»The Tiger Lillies« sind schräg, abseitig, verdreht, lästerlich, vor allem aber mit rabenschwarzem britischen Humor vom Feinsten ausgestattet. Mit ihrer an Bertolt Brechts »Dreigroschenoper«, dem erfolgreichsten deutschen Bühnenstück des 20. Jahrhunderts, angelehnten »Two Penny Opera« gastierte das musikalische Freak-Kabarett am Wochenende in Brechts einstigem Theaterpalast, dem »BE« genannten plüschigen »Berliner Ensemble« am Schiffbauerdamm.
»Sie werden jetzt eine Oper hören. Weil diese Oper so prunkvoll gedacht war, wie nur Bettler sie erträumen, und weil sie so billig sein sollte, dass Bettler sie bezahlen können, heißt sie: Die Dreigroschenoper«, sagte Brecht selbst über sein Werk.
Die »Two Penny Opera« der »Tiger Lillies« besteht aus neunzehn Songs, die sich thematisch eng mit dem Brechtschen Original verweben. Es geht um sexuellen Missbrauch, Verbrechen, Freitod und Gotteslästerung. Mackie richtet mit seinem legendären Messer unter dem Mond von Soho ein Blutbad an. Die Nutten des Hafenviertels berichten von ihrer entbehrungsreichen Arbeit. Räuber, Gendarmen, Spelunkenbetreiber, Pastoren und Scheinheilige kommen zu Wort. Es ist eine Welt am Abgrund der bürgerlichen Gesellschaft, die beschrieben wird und in Selbstzeugnissen zu Wort kommt. Die Musiker selbst bezeichnen ihre Musik als »satanic folk«.
»Piss On Your Grave« heißt ein typischer Song aus der »Two Penny Opera«, in dem »Lillies«-Frontmann Marty Jacques besingt, wie er nacheinander Maria, Johannes den Täufer, Petrus, Gott und Satan ersticht und anschließend auf ihre Gräber uriniert. Bei dieser Thematik wird nachvollziehbar, dass die Band von Kritikern gern als blasphemisch und obszön abgekanzelt wird und ihre Fans eher unter Leuten findet, die Geschmack an Makabrem und Absurdem haben als unter Kirchgängern.
Anders als in Brechts Original-Dreigroschenoper, wo der Bösewicht kurz vor der Hinrichtung begnadigt und in den Adelsstand erhoben wird, lassen die »Lillies« ihren Räuberhauptmann baumeln. Im Song »Twenty-Five Minutes« schildert der Todgeweihte seine letzten fünfundzwanzig Minuten, in denen er noch einmal kräftig den Vertretern von Obrigkeit und Kirche ins Gesicht spuckt.
Die 1989 gegründeten »Tiger Lillies« füllen mit ihren phantasievollen und makabren Abenden mittlerweile Hallen und Arenen im englischsprachigen Raum und trotz sprachlicher Schwierigkeiten, den Texten zu folgen, auch darüber hinaus. Die dreiköpfige Gruppe produziert jedes Jahr ein neues Programm, das gut erschlossen auf CD vorliegt. Ihr Album »The Gorey End« wurde für den Grammy nominiert. Weil Leadsänger und Akkordeonspieler Martyn Jaques den Falsettgesang pflegt und über ein unverwechselbares stimmliches Volumen verfügt, werden die Musiker gern auch die »kriminellen Kastraten« genannt.
Schlagartig berühmt wurde die Truppe mit ihrem herzzerreißenden Programm »Shockhead Peter«, einer Edel-Punk-Version von Heinrich Hoffmanns »Struwwelpeter«. Als eine von vielen Zugaben spielten die »Lillies« im begeistert applaudierenden »BE« ihren Struwwelpeter-Song »Flying Robert« über den Fliegenden Robert, der es bei wildem Wetter nicht in der Stube aushält und vom Sturm davon getragen wird.
Die »Tiger Lillies« präsentieren mit ihrem musikalisch ausgefeilten Programm Rebellion gegen die Gesellschaft und Hass auf falsche Propheten und die Doppelmoral der Kirchenfürsten. Wer das mag, wird von der Band gekonnt bedient und erlebt einen unvergesslichen Abend.
»The Tiger Lillies«: Interview und Einblick in ihr Werk
Musik von den Tiger Lillies
Homepage der Tiger Lillies
Schade, mein Englisch ist so schlecht, dass ich mir wahrscheinlich die Haare raufen würde, während andere lachen können. Jedenfalls vielen Dank für den Tipp, lieber Rupi.
Muss man fürs BE eigentlich immer vorbestellen oder klingelts auch noch an der Abendkasse, Penny für Penny?
Weil, ich habe wirklich vor, das BE mal heimzusuchen.
Die Sprachbarriere ist in diesem speziellen Fall vorhanden, aber Musik und Show gleichen vieles aus.
Karten für das BE sollten unbedingt vorbestellt werden, die Vorstellungen sind sehr begehrt.
Ende September wird es eine Neuinszenierung der Original-Dreigroschenoper in der Regie von Robert Wilson (»zuletzt »Leonce und Lena«) geben. Es würde mich wundern, wenn das nicht ein Knaller wird. Das wäre doch ein guter Start für Deine Begegnung mit dem derzeit besten deutschen Sprechtheater.
Da würde ich auch den Weg in die „Oper“ finden.
Vielen Dank für die 2 Videos und für dein Bericht!
poc
Du wärst ebenso begeistert wie ich, lieber Poc!
Vielleicht kommen die »Lillies« auch mal in die Schweiz
die Tigerlillys habe ich mal live gesehn und auch ein bisschen kennengelernt.
sie sind echt super
Damit du dich nicht wieder beklagst, über zu wenig Kommentare auf deinem Opernblog, schreib ich gern auch mal was hier rein. Doppelmoral find ich gut … es ist so … menschlich.
Ach, Caramellino, DU bist zu mir heute auch so menschlich
Erinnerst Du vielleicht noch, welches Programm Du erlebt hast?
ich hatte bisher immer an frauen gedacht, wenn ich den namen gehört hatte… du hast mich mit deinem beitrag endlich aufgeklärt… und ich muss sagen, ich glaube, sie würden mir gefallen und ich werde, sobald ich gelegenheit habe, mal in eine vorstellung von ihnen gehen. v.a.d. die schrägen akkordeonklänge haben es mir angetan. zu ihrer struwwelpeter-bearbeitung hab ich noch einige hochaufgelöste videos in topqualität gefunden: eins hier und wer lust auf mehr hat… siehe auch HIER….
danke für den tip und lg
Das stimmt, die Assoziation, dass es sich um eine Frauenband handelt, liegt beim Namen auf der Hand, aber das wäre ebenso okay. Auf der Homepage der Band gibt es einen Tourneeplan. Sie treten beispielsweise bald in Frankfurt/Main auf, und ich würde sie mir jederzeit wieder ansehen!
Danke für die Videos!
Die Dreigroschenoper ist vielleicht wirklich keine schlechte Idee. Mal Frau fragen. 😉
Übrigens, im Juli gibts im Ziegeleipark Mildenberg (bei Zehdenick) „Nabucco“ als Freiluftveranstaltung.
Mehr Infos: http://www.ziegeleipark.de/site/index.php
Danke für den Hinweis!
nein, leider
Bert Brecht hätte sich sicher darüber gefreut!
Erinnern mich irgendwie an Tom Waits.
Könnte mir gefallen,
schade dass ich in der Kulturprovinz hinter den Sieben Bergen wohne.
Danke Rupi für deinen Beitrag.
Hast mich neugierig gemacht
Ein gestandener Edelpunk wie Du aber auch!
22/05/2007 – 20:00: Ampere, Munich, Germany
23/05/2007 – 20:00: Mousonturm, Frankfurt, Germany
24/05/2007 – 21:00: Mousonturm, Frankfurt, Germany
25/05/2007 – 20:00: E-Werk, Cologne, Germany
…. das sind die Termine der Tiger Lillies ?? grübel
oder haben wir zwei da ein Date ?
Mit Schwalben würde ich nur unter freiem Himmel daten
Das sind die nächsten Deutschland-Termine der Lillies
Guter Prinz.
Unter freiem Himmel…. zurück zur Natur…
und dann singen wir ein Duett aus der kleinen Oper
„Die Csárdásfürstin“ *gg*
http://www.youtube.com/watch?v=gmBEHJ5DKi8
(Dem Rupi werden sich jetzt die Zehennägel rollen.. grins)
Wunnnebaaar!
Allein dieser verführerische Schwalben-Strip mit dem Halstuch
Prinz Lachkrampf
sehr neckisch der Strip….
Ich hatte deinen Beitrag gesehe, leider wieder vergessen.
Jetzt ist alles wieder „aktuell“.
poc
Man kann seine Augen nicht überall haben, Sir!