Da derzeit ein lebhaftes Interesse der Blogosphäre am Dada bekundet wird, erlaubt sich die Literaturzeitschrift als kleinen Beitrag, das Eröffnungs-Manifest zum 1. Dada-Abend in Zürich abzudrucken. Der Text stammt von einem der Begründer des Dada, Hugo Ball.
Mehr über Dada findet sich derzeit bei Pocemon,
bei Wildwuchs, im Teppichhaus Trithemius sowie bei Traeumer.
Hugo Ball
1. Dada-Abend
Eröffnungs-Manifest
Dada ist eine neue Kunstrichtung. Das kann man daran erkennen, dass bisher niemand etwas davon wusste und morgen ganz Zuerich davon reden wird. Dada stammt aus dem Lexikon. Es ist furchtbar einfach. Im Franzoesischen bedeutets Steckenpferd. Im Deutschen: Addio, steigt mir bitte den Ruecken runter, auf Wiedersehen ein ander Mal! Im Rumaenischen: ‚Ja wahrhaftig, Sie haben Recht, so ist es. Jawohl, wirklich. Machen wir‘. Und so weiter.
Ein internationales Wort. Nur ein Wort und das Wort als Bewegung. Es ist einfach furchtbar. Wenn man eine Kunstrichtung daraus macht, muss das bedeuten, man will Komplikationen wegnehmen. Dada Psychologie, Dada Literatur, Dada Bourgeoisie und ihr, verehrteste Dichter, die ihr immer mit Worten, nie aber das Wort selber gedichtet habt. Dada Weltkrieg und kein Ende, Dada Revolution und kein Anfang. Dada ihr Freunde und Auchdichter, allerwerteste Evangelisten. Dada Tzara, Dada Huelsenbeck, Dada m’dada, Dada mhm‘ dada, Dada Hue, Dada Tza.
Wie erlangt man die ewige Seligkeit? Indem man Dada sagt. Wie wird man beruehmt? Indem man Dada sagt. Mit edlem Gestus und mit feinem Anstand. Bis zum Irrsinn, bis zur Bewusstlosigkeit. Wie kann man alles Aalige und Journalige, alles Nette und Adrette, alles Vermoralisierte, Vertierte, Gezierte abtun? Indem man Dada sagt. Dada ist die Weltseele, Dada ist der Clou, Dada ist die beste Lilienmilchseife der Welt. Dada Herr Rubiner, Dada Herr Korrodi, Dada Herr Anastasius Lilienstein.
Das heisst auf Deutsch: die Gastfreundschaft der Schweiz ist ueber alles zu schaetzen, und im Aesthetischen kommt’s auf die Norm an.
Ich lese Verse, die nichts weniger vorhaben als: auf die Sprache zu verzichten. Dada Johann Fuchsgang Goethe. Dada Stendhal. Dada Buddha, Dalai Lama, Dada m’dada, Dada m’dada, Dada mhm‘ dada. Auf die Verbindung kommt es an, und dass sie vorher ein bisschen unterbrochen wird. Ich will keine Worte, die andere erfunden haben. Alle Worte haben andere erfunden. Ich will meinen eigenen Unfug, und Vokale und Konsonanten dazu, die ihm entsprechen. Wenn eine Schwingung sieben Ellen lang ist, will ich fueglich Worte dazu, die sieben Ellen lang sind. Die Worte des Herrn Schulze haben nur zwei ein halb Zentimeter.
Da kann man nun so recht sehen, wie die artikulierte Sprache entsteht. Ich lasse die Laute ganz einfach fallen. Worte tauchen auf, Schultern von Worten; Beine, Arme, Haende von Worten. Ay, oi, u. Man soll nicht zuviel Worte aufkommen lasen. Ein Vers ist die Gelegenheit, moeglichst ohne Worte und ohne die Sprache auszukommen. Diese vermaledeite Sprache, an der Schmutz klebt wie von Maklerhaenden, die die Muenzen abgegriffen haben. Das Wort will ich haben, wo es aufhoert und wo es anfaengt.
Jede Sache hat ihr Wort; da ist das Wort selber zur Sache geworden. Warum kann der Baum nicht Pluplusch heissen, und Pluplubasch, wenn es geregnet hat? Und warum muss er ueberhaupt etwas heissen? Muessen wir denn ueberall unseren Mund dran haengen? Das Wort, das Wort, das Weh gerade an diesem Ort, das Wort, meine Herren, ist eine oeffentliche Angelegenheit ersten Ranges.
Zürich, 14. Juli 1916
Dada ist in Deutschland gerade sehr angesagt, allerdings habe ich den Eindruck, dass die meisten eher unabsichtlich Protagonisten dieser Kunstform sind…
Ich weiss nicht, ob z.Zt. großes Interesse an dieser Richtung der Literatur besteht. Vorausgesetzt es ist so, könnte ein Satz aus dem Manifest eine Erklärungsmöglichkeit bieten :
„Wie kann man alles Aalige und Journalige, alles Nette und Adrette, alles Vermoralisierte, Vertierte, Gezierte abtun? Indem man Dada sagt.“
Dadaismus als eine Form der Rebellion gegen eine Welt, deren Problemen mit konventionellen Mitteln nicht beizukommen ist.
Laut Dada klatsche! Im übrigen schließe ich mich Herrn Spielers Statement an, der Dadaismus lebt und blüht, wenn auch oft unfreiwillig.
Es ist ja geradezu grandios, dieses Manifest mal wieder zu lesen und dort zu finden, wie Sprache und Inhalte in Frage zu stellen waren und sind. Da fühle ich mich mit meinen Texten und meiner Arbeit mehr als bestätigt. Dada kratzt die Sprache an, aber nicht nur sie. Was sind wir ohne Sprache? Doch – was sind wir ohne Dada, was wären wir ohne Dada? Wie alle konventionellen Mittel grandios versagen, erleben wir hautnah Tag für Tag.
Lieber Dadaist, ich war nicht immer am PC und habe deinen wunderschönen Beitrag erst jetzt gesehen. Wie immer von dir, ein gepflegter Text. Der Link zum Traeumer ist mir sehr nützlich, denn ich hatte seine 2 Beiträge noch nicht gelesen und genossen. Ich staune, wie sich die Dada-Welle bei blog.de
verbreitet.
Ein Zufall am Anfang und jetzt eine richtige Epidemie.
Ich finde ein gutes Thema.
Dein pocemon
DADA LEBT!
Ich vermute, die meisten wissen wenig über Dada und haben auch nie einen Text verspeist. Selbst bei Wikipedia heisst es »Dadaismus«, wobei bereits der »ismus« etwas ist, das Dada im Kern widerspricht.
Darum finde ich es toll, dass derzeit auf mehreren Blogs über die kreative Welt des Dada informiert wird.
Fümms bö wö tää zää Uu – pögiff, – kwii Ee,
Ooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooo!
Das ist ja wondrebra, leiber Prinz DADA!
Dada hatte sich vor dem Ersten Weltkrieg als eine Bewegung gegen Konvention und Erstarrung verstanden. Im Zeichen des Gleichstroms der Medien und Künste ist es heute vielleicht wieder angesagt, laut und vernehmlich DADA zu rufen.
Da – da – da! 🙂
*casio keyboard düdeldü… oder war es da dadl da?*
Der Text ist inzwischen schon neunzig Jahre jung und doch frisch wie Morgentau! Nie hätte ich gedacht, dass sich in der Blogosphäre Interessenten für Literaten wie Max Ball oder Jakob van Hoddis finden ließen! Aber die Reaktionen zeigen, dass durchaus Interesse besteht und einige Literaten auch nach eigenen, unkonventionellen Wegen suchen. Du bist der beste Beweis!
Wenn das so weitergeht, werden die Blogs noch besteuert, weil hier staatliche Bildungsaufträge erfüllt werden…
»die Gastfreundschaft der Schweiz ist ueber alles zu schaetzen«, schreibt Hugo Ball in seinem Manifest. Du setzt diese Tradition fort, indem Du Dada einen festen Platz in Deinem Blog einräumst. Danke, DadaPoc!
Hurretie, hurretong,
das haben wir nun davong!
Ich habe zwar keine Kenntnis von aktuellen Lehrplänen, aber ich habe im Deutschunterricht nie von Dada gehört. Da hätten sich die Oberstudienräte der Sechziger und Siebziger Jahre auch verflucht schwer getan.
Rumpel, pumpel, schlunter,
munter geht´s den Abhang runter
Bei uns im Deutsch-LK war absurdes Theater ein Thema, für mich gibt es da eine Verwandtschaft zu Dada, ich mochte es jedenfalls.
Britzlebitz und Hammerkling,
Pocmon wars, der anfing.
Ich habe da einen bescheidenen Altersvorsprung, sicher hat sich in den Lehrplänen ein wenig bewegt.
Im Blog der Literaturzeitschrift bewegt sich auch etwas: Seit heute laufen die neuen Features »Co-Autoren« und »Letzte Einträge«.
Sir Pocemon ist wirklich gaga
jetzt beginnt er hier mit Dada!
Ich bin überwältigt, mein Avatar prangt auf dieser edlen Seite, und das auch noch in Farbe!
Sogar der Schwanz wedelt!
Ein PROsit auf PRO!
Danke, lieber Rupi, für die Blumen.
Ja, DADA ist lebendig wie eh und je. Seit Jahren gibt es Das dosierte Leben von Jochen König in Mannheim, der dort seinen Dosismus zelebriert, ein Nachfolger Dadas. Und in Wien sind Fritz Widhalm und Ilse Kilic, die sich im Das fröhliche Wohnzimmer schweinisch tummeln. In beiden Publikationen erscheinen immer wieder meine Arbeiten (Vorsicht: Pseudonym). Bestimmt gibt es im deutschen Sprachraum noch mehr derartiges Abartiges.
Und in Frankreich gibt es Oulipo. M.E. ist der Beitrag von Wikipedia darüber noch sehr ergänzungsbedürftig.
L.G. B.
:))
Mir verschlägts die Sprach!
Das sind wundervolle Links, die unbedingt dazu gehören. Dankeschön!
Potzdibulter!
Das denkst du dir nie gehätt, wegen?
Rumpelschrund, Katzbuckel, Wolkenschrott!
alles ist DADA, DADA ist überall oder dada-da ….
Große Vorreiterin!
Danke vielmals für den Hinweis!
Sofort werde ich Deinen Beitrag oben einblenden.
Mein Haupt rollt in den Staub zu Deinen Füssen
Huch,
jetzt kann ich es schon nicht mehr sehen
Man kann viel in Dada hineininterpretieren oder daraus eine Lebenseinstellung machen. Anschaulich jedoch finde ich David Byrne der sogar Dadaistische Gedichte vertont und mit seinem Film ‚Stop Making Sense‘ das meines Erachtens einzige kulturelle Highlight der Achtziger geschaffen hat. Der Film ist meines Erachtens mehr als nur dadaistisch angehaucht.
Womit David Byrne das einzige dadaistische Werk geschaffen hat, das in gewisser Weise als gegenstaendlich gelten kann.
-m*sh-
Dada ist eigentlich völlig offen, und ich finde toll, dass derzeit in mehreren Blogs an diese Kunsteinstellung erinnert wird.
Danke für Deinen Hinweis auf Byrne.
Es ist spät, oder schon früh und meine Augen brennen.
Ich habe alle diese Kommentare gelesen und finde diese Diskussion spannend und interessant.
Wenn man das übliche Blog-Blabla kennt, staunt man und glaubt die Leserbriefseite der NZZ zu lesen.
Bin ich noch wach oder träume ich schon.
Muss am Freitag, in aller Ruhe, diese Beiträge nochmals lesen und die Links einsetzten.
Vielen Dank und nicht vergessen: DADA LEBT!
poc
Nebelschein, Wolkensonn, Bauchpurzel, Minutenwecker!
Freitagé-Morgen:
Es regnet, aber Dada lebt immer noch!
poc
Einen fröhlichen Tag, oh Dada-Nachteule!
…stell dich ans Fenster und sing dir mal vor, was draußen alles so vor sich geht oder auch nicht geht, dann behaupte,
dies sei das 21. Jahrhundert Manifest und mach so weiter…
(sehr beklömmlich) (Veröffentlichung inbegriffen,,, was glaubst du, was dann alles passiert….
Was denkst Du denn, was geschieht?
freu mich schon auf eure dada-aus-wüchse.
in einer gegenwart, wo ratio, effiziez, zahlengläubigkeit und ähnliches hochsaison haben, ist gerade dieser dadaaspekt des irrationalen, spielerischen, „sinnlosen“, ineffizienten very welcome.
Ich habe das Buch „Ich verzeihe Keinem“ (?!bin mir nicht ganz sicher wegen dem Titel, ist schon so lange her) von Claire Goll gelesen, das fand ich sehr aufschlussreich. War noch nie eine, bin aber seitdem überhaupt keine Anhängerin von DADA, habe aber auch andere Bücher von Zeitgenossen gelesen ( Peggy Guggenheim zum Beispiel ) und musste dabei eigentlich immer an einen ganz berühmten Film aus den Achtzigern denken, habe leider den Titel vergessen, ging um Tanz, wo ein Mann irgendwann sagt:“ Willst du etwa einen Verarscher verarschen?“
Gab es Dada eigentlich auch in der Musik, Herr Generalmusikdirektor?
Zählt Claire Goll denn überhaupt zu den Dadisten?
Peggy Guggenheim gehört jedenfalls – auch vom Selbstverständnis – bestimmt nicht dazu. (ich vermute, Du beziehst Dich auf ihre Autobiographie »Ich habe alles gelebt«)
von Kurt Schwitters (19..)
DADA LEBT!
poc
Schon wieder ein neuer technischer Trick des grossen Schweizer Dada-Botschafters
Vielen Dank. Ganz einfach, es ist eine Raubkopie aus der Homepage von Kurt Schwitters. Ich habe gelesen oder gehört, dass Kopieren zum Dadaismus gehört.
Dieser Anfang der Ursonate von Schwitters, ist jetzt auch in meinem Head (Chaiyo-Blog) zu lesen.
Schöner, kreativer Tag!
poc
Dann ist es keine Raubkopie sondern eine Grosse Dadaistische Schenkung!
Das hast du schön gesagt!
da bin ich überfragt – dada in dr musik als stil kenne ich nicht. zur zeit, als dada aufkam, gab es in der damals sg. e-musik bestrebungen, alltagsmusik wie zirkus-, jahrmarktklänge und dergleichen ins musikschaffen zu integrieren, was zwar keinen direkten dada-bezug hat, aber doch diese abgrenzung von ernsthafter zu trivialer musik aufzuweichen begann.
Lanke trr gll!
DADA ist lebedniger denn je – und MERZ floriert und blüht!
Mein verspätetes Dadagruss
und ein Dadank für das faszinierendste Thema!
Merzmensch
Lieber Merz
jetzt bist du am Ball, wir warten auf deine Doktorarbeit über DaDa!
Liebe Grüße aus der Dada-Schweiz
pocemon