Mit zwei Opernpremieren, den »Geschichten aus dem Wienerwald« im Festspielhaus und der »Zauberflöte« auf der Seebühne reüssierten die Bregenzer Festspiele 2014.
Geschichten aus dem Wiener Wald
Als Welturaufführung zelebrierte Bregenz HK Grubers neue Oper »Geschichten aus dem Wienerwald«. Dicht am weltberühmten Theaterstück des auf Deutsch schreibenden österreichisch-ungarischen Autors Ödön von Horváth (1931-1938) inszenierte Michael Sturminger die Oper. Inhaltlich geht es bei dem Volksstück aus der Zeit der Weltwirtschaftskrise um die Demaskierung des Klischees von der »Wiener Gemütlichkeit«, indem bekannte Klischees auf ihren verlogenen Kern reduziert werden.
Marianne, ein »süßes Wiener Mädel« (Ilse Eerens mit entzückendem Sopran) entwischt der arrangierten Verlobung mit einem wohlhabenden Nachbarn aus der Nachbarschaft, dem Fleischhauer Oskar (Jörg Schneider). Sie geht Alfred (Daniel Schmutzhard), einem kleinkriminellen Nichtsnutz auf den Leim und bekommt von ihm ein Kind vermeintlicher Liebe. Doch die Beziehung geht schnell in die Brüche, die junge Frau landet in der Halbwelt, damit sie Geld verdient. Alfred gibt das Kind zu seiner Mutter (Mezzo Anke Vondung, die stimmliche Überraschung des Abends), die in der Wachau an der schönen blauen Donau lebt.
Derweil tröstet sich Alfreds einstige Geliebte, die Trafikantin Valerie (Angelika Kirchschlager) mit einem deutschen Studenten (Michael Laurenz), dessen zackiges »Heil«-Geschrei den bevorstehenden Siegeszug Adolf Hitlers ankündigt.
Das »Marianderl« rutscht die soziale Leiter immer weiter hinab und kann kaum ihr täglich Brot verdienen. Ihr hartherziger Vater, der Zauberkönig (Albert Pesendorfer als viraler Bass), verstößt sie und ihren Balg.
Im Ergebnis der Geschichte setzt die Großmutter ihren Enkel derart brutal der frischen Luft an der immer wieder besungenen Wachau aus, das der Kleine an einer Lungenentzündung verendet. In einem zweifelhaften Happy-End wird Marianne damit wieder frei und vom Fleischhauer aufgenommen, während die Trafikantin ihren Alfred zurückbekommt.
Tondichtung auf den Spuren Kurt Weills
Musikalisch bietet von Horváths Stoff dem Komponisten HK Gruber reichlich Gelegenheit, sich auszutoben, zumal der Autor selbst ursprünglich plante, ein Schauspiel mit Musik von Kurt Weill zu schaffen. Mit der Arbeit Weills vertraut, schuf Gruber ein Werk der moderaten Moderne, das sich wohltuend an das Bühnengeschehen anpasst. Dabei zitiert schon der Titel des Stücks »Geschichten aus dem Wiener Wald« den gleichnamigen Walzer von Johann Strauß (Sohn) und im Laufe des Dramas werden immer wieder musikalische Anspielungen deutlich, die ein weites Spektrum von Puccini bis zum Wiener Volkslied öffnet. Zwischen Donauwalzerfetzen und volkstümlichen Melodien balanciert Grubers Komposition elegant zwischen dem angeblich Schönen und der hässlichen Wirklichkeit.
Dabei führte der Tondichter selbst die Wiener Symphoniker bei der Premiere am Pult und sorgte so dafür, dass Orchester und Sänger alle Register zogen. Eingebettet in ein Bühnen- und Kostümbild von »donmartin supersets« (Renate Martin & Andreas Dornhauser) und das stimmige Lichtbild von Olaf Winter (großartige Stimmungen bei Bildern im Beichtstuhl und im »Maxim«) war diese Inszenierung das musikalische Highlight der Bregenzer Festspiele 2014.
Bregenz: Zauberflöte setzt auf Effekte
Die Wiener Symphoniker durften bei der zweiten Premiere der Bregenzer Festspiele, Mozarts »Zauberflöte« im (trockenen) Graben des Festspielhauses verbleiben, während das Publikum die Inszenierung open air auf der dem Haus angeschlossenen Seebühne erlebte. Die Musik wird live mit Superqualität übertragen und dient den auf der von drei Drachenhunden bewachten Schwimmbühne als Klangteppich.
Die rund 6.000 Gäste des Freilufttheaters, das an Veronas Arena erinnert, erlebten eine farbenprächtige und spektakuläre Inszenierung der Schlacht zwischen der Königin der Nacht und Sarastro, dem Boss eines Männerordens, in dessen Obhut sich ihre Tochter Pamina befindet. Sie spannt den etwas blass wirkenden Prinzen Tamino ein, ihr Töchterchen zu befreien, der wiederum im Verbund mit Papageno, einem erfolglosen Vogelhändler, dem Zauberberg zu Leibe rückt, um seine Mission zu vollenden.
Akrobaten, Gaukler, Bungee-Springer, Stelzenläufer und ein glitternd-gleißendes Kostümbild tragen viel dazu bei, die Oper spektakulär und unterhaltsam zu gestalten. Bei dieser Art der Präsentation steht naturgemäß das Eventhafte im Vordergrund. Es geht weniger um große Stimmen und interpretatorischen Feinsinn wie in klassischen Inszenierungen von Mozarts «Zauberflöte«, die zu den beliebtesten deutschsprachigen Opern zählt.
Knalleffekte und Farbenspiel
David Pountney, der scheidende Intendant von Bregenz, unternimmt in seiner Regiearbeit keinen Versuch, Bahnbrechendes oder gar Visionäres auf die Bühne zu bringen. Dazu hätte es vielleicht einer Inszenierung André Hellers bedurft. Im Vordergrund seiner Arbeit stehen vielmehr Knalleffekte und ein farbenfrohes, durchaus gelungenes Bühnenbild.
Das entspricht offensichtlich dem Massengeschmack des Publikums von Österreichs größtem Kulturevent. Denn auch in diesem Jahr sind die Bregenzer Festspiele mit rund 220.000 Zuschauern, die im statistischen Mittel 70 Euro pro Karte zahlen, bis auf den letzten Platz ausgebucht.
Lesen Sie auch:
Bregenzer Festspiele 2017: »Carmen« und »Moses in Ägypten« zwischen Kitsch und Kunst