anderen begehrten Luxusgütern vorangetrieben, ein Anruf »in Berlin« beseitigt Materialengpässe und erwirkt Genehmigungen, die dem normalsterblichen DDR-Bürger unerreichbar wären. Doch die Zeiten ändern sich, anno 1989 bricht das Land aus seinen Fugen, und auch für Heribert Odelshausen wendet sich das Schicksal.
Rolf Floß, Jahrgang 1936, hat eine Realsatire auf die längst versunkene DDR-Wirklichkeit geschrieben. Er siedelt seine Geschichte, wie aus zarten Andeutungen vermutet werden darf, in der Oberlausitz am Fuße des Hutberges im Naturraum Westlausitzer Hügel- und Bergland an. In dieser zu Honeckers Amtzeit im medialen Schatten liegenden Gegend nahe der Lessingstadt Kamenz lässt Floß seinen Protagonisten eine Geldsturzflut über die Dorfbevölkerung niedergehen und beschreibt das feine Geflecht der Beziehungen der mehrheitlich bäuerlichen Bevölkerung untereinander.
Stilistisch fühlt sich der Rezensent bei der Lektüre an ein klassisches Stück Gebrauchsliteratur aus der guten alten DDR erinnert. Der Roman liest sich, als sei ein Stück bislang unentdeckte DDR-Literatur ans Tageslicht geschwemmt worden. In betulich plätscherndem Stil wird emotionslos und ruhig der Handlungsfaden gewoben. Kritik an gesellschaftlichen Verhältnissen wird stets behutsam und fast lapidar eingeflochten. Dennoch oder gerade deshalb kann sich derjenige, der die Verhältnisse von damals erinnert, durchaus eines gelegentlichen Schmunzelns nicht erwehren.
Floß legt einen Roman vor, der in dieser Form auch in der ausklingenden DDR hätte erscheinen können. Denn es gab durchaus Werke in ähnlichem Duktus, die dort publiziert wurden. Erinnert sei an »Die Entgleisung« von Inge von Wangenheim. Insofern kommt der Text anderthalb Jahrzehnte zu spät. Unter heutigen Bedingungen lässt sich deshalb nur eine Zielgruppe für das Werk vermuten: es sind alt gediente DDR-Leser, die sich in Sprache und Stil wieder finden können.
Rolf Floß
Die Erbschaft. Roman
Das Neue Berlin (Eulenspiegel Gruppe) 2007
ISBN 978-3-360-01903-5
Weitere Leseempfehlungen von Wilhelm Ruprecht Frieling auf Literaturzeitschrift.de
Die Idee ist sehr originell, schade wenn es – wie du schreibst – nicht gebührend umgesetzt wurde…
Der Stil wirkt angestaubt und wie aus einer längst versunkenen Zeit,
hier würde ich nach aktuellen Maßstäben deutlich mehr erwarten.
Allein von den ehemaligen DDR-Anhängern wird der Autor aber auch nicht leben können…
Apropos, 47 Besucher heute in diesem Blog und keiner schreibt einen Kommentar? Vielleicht solltest du Eintritt verlangen, um die Gaffer und Schnäppchenjäger abzuschrecken…
Es hängt immer davon ab, inwieweit sich die Leser von einem Thema angesprochen fühlen. In diesem Fall ist das weniger der Fall. Warte ab, in den nächsten Tagen mache ich die neue Seyfried-Gesamtausgabe, da schnellen die Zahlen wieder in die Höhe.
Auf der Portalseite http://www.literaturzeitschrift.de verzeichne ich derzeit 10 – 12.000 Zugriffe pro Monat, also durchschnittlich 400 pro Tag. In Spitzenzeiten sind es 600/Tag.
Bei Seyfried denke ich das auch. Aber wie mein guter Freund Brecht schon sagte, man muss das Publikum auch erziehen… 😉
Willst du mich mit diesen Zahlen nur demütigen oder gleich umbringen? :))
Vielleicht verstehst Du es als Wink mit dem Zaunpfahl, auch das Portal zu bedienen???
Ich bin schon froh, wenn ich bei blog.de einigermaßen fehlerfrei durchkomme, aber wenn du mich woanders einteilst, werde ich auch dort meine Pflicht tun… 😀
Alles ist machbar, Herr Nachbar!
Dann musst du mir halt sagen, was ich tun soll…
Wie kann ein Augsburger nur so preußisch tun, Du warst wohl freiwillig beim Bund?
Von wegen! Wie kannst du mir nur so etwas zutrauen… 😉
Mitunter klingst Du so soldatisch
Gestählt durch die Erfahrungen des Lebens…
Dazu fällt mir als Lesetipp nur »Wie der Stahl gehärtet wurde« von Nikolai Ostrowski ein.