Prinz Rupi visualisierte die Ursonate des Merzkünstlers Kurt Schwitters aus dem Jahre 1932 auf seinem YouTube-Kanal (Zum Betrachten bitte Bild anklicken)
Soeben visualisierte Prinz Rupi eines der kostbarsten Erbstücke Kurt Schwitters: die »Sonate in Urlauten«, auch »Ursonate« genannt. Mit Schwitters Stimme bietet der kurze Film eine einzigartige Komposition von Vogelgesang, zu deren wahrem Genuss es allerdings Einfühlungsvermögen und Offenheit bedarf.
Schwitters war Maler, Bildhauer, Raumkünstler, Dichter, Autor, Philosoph, Werbegrafiker und Redakteur in einem. Alles, was das am 20. Juni 1887 in Hannover geborene Multitalent berührte und schuf, wurde zur Kunst. Sein Einfluss auf die künstlerische Entwicklung des 20. Jahrhunderts war beträchtlich, und wer über Konstruktivismus, Surrealismus und Dada spricht, kommt an seinem Werk nicht vorbei.
»Die Gazelle zittert, weil der Löwe brüllt. Die Hyäne wittert. Doch die Kunst erfüllt«
Kurt Schwitters arbeitete mit den Dadaisten Hans Arp, Raoul Hausmann, Hannah Höch und Tristan Tzara zusammen, war Initiator der Bewegung von »Dada Hannover« und eröffnete seine eigene MERZ-Schriftenreihe mit einer Dada-Nummer, dem »Holland Dada«. Unter Dada verstanden die Akteure eine aktionistische Anti-Kunst, in deren Folge die bürgerliche Kultur zerschlagen werden sollte.
Durch Zufall zerschnitt Kurt Schwitters beim Gestalten einer Collage eine Anzeige mit dem Wort »Kommerz« so, dass nur die Silbe »Merz« übrigblieb, was einen ähnlich sinnfreien Zug wie »Dada« besaß. Schwitters schuf mit dem Begriff sein eigenes, unverwechselbares Synonym für Dada.
»Ich habe zwei Haupziele, zwei Lebenswerke. Das zweite ist meine Sonate«
Künftig trug alles, was Schwitters schuf, den Beinamen »Merz«. Unter dem Namen brachte er eine eigene Zeitschrift heraus, die unregelmäßig erschien. Sein Wohnhaus in Hannover gestaltete er zu einem grottenartigen »Merzbau« um und durchbrach dazu Zwischendecken und Wände. Das Ergebnis seiner rund zwanzigjährigen Arbeit wurde 1941 im Bombenhagel zerstört, Reste finden sich noch im Hannoveraner Sprengel-Museum.
Da befand sich der von den Nazis als »entartet« geschmähte Künstler schon lange auf der Flucht vor den braunen Mordbrennern. Die Gestapo hatte ihn ins Visier genommen, Schwitters floh 1937 zuerst nach Norwegen, dann nach England, wo er am 8. Januar 1948 verstarb. Seine sterblichen Überreste wurden später auf den Hannoveraner Friedhof Engesohde überführt, wo auf seinem Grabstein das Motto »Man kann ja nie wissen« verewigt wurde.
Prinz Rupi visualisierte die Ursonate des Merzkünstlers Kurt Schwitters aus dem Jahre 1932.
»Fümms bö wö tää zää Uu, pögiff, Kwii Ee«
Zu den wundervollsten Merz-Werken, die Schwitters uns Nachfahren hinterließ, zählt seine »Sonate in Urlauten«, auch»Ursinfonie« genannt. Die Ursonate wurde zwischen 1923 und 1932 in verschiedenen Versionen erarbeitet und am 5. Mai 1932 in Stuttgart von der Reichsrundfunkgesellschaft teilaufgezeichnet. Parallel veröffentlichte Schwitters Zeitschrift »Merz« (Heft 24) die von dem Typographen Jan Tschichold gestalteten vollständigen Schriftsatz der Partitur.
Wo immer der fast zwei Meter große Schwitters sich befand, probte er den Vortrag – ob in der Eisenbahn, auf dem Dampfer, im Café oder im Urlaub in Wyk auf Föhr, wo Hans Arp Zeuge wurde, wie sein Freund zischte, sauste, zirpte, flötete, gurrte und das Alphabet rückwärts aufsagte.
Wer dem Vortrag des Merzmenschen lauscht, darf befreit lachen, um sich an der komisch anmutenden Vortragsweise zu nähern. Vielleicht fühlt er sich auch an eine Imitation eines Vogelkonzertes erinnert. Und tatsächlich erlebten Besucher seiner Sommerhütte auf der norwegischen Insel Hjertøya, dass Stare Schwitters Lautmalereien imitierten.
»Rinnzekete bee bee nnz rrk müüüü, ziiuu ennze ziiuu«
Der Künstler soll viel auf dem einsamen Eiland herumgewandert sein und dabei lauthals seine Sonate zum Besten gegeben haben. Da Stare zu den besten Imitatoren im Tierreich zählen, ist es durchaus denkbar, dass die Singvögel bis in die heutige Zeit hinein Schwitters Ursonate von einer Generation an die andere weitergeben und freudig »Rinnzekete bee bee nnz rrk müüüü, ziiuu ennze ziiuu« jubilieren.
»Die Sonate ist meine umfassendste und wichtigste dichterische Arbeit« Kurt Schwitters, Brief an Katherine Dreier vom 16.9.1926
Ursonate in Schwitters-Archiv aufgenommen
Meine Ursonatenrezeption und digitale Verarbeitung wurde von Archivleiterin Dr. Isabel Schulz in die Dokumentation des Kurt Schwitters Archivs aufgenommen.