Grandville: Auferstehung der Zensur (Résurrection de la Censure).
1832, Lithographie.
Blog.de: »Wir wollen hochwertige Inhalte«
Geschäftsführung von Blog.de beantwortet kritische Fragen
Blog.de vollzieht derzeit eine Gratwanderung zwischen Kuschelcommunity und engagierter Plattform mit lesenswerten Inhalten, auf der das freie Wort Priorität genießt. Dabei gilt es, in wirtschaftlich turbulenten Zeiten einen Spagat zu vollführen zwischen ökonomischen Interessen und einer inhaltlichen Qualität, die den Anbieter über seine bisherigen Grenzen hinaus bekannt machen könnte. Über dieses Thema sprach Wilhelm Ruprecht Frieling aka Prinz Rupi mit Florian Wilken und Vasco Sommer, den Geschäftsführenden Gesellschaftern der Mokono GmbH, die wiederum blog.de betreibt.
Rupi: Kapitän, wohin geht die Fahrt?
Vasco: Die Fahrt geht in Richtung »Auffinden von qualitativ wertvolleren Inhalten«.
Rupi: Wie wollt Ihr das machen?
Vasco: Es gilt, den Spagat zwischen Qualität und Wirtschaftlichkeit hinzubekommen, so wie das auch von anderen Medienhäusern bekannt ist. Wir suchen den aktiven Diskurs mit Personen, die redaktionell tätig sind (oder waren), und prüfen Strukturen, die es uns erlauben, in Zusammenarbeit mit diesen Personen qualitativ wertvollere Inhalte zu finden und nicht nur technologiebasiert sondern durch redaktionelle Arbeit darzustellen.
Rupi: Im Artikel 5 des Grundgesetzes steht: »Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt«. Ähnlich verbrieft ist die Kunstfreiheit. Gilt das uneingeschränkt auch für die Plattform blog.de?
Florian: Artikel 5 gilt natürlich auch auf blog.de. Gleichzeitig müssen wir andere deutsche Gesetze beachten, die solche Dinge wie Verleumdung, Beleidigungen oder andere Sachverhalte, die Dritten Schaden zufügen – sei er auch immateriell – regeln.
Rupi: Für einige User von blog.de steht aktuell die Frage des demokratischen Selbstverständnisses zur Diskussion. Dabei wird in der praktischen Anwendung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen AGB derzeit, so meine ich, bisweilen ein wenig über das Ziel hinaus geschossen und voraus eilender Gehorsam praktiziert. Das wiederum trägt im Ergebnis dazu bei, dass Diskussionen um Zensur entfachen, inhaltliche Schwergewichte hier ihren Laden schließen und in einem anderen Umfeld neu eröffnen.
Vasco: Unser Ansatz des demokratischen Selbstverständnisses ist teilweise sehr sicherheitsbehaftet. Uns geht es hierbei insbesondere darum, unsere Nutzer und auch Dritte zu schützen. Dies kann in einigen Fällen dazu führen, dass wir etwas über das Ziel hinausschießen, insbesondere wenn es sich um solche Themen wie Satire handelt, die für geschulte Literaten oder Journalisten in der Regel eindeutig zu verstehen sind, sich dem gemeinen Leser jedoch nicht immer gleich erschließen.
Rupi: Satire scheint nicht von jedem Menschen wirklich auch als Satire betrachtet zu werden … es ist sicher schwer für das Team von blog.de, sich hier in jedem Einzelfall eine Meinung zu bilden. Ich kann mir vorstellen, dass die Verantwortlichen aufgrund von Überlastung möglichen Auseinandersetzungen aus dem Weg gehen möchten und deshalb den, der am lautesten kräht, bedienen und den sicheren Weg der Schließung wählen. Damit ist aber niemandem geholfen und schon gar nicht dem Freiheitsgedanken des Bloggens an sich.
Florian: Das Team von blog.de prüft Inhalte vor ihrer Sperrung oder Schließung genau und lässt sich dabei nicht von dem leiten, der am lautesten kräht.
Vasco: Wir sind uns des Freiheitsgedankens des Bloggens sehr bewusst. Immerhin war dies einer der Antriebe, mit blog.de überhaupt in Deutschland zu starten. Blog.de soll ganz eindeutig den Gedanken der Meinungsfreiheit fördern. Dabei gilt es jedoch – wie oben beschrieben – Dritte zu schützen. Die Grenzen der Meinungsfreiheit werden oft diskutiert. Auch wir hier bei blog.de lernen diesbezüglich ständig hinzu.
Rupi: Ein Blogger hat unlängst in seinem Blog eine an sich harmlose Fotomontage veröffentlicht, um die Verherrlichung und den Totenkult um den österreichischen Rechtspopulisten Haider satirisch überspitzt darzustellen. Daraufhin fühlte sich ein Leser verletzt und denunzierte ihn beim blog.de-Team. Ihr warft dem Mitglied darauf hin »Menschenverachtung« und »Gewaltverherrlichung« vor, er musste den Eintrag löschen. »Menschenverachtung« und »Gewaltverherrlichung« sind Schlagwörter, die gern heran gezogen werden, um Meinungs- und Kunstfreiheit zu beschneiden. Was geschieht eigentlich konkret, wenn Euch eine Seite per Knopfdruck »gemeldet« wird?
Florian: Jede Meldung eines fragwürdigen Inhaltes wird bei uns sehr ernst genommen. Wir prüfen im Einzelfall, ob der Inhalt in irgendeiner Weise unseren AGB widerspricht. Sollte sich der Support-Mitarbeiter unsicher sein, wird der Sachverhalt im Team besprochen. In besonderen Fällen wird auch die Geschäftsführung hinzugezogen. Sollte der Inhalt unseren AGB widersprechen, weisen wir in der Regel den Autor auf den Verstoß hin. Sollte der Autor nicht reagieren, so greift unser Support-Team aktiv ein und entfernt entsprechende Inhalte. Bestimmte Inhalte – zum Beispiel pornografische Bilder – werden in der Regel sofort entfernt.
Zu der angesprochenen Fotomontage: in §10.2 AGB ist genau geregelt, wie mit speziellen Inhalten umzugehen ist. Unser Mitarbeiter hat sich an diese Richtlinien gehalten und wir haben vollstes Verständnis für sein Handeln. Nichts desto trotz hat uns die daraus entstandene Diskussion gezeigt, dass die Auslegung der AGB – z.B. im Hinblick auf satirische Darstellungen – überdacht werden muss.
Rupi: Satire tritt häufig als Mittel der Polemik auf. Sie kann ein geeignetes Mittel sein, einen Gegner bloßzustellen. Dabei geht sie den indirekten Weg der Kontrastierung, bei dem einem Zuhörer oder Leser der Kontrast zwischen Wirklichkeit und Ideal deutlich wird. Habt Ihr konkrete Empfehlungen für Blogger, die sich gern zeitkritisch oder satirisch äußern, wie sie sich (und Euch) weniger angreifbar machen?
Vasco: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt haben wir noch keine konkrete Empfehlung. Unsere interne Diskussion bzgl. der Behandlung von satirischen Inhalten ist noch nicht abgeschlossen.
Rupi: Könntet Ihr zum Abschluss dieses Interviews noch einmal deutlich sagen, welchen Typ Blogger Ihr auf Eurer Plattform am liebsten seht?
Florian: Wir haben, was unsere Blogger betrifft, keine Präferenzen. Blog.de ist eine Plattform, die es möglich macht, schnell und einfach Inhalte zu veröffentlichen. Doch wir werden in Zukunft redaktionell Einfluss nehmen auf Teile der Inhalte, die beispielsweise auf unserer Homepage angezeigt werden.
blog.de ist als Publikationsinstrument an den Start gegangen, das es jedem ermöglichen soll, Inhalte medienübergreifend zu veröffentlichen. Dabei geht es nicht darum, bestimmte Inhalte zu verbieten oder zu löschen, sondern darum, Inhalte, die qualitativ hochwertig sind, dem Publikum zuzuführen. Dass wir uns in den ersten Jahren unserer Existenz auf eine eher technologische Entwicklung als eine inhaltliche Entwicklung konzentriert haben, ist uns bewusst.
Uns ist auch bewusst, dass Technologie alleine nicht die wertvollen Stimmen identifizieren kann, die abseits klassischer Medien hörbar sind, von diesen aber nicht aufgegriffen werden. Wir bemühen uns, auf blog.de ein Umfeld zu schaffen, das den offenen Diskurs von Themen und den Austausch von Gedanken und Meinungen fördert.