Kannibalen I
Finger jammern in der Pfanne,
Blut schäumt über in der Kanne.
Zwiebeln weinen dicke Tränen,
Menschenfleisch hängt in den Zähnen.
Früchte schlummern träg und faul,
Nieren springen in das Maul.
Mehl lagert in Eichenschränken,
Zucker knistert unter Bänken.
Käse aus dem Kühlfach schmunzelt
Augen blicken stark verrunzelt.
Zungen züngeln rosarot,
Ohren sind schon länger tot.
Lenden schmoren in der Röhre,
kerngesund lacht eine Möhre,
aus dem Korbe lockt ein Pilz,
im Topfe schmort vom Kind die Milz.
Über einem alten Pimmel
weht ein grauer Hauch von Schimmel,
in Sahne schwimmt vom Bauch der Speck.
Das Hirn war gleich als erstes weg!
Kannibalen II
Wenn Menschfresser Pudding essen
und sich darüber selbst vergessen,
wenn sie auf blutig-wilden Festen
ihre verfressenen Kleinen mästen.
Wenn wilde Weiber lange fasten,
um dann bei Tische auszurasten,
wenn ihre Brut leckt sich die Pfoten<
vom Saft der frisch gekochten Toten.
Dann ist der Kannibale König,
ihn satt zu machen, kostet wenig.
Er brät aus Leib sich eine Speise
Und isst sie gern im Freundeskreise.
aus dem Band:
Ruprecht Frieling
Manische Wiegenlieder
Surreale und absurde Gedichte
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Auch der Dichter Joachim Ringelnatz (1883-1934) hat ein wundervolles Gedicht zum Thema in seinem Kinder-Verwirr-Buch veröffentlicht:
Silvester bei den Kannibalen
Am Silvesterabend setzen
Sich die nackten Menschenfresser
Um ein Feuer, und sie wetzen
Zähneklappernd lange Messer.
Trinken dabei – das schmeckt sehr gut –
Bambus-Soda mit Menschenblut.
Dann werden aus einem tiefen Schacht
Die eingefangenen Kinder gebracht
Und kaltgemacht.
Das Rückgrat geknickt,
Die Knochen zerknackt,
Die Schenkel gespickt,
Die Lebern zerhackt,
Die Bäuchlein gewalzt,
Die Bäckchen paniert,
Die Zehen gefalzt
Und die Äuglein garniert.
Man trinkt eine Runde und noch eine Runde.
Und allen läuft das Wasser im Munde
Zusammen, ausnander und wieder zusammen.
Bis über den feierlichen Flammen
Die kleinen Kinder mit Zutaten
Kochen, rösten, schmoren und braten.
Nur dem Häuptling wird eine steinalte Frau
Zubereitet als Karpfen blau.
Riecht beinah wie Borchardt-Küche, Berlin,
Nur mehr nach Kokosfett und Palmin.
Dann Höhepunkt: Zeiger der Monduhr weist
Auf Zwölf. Es entschwindet das alte Jahr.
Die Kinder und der Karpfen sind gar.
Es wird gespeist.
Und wenn die Kannibalen dann satt sind,
Besoffen und überfressen, ganz matt sind,
Dann denken sie der geschlachteten Kleinen
Mit Wehmut und fangen dann an zu weinen.
Bei Heinrich Seidel (1842-1906) findet sich ebenfalls ein humoriges Gedicht zum Thema
Der Kannibale
In einem grünen Thale,
Da sitzt ein Kannibale.
Er wetzet seine Messer,
Es ist der Menschenfresser.
Hat lange nicht gegessen,
Ihn hungert angemessen,
Da kommt ganz unbefangen
Ein junger Mensch gegangen.
Der Kannibale greift ihn,
In seine Höhle schleift ihn
Und fraget ihn die Worte:
»Was bist du für ’ne Sorte?«
Mit bleichen Mienen spricht der:
»Naturalismus-Dichter!«
Und fallen lässt das Messer
Der arme Menschenfresser.
Und seinen Magen schüttelt’s,
Die Eingeweide rüttelt’sl
Er spricht: »Dich lass‘ ich schiessen!
Du bist nicht zu geniessen!«
Kannibalen auf Urlaub
Wenn sehr hungrige Kannibalen
sich auf Malles Ständen aalen
schauen sie voller Gier ich wett
genüßlich auf das viele Fett
an Leibern bei dicken Männern
und auch Weibern
die schwitzen sehr das schmeckt dann salzig
Gigolos munden gut wenn balzig
Die Sonnenkrem als Sahnehäubchen
verspeist der Kannibal den Mensch statt Täubchen
Nicht roh sondern knusprig durchgebraten
er muss nur ein paar Sonnenstunden warten
Willst du mal nach Malle fliegen
komm nicht neben nem Kannibal zu liegen
Toll, Moni! 🙂