Nie zuvor hatte die Neuköllner Oper, Berlins innovativstes Musiktheater, in den dreißig Jahren ihres Bestehens eine derart breite PR wie in diesem Fall. Von »BILD« über »Spiegel« bis hin zur »Tagesschau« drängten sich die Berichterstatter in dem kleinen Haus an der Karl-Marx-Strasse, und es mussten aufgrund des Presserummels gleich zwei Premieren veranstaltet werden. Das Schlagwort »Moshammer« löste diesen einzigartigen Run der Journaille aus. Eine »Moshammeroper« sollte es geben, in der das Leben und die Persönlichkeit des exzentrischen Münchener Modezars für die Bühne aufbereitet werden sollte. Dieses Stichwort heizte die Berichterstattung bereits im Vorfeld kräftig an.
Rudolph Moshammer, ein Gesamtkunstwerk nach Münchner Art, sah sich im Lichte des Bayernkönig Ludwigs I. und staffierte sich entsprechend märchenhaft aus. Bekannt wurde der Inhaber einer Boutique in der Maximilianstraße in München sowie des ältesten Restaurants der Stadt, der »Hundskugel« in der Hotterstrasse, durch sein schillerndes Auftreten in der Öffentlichkeit, in der er sich gern mit einer Yorkshire-Hündin zeigte, die auf den Namen »Daisy« hörte. Im Januar 2005 wurde er von einem persischen Lustknaben, den er auf der Strasse anmietete, aus Habgier erdrosselt.
Das Leben Moshammers für die Oper aufzubereiten, ohne in die Gosse oder eine rosa gefärbte Klamotte abzurutschen, scheint schwierig. Ob es der Neuköllner Oper letztlich gelungen ist, daraus ein Thema zu machen, das eine theatralische Deutungsarbeit verdient? An der Beantwortung dieser Frage scheiden sich die Geister. Jedenfalls war »Mosi«, der im Stück nach seinem Vorbild »Ludwig« geheißen wird, eine illustre Figur der Münchener Medien- und Eventgesellschaft, die seinen Lebensstil feierte, sein soziales Engagement für die Schwächsten der Gesellschaft achtete, und dabei seine nächtlichen Eskapaden ins Strichermilieu dezent übersah.
In der mit dem Berliner Opernpreis 2006 ausgezeichneten Kammeroper von Bruno Nelissen (Musik) und Ralph Hammerthaler (Libretto) wird die Handlung um den Protagonisten auf fünf Darsteller reduziert: Der Herrenschneider Ludwig (Hubert Wild), der in mehreren Rollen und zuletzt als Mörder auftretende Markus Vollberg, die Klatschreporterin Klette (Leigh Adoff), Frau von Klunker (Friedrike Harmsen) sowie die Spielfigur Regine Gebhardt hüpfen, laufen, springen und kriechen in elf chronologisch ungeordneten Szenen über einen roten Teppich zwischen Himmelbett und Bühne.
Der Zuschauer erfährt, dass Mosis Vater den Freitod wählte, weshalb sich der Junge den Bayernkönig zum Stiefvater wählte. Als kleiner Schneiderlehrling steckte er sich drei Federn an den Kopf, um kein mausgrauer Schneider zu bleiben. Die Medienwelt, vertreten durch die beiden grellen Damen, meint, Moshammer schulde der Presse seine Bedeutung, während diese ihm die Auflage verdanke. Wir hören, dass die Hauptfigur der »Moshammeroper« sein Hündchen Daisy ein »total verrupftes Vieh« ruft. In seiner Zerrissenheit und auf der Suche nach Nähe treibt es ihn dann, vor allem nach dem Tod der Mutter, ständig in die Stricherszene. Dort kauft er sich Liebe. Schließlich sucht und findet er den Tod.
Musikalisch werden diese Fragmente eines Lebensentwurfs von vier Streichern und einer Trompete unterstützt. Dabei wird auf strukturierte Klangebenen, schmissige Melodien oder gar Ohrwürmer verzichtet. Es ist eher ein schriller Klangteppich, der dem Publikum entrollt wird. Mal singt Ludwig eine seiner Arien im Dialog mit der Trompete, mal tritt er in Wechselgesang mit verzerrten Tonbandstimmen. Schrille Streicher dominieren und zeigen die seelische Auseinandersetzung des Protagonisten auf. Die Musik in der Tradition der Zwölftonmusik Arnold Schönbergs ist karg, klirrend, komatös.
In ihrer bisweilen kakophonischen Spröde verdeutlicht die Musik der »Moshammeroper« das Anliegen des Stückes und transportiert Facetten des Lebens einer höchst widersprüchlichen Persönlichkeit. Das Libretto schafft dies hingegen mit seinen Blitzlichtaufnahmen der angeblichen Wendeschleifen einer Biographie nicht. Zu dürftig ist das, was erzählt und geboten wird. Der Weg Moshammers von ganz unten zum Märchenkönig und Promi-Kasper wird allenfalls angedeutet, keinesfalls hinterfragt.
Vielleicht gibt die Figur Moshammer aber auch zu wenig her, um daraus eine Oper zu machen, die sich über ihre Tagesaktualität als tragfähig erweisen könnte. Moshammer sei noch aus dem Mausoleum heraus für Schlagzeilen gut, meint Autor Ralph Hammerthaler. Das allein reicht leider nicht für eine Kammeroper, die ihre Schlagzeilen redlich verdient.
Fotostrecke der WELT:
http://www.welt.de/kultur/article1075556/Moshammer_-_die_Oper_.html
Das Mooshammer’sche Leben gibt bestimmt genug Stoff her. Vielleicht ist es noch zu früh. Mit den Jahren verklärt sich die Figur mehr und mehr und wird dadurch überhöht. Eventuell könnte man das fiktiv noch mit dem Sedlmeyer zusammenführen. Das wäe dann der bayerische Spätbarock.
Nachtrag: Sollte man diese Oper nicht eher in München erwarten?
Ob es in München eine geeignete Institution gibt, die sich des Themas annehmen könnte?
Könnte ich mir schon vorstellen, ohne das ich jetzt der Experte wäre.
Da gebe ich dir recht. Mosi war hier ungeheuer beliebt (man denke nur an das Begräbnis…), und sowas hätte ich eher hier in München erwartet. Würde mich schon interessieren, was man aus dem Stoff gemacht hat.
Ich hab den Mosi mal live erlebt – der war derart theatralisch – den kann man wohl selbst in einer Oper nicht überhöhen 😉 – da bleibt jeder Darsteller wohl nur ein schwacher Abklatsch
Mosi kenne ich nur in Filmausschnitten, aber er war zweifellos ein Meister der Selbstinszenierung bis über den Tod hinaus.
Die Macher wählten nicht die Form eines Musical-Spektakels in einem entsprechenden Event-Theater, wie es bei solchem Stoff erwartet werden konnte, sondern die der einer Kammeroper, uraufgeführt im Berliner Problemkiez Neukölln. Insofern beißt sich hier bereits die Realität mit der Form und schafft Irritationen, die von den Beteiligten gewollt sein müssen, und denen die Erwartungen unserer Medien niemals entsprechen konnten. Also erst mal Ratlosigkeit und Frustration. Von daher erscheint mir das Stück schon in eine Dimension von Kunst hineinzuwachsen, die mehr ist, als es auf den ersten Blick in die „Journaille“ erscheint. Ein Ralph Hammerthaler, der vor über einem Jahr mit der so eindrucksvollen Groteske einer Bestmannoper sich kraftvoll in unserer Literatur- und Opernwelt als Librettist positionierte, der mit Romanen wie „Aber das ist ein anderes Kapitel“ Aufmerksamkeit auf sich zog, lässt mehr erwarten. Auch der Komponist hat mit dem Auftrag zur Oper und seiner Auszeichnung 2006 bereits gezeigt, dass es ihm nicht blos um die Vermarktung eines spektakulären Stoffes gehen kann. Jedenfalls macht die Moshammeroper neugierig auf weitere Inszenierungen.