Als »Kult-Serie«, die man unbedingt gesehen habe müsse, empfahl mir ein Kollege vom RBB die US-Fernsehserie »Breaking Bad«. Dabei geht es um einen Chemielehrer, der angesichts seines bevorstehenden Krebstodes vom Wege abkommt und zu einem Kriminellen wird, während sein Schwager bei der Drogenfahndung arbeitet.
Der Einstieg in die Serie ist skurril und schräg. In einem hippieesk anmutenden Szenario entschließt sich der biedere Chemielehrer Walter White (Bryan Cranston), der von seinem Lungenkrebs erfährt, sein Leben zu ändern. Das bisherige Weichei verteidigt seinen Sohn, wird zum furiosen Lover und wendet sein KnowHow schließlich dazu an, synthetische Drogen zu produzieren.
Wer könnte derartiges besser als ein genialer Chemiefuchs, und so erhält das von ihm in einem Campingbus in der mexikanischen Wüste hergestellte Crystal Meth nicht nur die reinste Qualität sondern auch sehr bald höchstes Interesse der mehrheitlich jungen Kundschaft.
Natürlich rufen seine Drogen-Kochkünste auch andere Dealer auf den Markt und es ist köstlich, zu beobachten, wie sich der Meisterkoch ihrer entledigt – stets nach den strengen Regeln der Chemie.
Allerdings müssen Leichen auch beseitigt werden. Und wie lässt ein Chemiker einen Toten verschwinden? – Indem er den Körper mit Flusssäure auflöst. Ist sein Dealerkumpel jedoch zu doof, auch nur die simpelsten Anweisungen zu befolgen, dann gehen dabei auch schon mal Badewanne und Zwischengeschoss zu Bruch.
Vollends schwierig wird es aber, wenn das zweite Opfer plötzlich wieder zum Leben erwacht und nicht sterben will. Da bleibt wenig übrig, als den Mitwisser ebenfalls zu beseitigen und damit einen zweiten Mord zu begehen.
Die Wesensänderungen des Schulmeisters bleiben nicht unbemerkt. Es gibt Nachfragen seitens seiner Frau, die entdeckt, dass ihr Göttergatte mit Dealern verkehrt und Marihuana raucht. Walter offenbart sich seiner Familie, die ihn beim Kampf gegen die Krankheit unterstützen will. Er möchte sich jedoch nicht für eine teure Krebstherapie in finanzielle Abhängigkeiten stürzen und dann einen Riesenhaufen Schulden hinterlassen. Obwohl seine Freunde ihm die Bezahlung seiner Therapie anbieten, lehnt sein Stolz das ab.
Walter will alles selbst bezahlen und auch noch Geld hinterlassen, um seine Angehörigen zu versorgen. Er geht wieder auf seinen Drogenkumpel zu und kocht neues Dope. Seine Lebensuhr tickt, und um schneller als per Einzelhandel zu Geld zu kommen, wollen sie an einen Zwischenhändler verkaufen. Doch das geht erst mal schief. So nimmt Walter die Geschichte selbst in die Hand und setzt erneut sein Chemo-Wissen ein, diesmal mit Knall-Quecksilber. Die Geschichte gewinnt an Fahrt und wird zunehmend zu einer farbenprächtigen Odyssee durch die US-Drogenszene mit brutalen Splatter-Einsprengseln.
Hervorragende Schauspieler – milieudichte Schilderung
»Breaking Bad« besticht vor allem durch die schauspielerischen Qualitäten des Protagonisten Bryan Cranston, der die Entwicklung ebenso wie die inneren Zweifel und Widersprüche glaubhaft werden lassen. Die Beiträge sind milieudicht geschildert, vor allem die heruntergekommene kriminelle Welt der Drogenszene wird anschaulich dargestellt.
Ob nun ein Mensch, der von seinem bevorstehenden Krebstod erfährt, tatsächlich in der Lage ist, sein Leben derart radikal zu ändern und zu einem Kriminellen werden kann, bezweifele ich aufgrund eigener klinischer Anamnese. Wer derartiges erfährt, ist meistens vollkommen geplättet und sinkt in Depression, die sich dann häufig in Wut verwandelt. Eine derartige Fragestellung sollte also, obwohl sie als Ausgangspunkt zentral ist, bei der Beurteilung dieser Serie ausgespart werden.
Ein interessanter Aspekt ist hingegen die Kriminalisierung der kleinen Marihuana-Raucher, die in der Serie überdeutlich wird. Wer Haschisch genießen will, wird aufgrund der Gesetzeslage in die Arme der Drogenmafia getrieben und erhält sehr schnell Zugang zu brutalen Drogen wie Crystal Meth, die den Körper verwüsten und eine totale Abhängigkeit schaffen. Sieht man »Breaking Bad« unter diesem Aspekt, lassen sich stichhaltige Argumente für die kontrollierte Abgabe von Marihuana über Coffee-Shops (Modell Niederlande) oder Apotheken finden.
47 Stunden vergehen wie im Rausch
Insgesamt wird die Geschichte auf 62 Teile in sechs Staffeln ausgedehnt. Dabei entwickelt sich der Protagonist zunehmend zu einem brutalen Killer, der es sogar mit dem Kartell aufnimmt. Wer sich den Gesamtumfang von 47 Stunden ansieht, spürt, dass gerade zum Schluss Längen auftreten und Steigerungen schwer möglich sind. So ist die sechste und letzte Staffel eigentlich nur noch ein gewaltiger Showdown, eine Schlussabrechnung zwischen den bösen Buben, die Walter White alias Heisenberg auf seine Art führt. Ungeachtet dessen hat die Story eine enorme Sogwirkung und ist erstaunlich gut gemacht. Insofern vergehen die Stunden wie im Rausch …