Jim Avignon hat viele Etiketten. Die einen nennen ihn den »schnellsten Maler der Welt« (Atak), der schneller als sein Schatten male, andere »Tizian des Techno« (DER SPIEGEL). Gelegentlich sind die farbenfrohen, pop-artigen Bilder des Ausnahmetalents in Ausstellungen zu sehen.
Schon als Kind zeichnete Jim Avignon gern und viel. Sein Vater arbeitete in einem Rechenzentrum und brachte oft perforiertes Rechenmaschinenpapier mit nach Hause, das er mit Wachsmalstiften bemalte. Später begeisterte er sich für Fantasy-Kunst, übte sich in Airbrush-Technik, Bodypainting und dem Bemalen von Automobilen. Er versuchte sich als Graffitikünstler und wurde als »Brückenmaler von Karlsruhe« bekannt.
Jim Avignon und die »Cheap-Art«-Bewegung
1997 zog Jim Avignon in einer leerstehenden Kasseler Lagerhalle ein Gegenprogramm zur »Documenta X« hoch. Mit dem Gedanken, Kunst extrem preiswert abzugeben oder gleich zu verschenken, wollte er den Kunstmarkt von unten aufrollen. Er gilt als einer der Begründer der »Cheap-Art«-Bewegung.
In der Frankfurter »Schirn« veranstaltete der Popstar unter den Bildenden Künstlern eine Ein-Tages-Ausstellung, für die er in Akkordarbeit 800 Bilder produzierte, die dann an die Besucher verschenkt wurden.
Unter dem Pseudonym »Neoangin« tritt Avignon gern vor eigenen Bildern auf, die er als Bühnenbild betrachtet. Er verdiente viel Geld mit Werbung und verpulverte es, indem er Hotels komplett anmietete und mit seiner Kunst ausstaffierte. Er fand zur Street-Art und schuf großartige Straßenbilder, die ihm schon deshalb gefielen, weil sie unverkäuflich sind und sich damit dem Kunstmarkt entziehen.
In Ravenna bemalte er ein Wohnhaus mit einem Blumenstrauß, bei dem er die Blumen durch Gesichter ersetzte. Avignon wollte Punk und New Wave in die Sprache der Kunst übersetzen und macht gern das Gegenteil von dem, was die Masse der Künstler macht. Auf sein T-Shirt schrieb er »Destroy Art Galeries« und stellte etablierten Galerien nachts selbstgemalte Drohbilder vor die Tür. Für die ZDF-Sendung »Aspekte« bemalte er live das Studio samt Moderator.
Das Material, auf dem Jim Avignon bevorzugt arbeitet, ist Papier. Er faltet zum Entsetzen der Galeristen seine Bilder und schleppt eine komplette Ausstellung in einer Aktentasche umher. Seine Arbeiten sind oft großformatig – aber fast immer zweidimensional. Weltkugel, Handy und Dollarmünze zählen zu seinen immer wiederkehrenden Lieblingscharakteren, und es hagelt meistens Kritik an der geldgetriebenen Geilheit des Kapitalismus und seiner zerstörerischen Auswüchse.
Jim-Avignon-Ausstellung in Berlin
In seiner jüngsten Ausstellung in der Galerie »Köppe Contemporary« im stinkreichen Berliner Grunewald beschäftigt sich Jim Avignon mit dem Thema Nachtleben in Berlin.
In seinen Bildern untersucht er die wechselhafte und ambivalente Beziehung zwischen Tag und Nachtgesellschaft und schlägt dabei einen Bogen von den Zwanzigern des vergangenen Jahrhunderts bis in die Gegenwart. In seinen Arbeiten zitiert er Motive von Dix, Beckmann und Grosz und findet Parallelen zwischen jener Epoche und unserer Gegenwart.
Avignon zählt zu den ungewöhnlichsten Figuren im deutschen Kunstbetrieb. Mit leuchtenden Farben, beißendem Witz und einem schwindelerregenden Output stellt er die Gesetze der Kunstwelt auf den Kopf. Er gab Pop-Art eine neue Bedeutung, nahm die Styles der Streetart vorweg und provozierte den Kunstbetrieb mit Aktionen, die den Preiskult infrage stellten.
Avignons Bilder karikieren das Kunstbetriebssystem und richten sich auch an Menschen, die von der Goldrahmen-Aura der sogenannten Hochkunst eher gelangweilt oder abgeschreckt sind. Seine Bilder sollen zum Nachdenken anregen und arbeiten mit schwarzem Humor und Selbstironie. Der Popstar unter den Künstlern ist seit 30 Jahren ein Garant für Erfolg »von unten« und wird in dieser Vorbildfunktion hoffentlich noch lange wirken.
Kurzer Ausschnitt aus einer Avignon-Ausstellung anno 2009
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